Nur bei »konkreter Gefahr«
Von Annuschka EckhardtSchlecht verfasst: Teile des nordrhein-westfälischen Polizeigesetzes sind nicht mit dem Grundgesetz vereinbar. Das hat das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe in einem am Freitag veröffentlichten Beschluss entschieden. Bestandteile einer Observationsregelung sind verfassungswidrig, die darin definierte »Eingriffsschwelle« für Überwachungen sei zu allgemein und gebe den zuständigen Behörden und Gerichten »keine hinreichend bestimmten Kriterien an die Hand«, so der Beschluss. Aus Gründen der Verhältnismäßigkeit sei es erforderlich, dass die fraglichen Maßnahmen wenigstens eine »konkretisierte Gefahr« voraussetzten.
Die Klägerin war nicht einverstanden damit gewesen, dass von ihr Fotos gemacht wurden, als ihr Freund – ein bekannter Neonazi – nach seiner Entlassung aus dem Gefängnis von der Polizei über einen längeren Zeitraum verdeckt observiert wurde. Ihr faschistischer Partner, der unter anderem wegen Totschlags im Gefängnis saß, galt als sogenannter Gefährder. Um ein Abtauchen zu verhindern, sollte er ab Mitte 2015 beobachtet werden. Auf Antrag hin auch sein Umfeld.
Die Klägerin war vor das Verwaltungsgericht gezogen und Ende 2019 vor dem OVG in Münster in der zweiten Instanz zumindest in Teilen auch erfolgreich. Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig hatte den Fall zur Klärung dann dem Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe vorgelegt.
Mit solchen Fotos Dritter ist nun Schluss: Eine präventive, längerfristige Observation mit Bildaufnahmen Unbeteiligter ist laut Einschätzung des Bundesverfassungsgerichts ein schwerer Eingriff in das Persönlichkeitsrecht und nicht mit dem Grundgesetz vereinbar. Die Befugnisse zur Überwachung an sich seien allerdings grundrechtskonform.
NRW muss demnach bis zum 31. Dezember 2025 für eine Neuregelung sorgen, bis dahin dürfen die Maßnahmen nur bei »konkreter Gefahr« angewandt werden.
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