Der zweite Putsch?
Von Kai KöhlerDas Scheitern des Versuchs, den südkoreanischen Präsidenten Yoon Sok Yeol wegen Aufruhrs zu verhaften, zeigt, dass nicht nur die Gesellschaft gespalten ist. Auch im Staatsapparat zeigen sich deutlich Konflikte. Zwar konnten etwa 20 Ermittler und 80 Polizisten auf das Gelände von Yoons Residenz vorstoßen. Doch stießen sie auf eine überlegene Streitmacht von Angehörigen der Präsidentengarde und des Militärs, die den Zugang zum Gebäude versperrte. Nach gut fünf Stunden zogen sich die Ermittler zurück.
Auch wenn der genaue Verlauf der Auseinandersetzung nicht bekannt ist: Juristisch ist die Sache ziemlich klar. Nach Yoons Putschversuch vom 3. Dezember stellt der Einsatz von Streitkräften, um sich seiner Verhaftung zu entziehen, eine weitere Rechtsverletzung dar. Angehörige der Opposition sprachen denn auch, nicht ohne Grund, von einem zweiten Putsch. Ihr Verdacht, die Ermittler hätten gar nicht entschlossen vorgehen wollen, mag zutreffen oder auch nicht. Immerhin wären die politischen Folgen eines Kampfs zwischen Polizei und Militär schwer abzusehen gewesen. Dies gilt sowohl institutionell als auch, was die Reaktion in der Bevölkerung angeht. Angesichts einer bislang stabilen Anti-Yoon-Mehrheit dürfte ein Vorgehen Schritt für Schritt erfolgversprechender sein. Die Ermittler haben bereits angekündigt, den Befehlshaber der Präsidentengarde vorzuladen.
Eine Spaltungslinie verläuft natürlich zwischen der Opposition, die im Parlament eine Mehrheit hat, und der Präsidentenpartei, deren Vorsitzender auch am Freitag wieder den Haftbefehl gegen Yoon als »unangemessen« ablehnte. Spaltungslinien verlaufen aber auch innerhalb von Yoons früherem Machtblock. Seitdem die Opposition auch den Ministerpräsidenten stürzte, der den suspendierten Yoon vertrat, nimmt Finanzminister Choi Sang Mok die Aufgaben des Präsidenten wahr. Choi hat als Wirtschaftsfachmann verschiedenen konservativen Regierungen gedient. Er ist ein Mann der Ökonomie und hat – gegen den Protest fast aller anderen Minister – zwei neue Verfassungsrichter ernannt, was Yoons Amtsenthebung sehr erleichtert. Bei vielen in seiner Partei gilt er als Verräter. Dagegen folgte prompt das Lob von Zentralbankchef Rhee Chang Yong. Die Wirtschaft will ein schnelles Ende der Krise, auch wenn das einen linksliberalen Präsidenten bedeuten sollte.
Freilich verfügt Yoon über eine kleine, aber kampfbereite Anhängerschaft. In einer Videobotschaft hat er sie am 1. Januar aufgefordert, »bis zum Ende« gegen »staatsfeindliche Kräfte« – eine Chiffre für Kommunisten – zu kämpfen. Entsprechend haben Tausende von Demonstranten zeitweilig der Polizei den Zugang zu Yoons Residenz versperrt und werden dies auch wieder tun. Yoon und seine übriggebliebenen Vertrauten werden alles tun, um eine Eskalation der Gewalt herbeizuführen. Dieses Szenario könnte zu einem neuen Ausnahmezustand führen. Dann würde sich erweisen, auf welcher Seite die verschiedenen Fraktionen der Sicherheitskräfte stehen.
Siehe auch
Solidarität jetzt!
Das Verwaltungsgericht Berlin hat entschieden und die Klage des Verlags 8. Mai abgewiesen. Die Bundesregierung darf die Tageszeitung junge Welt in ihren jährlichen Verfassungsschutzberichten erwähnen und beobachten. Nun muss eine höhere Instanz entscheiden.
In unseren Augen ist das Urteil eine Einschränkung der Meinungs- und Pressefreiheit in der Bundesrepublik. Aber auch umgekehrt wird Bürgerinnen und Bürgern erschwert, sich aus verschiedenen Quellen frei zu informieren.
Genau das aber ist unser Ziel: Aufklärung mit gut gemachtem Journalismus. Sie können das unterstützen. Darum: junge Welt abonnieren für die Pressefreiheit!
Ähnliche:
- 03.01.2025
Der vereitelte Putsch
- 05.12.2024
Yoon gescheitert
- 16.11.2024
Nordkorea liefert
Regio:
Mehr aus: Ansichten
-
Parlamentär des Tages: Marc Zuckerberg
vom 04.01.2025