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Aus: Ausgabe vom 04.01.2025, Seite 9 / Kapital & Arbeit
Pubsterben in Britannien

Kein Ale nach der Schicht

Pubsterben in Britannien: 400 haben 2024 allein in England und Wales dichtgemacht. Gründe sind Preise, geringe Löhne, Profitdruck
Von Christian Bunke
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Das schlimmste ist, wenn das Bier alle ist: Leere Fässer vor einem Pub in Großbritannien

Das Pub ist ein weltweit bekanntes britisches Kulturgut. Es ist das Zentrum jeder britischen Ortschaft und jedes Stadtteils. Kommt es in einer Gegend zu tragfähigen politischen Graswurzelkampagnen, haben diese oft ihre Anfänge im Hinterzimmer des Nachbarschaftslokals genommen. Gleiches gilt für gewerkschaftliche Organizing-Aktionen. Ein Pub ist weitaus mehr als nur eine Trinkanstalt. Und gerade diese unentbehrliche Institution des öffentlichen Lebens steckt in einer existentiellen Krise.

Jüngste Zahlen aus England und Wales machen das deutlich. Sie wurden von der Immobilienfirma Altus Group zusammengestellt und Ende 2024 veröffentlicht. Demnach ist die Zahl der Pubs in England und Wales im vergangenen Jahr erstmals auf unter 40.000 gesunken. 400 Pubs haben in beiden britischen Landesteilen im Jahr 2024 ihre Pforten geschlossen, 2.000 haben das seit dem Beginn der Coronapandemie im Jahr 2020 getan. 412 ehemalige Pubs wurden 2024 abgerissen oder in Wohnungen umgewandelt, so die von Altus veröffentlichten Zahlen.

Dabei handelt es sich hier nur um die jüngste Bestätigung eines langfristigen Trends: Seit 1980 geht die Zahl der britischen Pubs kontinuierlich zurück. Laut Angaben des Branchenverbands »British Beer and Pub Association« gab es 1980 noch 69.000 Pubs in Großbritannien. 2019 waren es nur noch 47.200. In England und Wales sind Anfang 2025 lediglich 39.000 Pubs verblieben.

Die Gründe dafür sind vielschichtig. Sie haben sowohl mit der Struktur der Branche an sich zu tun als auch mit gesellschaftlichen Tendenzen. Zu letzteren zählen die Auswirkungen jahrzehntelanger neoliberaler Angriffe auf die Lebensbedingungen der Bevölkerung Großbritanniens, die gleichzeitig auch immer ein Angriff auf das öffentliche Leben an sich waren. Der Inselstaat ist heute eines der europäischen Länder mit den längsten Arbeitszeiten. 60-Stunden-Wochen sind für viele Menschen keine Seltenheit. Außerdem gab es in jüngster Zeit zwar in manchen Branchen deutliche Lohnzuwächse aufgrund gewerkschaftlicher Kämpfe. Die wurden aber durch Kostensteigerungen oft wieder aufgefressen. Vielen Menschen auf der Insel fehlt zum Ausgehen in Pubs oder Restaurants einfach die Zeit und das Geld. Dem fällt auch das gemeinsame Feierabendbier nach der Maloche zum Opfer, über viele Jahrzehnte eine wichtige kollektive Tradition.

Generell geht in Großbritannien gerade unter jungen Menschen der Alkoholkonsum zurück. Laut Angaben der britischen Statistikbehörde liegt der zur Zeit auf dem niedrigsten Niveau seit Beginn der Aufzeichnungen im Jahr 2005. Hinzu kommt, dass sich die Art, wie Alkohol konsumiert wird, in den vergangenen Jahrzehnten stetig verändert hat. Wurde in den 1980er Jahren noch überwiegend in Pubs getrunken, begann sich das spätestens mit Beginn der 2000er Jahre zu ändern. Ein Grund lag in den Preiskämpfen, die sich die großen Supermarktketten des Vereinigten Königreichs lange Zeit geliefert haben. Bier und Wein sind nun mal in Supermärkten billiger zu bekommen als im Pub.

Dieser Umstand wird zusätzlich dadurch befeuert, dass viele Kneipen Pachtbetriebe sind, deren eigentliche Eigentümer die großen Brauereien der Insel sind. Diese geben die Kosten von Steuern und Abgaben an ihre Pächter weiter, die sich aber nur bedingt trauen, die Kosten auf die ohnehin schon teuren Getränke aufzuschlagen. Sie werden somit zwischen Preissteigerungen und dem Zwang großer Ketten, auf ihre Profitmargen zu achten, zerrieben. Hinzu kommt, dass die Grundstücke, auf denen sich Pubs befinden, sich vielleicht gewinnbringender einer branchenfremden Verwertung wie etwa der Immobilienspekulation zuführen lassen.

Das wollen Initiativen wie die »Campaign for Real Ale« (Camra) verhindern, indem sie versuchen, bedrohte Pubs in Formen des Gemeineigentums zu überführen. Solche »Community Pubs« sollen ihren Nachbarschaften wieder die eigentlichen Angebote eines Pubs zur Verfügung stellen: als günstige Veranstaltungsräume und Orte des öffentlichen und kollektiven Lebens.

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