Rosa-Luxemburg-Konferenz am 11.01.2025
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Aus: Ausgabe vom 06.01.2025, Seite 15 / Politisches Buch
DDR und Bundesrepublik

Leisetreter Weizsäcker

Ein einfältiges Buch über die Bundespräsidenten und die Staatssicherheit
Von Leo Schwarz
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Wurde laut Heribert Schwan in der DDR »nicht als politischer Feind« gesehen: Bundespräsident Richard von Weizsäcker im Gespräch mit Erich Honecker bei dessen Besuch in Bonn 1987

Heribert Schwan, Autor mehr oder weniger gehaltvoller Bücher zur Zeitgeschichte der Bundesrepublik und berühmt geworden durch die Gerichtssaga um die »Kohl-Protokolle«, greift seit vielen Jahren immer wieder das Auflage versprechende und entsprechend häufig verhandelte Thema »DDR-Staatssicherheit und Bundesrepublik« auf.

Zuletzt hat Schwan 2019 ein Buch darüber veröffentlicht, »wie die Stasi alle Regierungen seit Adenauer bespitzelt hat«. Nun hat er diese Melodie erneut variiert und über »die erstaunliche Geschichte der Bundespräsidenten und ihrer Ausspähung durch die DDR-Staatssicherheit« geschrieben. Das Buch kreist vor allem um die Frage, inwiefern geheimdienstlich erlangte Erkenntnisse über die Vergangenheit der Bundespräsidenten in die Öffentlichkeit lanciert wurden. Dazu, warum das in einem Fall (Heinrich Lübke) geschah und in den meisten anderen Fällen nicht, liefert das Buch aber wenig Erhellendes. Teilweise schlägt es in politische Denunziation um: Dass gegen Richard von Weizsäcker nichts ausgegraben wurde, sei nur mit dem »permanenten Wohlverhalten« und der »Leisetreterei« des »politischen Opportunisten« zu erklären.

Schwan gibt sich »fassungslos« angesichts eines angeblich »unglaublichen« personellen und materiellen Aufwandes »der HVA-Spionage gegen die Bundespräsidenten«. Theodor Heuss und Gustav Heinemann, legt er nahe, seien geschont worden – ist sich aber nicht einmal sicher, ob der HVA überhaupt bekannt war, dass Heuss 1933 für das Ermächtigungsgesetz gestimmt hat. Warum für diese Feststellung ein Geheimdienst nötig war, ist unklar. Skandalisiert wurde auch nicht, dass Walter Scheel und der »antikommunistische Hardliner« Karl Carstens nachweisbar Mitglieder der NSDAP gewesen waren, konstatiert Schwan. Von Interesse ist das teilweise einfältige Buch, weil es indirekt ein Bild vom DDR-internen Kenntnisstand über das Spitzenpersonal der Bundesrepublik liefert.

Heribert Schwan: »Heuss weiß es und billigt es«. Die erstaunliche Geschichte der Bundespräsidenten und ihrer Ausspähung durch die DDR-Staatssicherheit. Heyne, München 2024, 368 Seiten, 25 Euro

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