Rechtsbruch kommt vor dem Putsch
Von Martin Weiser, Seoul![RY-SOUTHKOREA.JPG](/img/450/204005.jpg)
Als Südkoreas Parlament am 14. Dezember für die Amtsenthebung von Präsidenten Yoon Suk Yeol stimmte, lag dies an dessen gescheitertem Putschversuch elf Tage zuvor. Am Freitag beantragte die anklagende Demokratische Partei, den Aufstandsvorwurf aus dem Amtsenthebungsverfahren Yoons herauszunehmen. Ihre Begründung: Damit könne die Verfahrensdauer verkürzt werden, da sich das Verfassungsgericht nur auf Yoons Verletzungen von Verfassung und Gesetzen abseits des Strafrechts konzentrieren müsse. Dass für einen Putsch allerhand Recht mit Füßen getreten wird, sei offensichtlich, und strafrechtliche Fragen müsse sowieso ein anderes Gericht klären. Allein schon, dass keiner der in der Verfassung aufgeführten Gründe für die Ausrufung des Kriegszustands durch den Präsidenten gegeben war, mache den gescheiterten Putsch zum Verfassungsbruch. Grund genug also, Yoon seines Amtes zu entheben.
Doch die regierende konservative People Power Party (PPP) versucht nun, aus der Änderung Kapital zu schlagen. Der Parlamentsbeschluss für ein Amtsenthebungsverfahren sei nun hinfällig, und man solle eine neue Zweidrittelmehrheit im Parlament organisieren, forderte etwa Fraktionschef Kwon Seong Dong. Das Amt des Präsidenten stimmte fleißig zu. Kwon und seine Parteifreunde versuchen derzeit sogar, mit »Protestbesuchen« das Verfassungsgericht zu beeinflussen. Ironischerweise hatte Kwon vor acht Jahren selbst mehrere strafrechtliche Anklagepunkte wie Korruption im Verfahren gegen die Diktatorentochter und ehemalige Präsidentin Park Geun Hye zurückgezogen. Damals war er Vorsitzender des Justizausschusses des Parlaments, der bei Amtsenthebungsverfahren gegen den Präsidenten quasi als Staatsanwalt agiert. Darauf angesprochen, flüchtete sich Kwon in die Ausrede, man könne das doch nun wirklich nicht vergleichen. Park war im Vergleich zu den Anschuldigungen gegen Yoon für sehr viel weniger gravierende Vergehen aus dem Amt gejagt worden.
Der jetzige Vorsitzende des Rechtsausschusses, Jung Chung Rae von der Demokratischen Partei, musste sich bei der letzten Ausschusssitzung am Dienstag dann auch Gejammer der PPP anhören. Natürlich nicht ohne die gewöhnlichen Vorwürfe aus dem rechten Lager: Das ganze Verfahren sei ein abgekartetes Spiel. Auch der Verweis auf den Präzedenzfall 2016 half da nicht. Und so ließ sich Jung zu der schnippischen Bemerkung herab, es wirke geradezu so, als ob die PPP wolle, dass Yoon schnellstmöglich für den Putschversuch zu einer lebenslänglichen oder Todesstrafe verurteilt werde. Die Regierungspartei solle sich jedoch einfach ein wenig gedulden, denn ein anderes Gericht werde sich sicher des Putschversuchs annehmen und ein Todesurteil fällen. Nach dem Satz musste Jung die Sitzung erst einmal zwecks Gemütsberuhigung der PPP-Abgeordneten vertagen.
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