Mehr als drei Prozent
Von Philip TassevDie Forderung des designierten US-Präsidenten Donald Trump nach einer Steigerung des Militärbudgets der NATO-Staaten auf fünf Prozent ihrer jeweiligen nationalen Wirtschaftsleistung provoziert wenig überraschend Reaktionen aus der deutschen Politik. Die meisten bürgerlichen Parteien lehnen dabei eine Anhebung der Rüstungsausgaben nicht prinzipiell ab. Diskutiert wird nur die Frage: »Wie viel mehr?« Seit 2023 liegt die NATO-Vorgabe bei jährlich mindestens zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP). Die BRD gab der jüngsten NATO-Statistik zufolge im vergangenen Jahr 2,12 Prozent des BIP für Rüstung aus.
Grünen-Kanzlerkandidat und Wirtschaftsminister Robert Habeck hatte bereits vergangene Woche eine Erhöhung auf 3,5 Prozent ins Spiel gebracht. Am Mittwoch warf er SPD und CDU vor, die Armee in den Merkel-Jahren kaputtgespart zu haben. »Die Bundeswehr wurde unter der großen Koalition heruntergewirtschaftet, immer nach dem Motto, macht ja nichts«, sagte Habeck dem Stern. Die Mehrausgaben will er mit neuen Krediten decken. An die Union gerichtet, fügte er hinzu, die »Schuldenbremse« dürfe »nicht darüber entscheiden, wie sicher Deutschland ist«.
Der CDU-Vorsitzende Friedrich Merz findet: »Die zwei, die drei oder die fünf Prozent sind im Grunde irrelevant, entscheidend ist, dass wir das tun, was notwendig ist, um uns zu verteidigen«, wie er dem Radiosender Bayern 2 sagte. Außerdem müssten »wir« erst mal die zwei Prozent »als Untergrenze« erreichen. Das gelinge momentan nur, »weil dieses sogenannte Sondervermögen dazu herangezogen wird«.
In der CSU hält man Trumps fünf Prozent »in der Absolutheit so nicht für realistisch« und deswegen sei sie »auch nicht hundertprozentig ernst zu nehmen«. So formulierte es Landesgruppenchef Alexander Dobrindt gegenüber RTL/NTV. Aber »deutlich über drei Prozent« müssten es schon werden, sagte sein Parteichef, Bayerns Ministerpräsident Markus Söder. Wie das finanziert werden soll, lässt aber auch die CSU offen. In Habecks Forderung sieht Dobrindt jedenfalls »nur ein Vehikel dazu, die Schuldenbremse abzuschaffen«. Dies sei das »eigentliche Ziel« des Grünen-Politikers.
Auch in der FDP ist man nicht gegen eine Steigerung der Militärausgaben. Deutschland brauche eine starke Armee, sagte Marie-Agnes Strack-Zimmermann, die Vorsitzende des EU-Verteidigungsausschusses, dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. Zwei Prozent vom BIP reichten dafür »definitiv nicht mehr aus«. Das sieht auch ihr Parteikollege Marcus Faber, Vorsitzender des Verteidigungsausschusses im Bundestag, so. »Die 32 NATO-Staaten werden sich auf ein neues gemeinsames Minimum jenseits des Zwei-Prozent-Ziels einigen müssen.« Auf Trump bezogen, fügte er hinzu: »Das werden aber eher drei als fünf Prozent sein.«
Der nächste US-Präsident erhoffe sich von seiner Fünf-Prozent-Forderung wohl, »dass der erhöhte finanzielle Einsatz der europäischen Partner vor allem besonders der US-Industrie zugute kommt«, befürchtet Strack-Zimmermann. An der Frankfurter Börse scheint man diese Sorgen nicht zu teilen. Nach Trumps Pressekonferenz stieg der Kurs der Rheinmetall-Aktien am Mittwoch um 3,6 Prozent. Auch die Aktienkurse anderer europäischer Waffenschmieden legten zu.
Der Vorsitzende der Linkspartei, Jan van Aken, hält den aktuellen Militärhaushalt zwar für »vollkommen ausreichend für eine Landesverteidigung«. Indem er gegenüber dpa sagte, die Rüstungsausgaben müssten »am Bedarf und nicht am BIP gemessen werden«, argumentierte er dabei aber ähnlich wie der CDU-Chef.
Grundsätzlich kritisch zu Militärausgaben äußerte sich Sahra Wagenknecht. »Der Überbietungswettbewerb in Sachen Rüstungsausgaben ist krank«, sagte die BSW-Chefin der dpa. Die aktuellen Ausgaben seien »nicht zu wenig, sondern eher zu viel«. Dem Magazin Politico sagte Wagenknecht, Trumps Forderung sei »keine Überraschung«. Dessen Amtsantritt müsse »endgültig der Auslöser sein, die Vasallentreue zur USA zu beenden«. Deutschland benötige »Eigenständigkeit statt Unterwürfigkeit« und sollte sich statt dessen um »eine deutliche Verbesserung der deutsch-französischen Beziehungen« bemühen.
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Leserbrief von Patrick Büttner aus Leipzig (9. Januar 2025 um 12:50 Uhr)2019 gab es AfD-seitig bereits Äußerungen, die der von grün bis rot reichenden NATO- und Aufrüstungsquerfront in ihren Absichten vorgreift. Rüdiger Lucassen (AfD) erklärte damals hinsichtlich des Zwei-Prozent-Rüstungsziels der NATO: »Unsere Bundeswehr wieder aufzubauen, wird unendlich viel Kraft und Geld kosten. Zwei Prozent des BIP werden da kaum reichen. Leicht wird das nicht, aber wir werden es machen. Verlassen Sie sich darauf.« Baerbock (»Wir sind schließlich im Krieg gegen Rußland …«) ließ man sagen: »Wir müssen anerkennen, dass das Zwei-Prozent-Ziel der NATO in unserer heutigen Lage nicht mehr ausreichen wird.« Habocks, die dafür verantwortlich zeichnen, zeigen den Mechanimus: je mehr heutige Lage, desto mehr Rüstung.
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Leserbrief von Onlineabonnent/in Stephan K. aus Neumarkt i.d.OPf. (9. Januar 2025 um 12:46 Uhr)Üblicherweise gehen Militärs davon aus, dass für einen erfolgreichen Angriff eine Überlegenheit im Verhältnis 3:1 erforderlich ist. 2023 gaben (alle folgenden Zahlen: statista.com, 2023) Russland 109 Mio, China 296 Mio und GB 74,9 Mio, Deutschland 66,8 Mio, Ukraine 64,8 Mio, Frankreich 61,3 Mio Dollar (alle Rüstungsausgaben in US-Dollar) für Rüstung aus. Allein die Ausgaben Deutschlands würden – wenn sie nicht in Extraprofiten des militärisch-industriellen Komplexes und Korruption versickern – ausreichen, um eine hinreichende Verteidigungsfähigkeit gegenüber Russland zu gewährleisten. Sind wir dabei sehr großzügig und berücksichtigen wir die Ökonomie und die Bevölkerungszahlen, dann nehmen wir Frankreich hinzu. Ökonomie, Bevölkerungszahlen sind größer, als sie Russland hat. Ca. 152 Mio Menschen leben in Deutschland und Frankreich, Russland, knapp 144 Mio Menschen. Die derzeitigen Rüstungsausgaben könnten in ganz Europa (588 Mio Dollar) um dreiviertel gekürzt werden – und mit den dann verbleibenden Mitteln könnte eine hinreichende Verteidigungsfähigkeit hergestellt werden. Wenn hier sehr viel Rücksicht auf Ineffizienz, Korruption und Profitgeilheit des MIK genommen wird (der Sektor gehört kontrolliert und verstaatlicht), dann fangen wir mal mit der Halbierung der Rüstungsausgaben an. Eine sehr konservative, eine sehr bescheidene Forderung, deren Umsetzung große Mittel für zivile Zwecke freisetzen würde. Erstaunlicher Kollateralnutzen: Wir würden alle besser und in größerer Sicherheit leben können.
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Leserbrief von Ronald Prang aus Berlin (8. Januar 2025 um 23:51 Uhr)Jetzt auch noch das; muss ich das auch noch erleben? Als erstes Kind nach dem Zweiten Weltkrieg in eine Familie geboren zu werden, in der es nur (!) meinen Vater als männlichen Vorfahren gab, hatte der Frieden immer Priorität in meinem Denken und Handeln. Mein großes Maul für die Demokratie brachte mir in meiner Kindheit und Jugend Probleme ein, ich lebte in einem Land, in dem der Frieden an erster Stelle stand. Das Land, in dem ich lebte, gibt es nicht mehr, ich kann heute das Maul aufreißen für die Demokratie, ohne Konsequenzen, aber das können Demokratiefeinde scheinbar besser als ich. Wir Linken arbeiten uns heute an den Repräsentanten der Macht ab, ohne die Ursachen von Armut, Krieg und Unterdrückung beim Namen zu nennen. Wir bekamen 1990 neben der »deutschen Einheit« den Kapitalismus zurück. Wer redet heute noch vom demokratischen Sozialismus? Wenige, und das oft auch nur hinter vorgehaltener Hand. Die linke Kraft in Deutschland und der Welt zersplittert im Sektierertum und der Nationalismus steigt wie Phönix aus der Asche, es tut gut, dass es die jW gibt, die ich in meiner Jugend selten las. Sicher eine Unterlassungssünde, heute lese ich sie täglich, das Soliabo macht es möglich. Die Welt hat sich daran gewöhnt, die Begriffe Demokratie und Kapitalismus als Synonyme zu betrachten und Kapitalismus und Freiheit gleichzusetzen. Nur wie will man einem Menschen, der nach 1990 geboren wurde, beweisen, dass es in der DDR keine Obdachlosigkeit gab? Die Bilder, die man in der DDR machte, sind 35 Jahre alt, dass die Bausubstanz in Ost- und Westberlin identisch war, wer weiß das noch? Hunger, Armut, Obdachlosigkeit und Perspektivlosigkeit gab es in der DDR nicht, aber wer glaubt mir das, wenn er es nicht selbst bewusst erlebt hat? Und jetzt muss ich zum x-ten Mal akzeptieren, an einem Krieg beteiligt zu sein, wenn auch nur indirekt. Damit habe ich im Kalten Krieg schon Erfahrung gesammelt und den heißen verhindert, ich will ihn nicht erleben. Muß ich? Ich bin skeptisch.
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Leserbrief von ho wetzel aus guben (9. Januar 2025 um 12:18 Uhr)Vielleicht mal anders gesehen. Wir brauchen einen demokratischem Kapitalismis! Sonst werden wir bald wieder erkennen müssen: Auferstanden aus Ruinen.
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