Mickriger Verzicht
Von Gudrun Giese![imago759450157.jpg](/img/450/204016.jpg)
Mit mageren 300 Millionen Euro will sich das Management des Automobilbauers Volkswagen bis 2030 am gigantischen Sparprogramm des Konzerns beteiligen, erklärte das für Personal zuständige Vorstandsmitglied Gunnar Kilian in einem Interview mit der Braunschweiger Zeitung (Mittwochausgabe).
Zwar erklärte er, dass sich der Vorstand damit überproportional an den Einsparungen beteilige. Doch wie viele Manager in welchem Umfang weniger Einkünfte erhalten werden, ließ Kilian offen. Fest steht dagegen seit Ende Dezember der gewaltige Verzicht, der der VW-Belegschaft in den nächsten Jahren bevorsteht: Trotz anerkannter enormer Managementfehler bei der Produktionsumstellung auf Autos mit Elektroantrieb werden vor allem die Beschäftigten in den Werken auf viel Geld verzichten. 35.000 Arbeitsplätze sollen zudem abgebaut werden. 29.000 Stellen, das sind mehr als 80 Prozent, fallen in Niedersachsen weg, wo es allerdings auch die meisten Werke und Beschäftigten gibt: In Wolfsburg, Salzgitter, Braunschweig, Hannover, Emden und Osnabrück arbeiten insgesamt etwa 100.000 der noch bundesweit rund 130.000 Beschäftigten. Das gesamte Kostensenkungsprogramm inklusive des jüngsten Tarifabschlusses und einer Reduzierung der Produktion um mehr als 700.000 Fahrzeuge hat ein Volumen von über vier Milliarden Euro pro Jahr. Allein 1,5 Milliarden Euro davon entfallen laut dpa auf die Arbeitskosten.
Angesichts solcher Summen erscheint der Beitrag des Topmanagements in Höhe von 300 Millionen Euro bis 2030 doch mehr als mickrig. Konkret sollen nach Informationen der Süddeutschen Zeitung vom 22. Dezember 2024 rund 4.000 Manager 2025 und 2026 deutlich geringere Boni erhalten und dadurch insgesamt zehn Prozent ihres Jahreseinkommens einbüßen. In den drei Folgejahren reduziert sich die Minderung auf acht, sechs und fünf Prozent, bis das Sparprogramm insgesamt 2030 endet. Auch wenn die Leitungscrew sich auf diese Weise »überproportional«, wie Personalvorstand Kilian sagte, an den Kostensenkungen beteiligt, ist doch bei mehreren 100.000 Euro Jahresgehalt ein zeitlich befristetes Minus von zehn Prozent erheblich leichter zu verkraften als für einen Beschäftigten in der Produktion, der sein Einkommen üblicherweise zum größten Teil für das Bestreiten des Lebensunterhaltes benötigt.
Gleichwohl wurde das Ende Dezember von Belegschaft, Betriebsrat und IG Metall nach zwei Warnstreiks und insgesamt 70stündigen Verhandlungen erreichte Tarifergebnis als Erfolg gewertet angesichts der anfänglichen Vorstellungen des VW-Vorstandes, die Werksschließungen, massenhaften Stellenabbau und Lohnsenkungen vorsahen. Das alles sei abgewendet worden, hatte Thorsten Gröger erklärt, Verhandlungsführer auf Seiten der IG Metall. Die Kostensenkungen könnten nun für Zukunftsinvestitionen genutzt werden. Damit würde ein klares Signal gegen »die vielfach gängige Managementpraxis« gesetzt, »kurzfristige Renditen durch Entlassungen in Deutschland zu erkaufen«, so Gröger. Daniela Cavallo, die Gesamtbetriebsratsvorsitzende der Volkswagen AG, hatte nach Abschluss der Tarifverhandlungen hervorgehoben, dass bis 2030 alle Standorte bundesweit erhalten bleiben, kein Beschäftigter betriebsbedingt gekündigt und der Haustarif im Grundsatz fortgeführt würden. Im Gegenzug habe es tarifliche Zugeständnisse bei den eigentlich fälligen Entgelterhöhungen gegeben. An den beiden Warnstreiks im Spätherbst hatten sich etwa 100.000 VW-Beschäftigte beteiligt.
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