Privatisierungserfolg des Tages: Kalte Heizung
Von Nico PoppDie Einsicht, dass ein Dach über dem Kopf im Kapitalismus zuallererst ein Hebel für die Geldvermehrung des jeweiligen Eigentümers ist, war bis 1989 in der DDR lediglich Lehrbuchwissen, also etwas abstrakt. Jetzt steht derlei im befreiten Osten nicht mehr in den Lehrbüchern, wird dafür aber in der Praxis erlernt. Das ist solider.
Von der Wohnraumbewirtschaftung der DDR ist, abgesehen von den einst großzügig geförderten Genossenschaften, nichts geblieben. Unzählige Wohnungen aus kommunalen Beständen wurden in den Wendejahren – mal aus Dummheit, mal mit Kalkül – privatisiert. Mit dem schönen Resultat, dass in ostdeutschen Städten heute vielfach westdeutsche Zahnärzte, Rechtsanwälte oder Briefkastenfirmen als Vermieter auftreten.
Den Eigentümer von fünf in der DDR gebauten Wohnblöcken im kleinen Örtchen Hartmannsdorf in der Nähe von Eisenberg im Osten Thüringens kennt dort niemand. »Die Gebäude sind nach der Wende x-mal weiterverkauft worden«, sagt jemand von der Gemeindeverwaltung dem MDR, der am Dienstag abend berichtete, dass den Mietern dort soeben die Heizung abgestellt worden ist. Auf Konten, über die Wärme und Wasser bezahlt wurden, war demnach zuletzt kein Geld mehr. Auch Müllgebühren und Grundsteuer werden nicht mehr bezahlt. An den Mietern liegt es nicht – die haben immer pünktlich überwiesen. »Das sind nur Verbrecher, die Vermieter hier«, bilanziert eine Anwohnerin ihre Erfahrungen aus den letzten Jahrzehnten.
Was tun? »Möglichst schnell umziehen ist offenbar die beste Alternative« – der MDR ruft selbstverständlich nicht zu Kampfmaßnahmen auf. Auch die Gemeinde Hartmannsdorf ist beim Umzug behilflich. »Wir haben hier unser Rittergut«, atmet Bürgermeister André Böhme durch. Da zum Beispiel seien sechs Wohnungen frei. Das Gut wurde nach 1945 übrigens entschädigungslos enteignet. Aber das ist, vorläufig jedenfalls, schwieriger zu machen als ein Umzug.
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