Privat statt Plan
Von Dieter ReinischWie nahezu jeden Winter verschärft sich aufgrund einer Grippewelle auch in diesem Jahr die Krise im britischen Gesundheitssystem NHS. Besonders im Nordosten Englands geraten die Krankenhäuser angesichts der schieren Anzahl der Patienten an ihre Grenzen. Im Royal Hospital in Liverpool wurde daher gestern der Notstand ausgerufen. Laut mehreren Medienberichten hätten seit Jahresbeginn Patienten bis zu 50 Stunden auf eine Behandlung warten müssen. Auch der Krankenhausbetreiber NHS Foundation Trust griff daher zum allerletzten Mittel und erklärte am Dienstag den Notstand.
In einer Stellungnahme wurde dies mit der »außerordentlich hohen Nachfrage« nach Dienstleistungen erklärt, die zu einem »kritischen Zustand« geführt hätte. Beim NHS beschreibt man die Situation als »kritisch« angesichts eines unmittelbar drohenden Zusammenbruchs der medizinischen Versorgung. Um dies zu verhindern, wurden die Menschen in Liverpool aufgerufen, »die Notaufnahme nur in einem echten medizinischen Notfall aufzusuchen«, schrieb die BBC.
Das Krankenhaus ließ mitteilen, es sei »extrem ausgelastet« aufgrund einer steigenden Zahl von Patienten mit Grippe und anderen Atemwegserkrankungen. Eine ähnlich kritische Lage wird auch aus anderen Gegenden Englands gemeldet, aus den East Midlands, aus Birmingham, Devon, Cornwall, Northamptonshire und Hampshire.
Chefarzt Jim Gardner sagte in einem Interview mit der BBC, dass mehrere Patienten auf Liegen in den Gängen untergebracht worden seien, da es nicht ausreichend Zimmer für sie gegeben habe. Er schätzte, es werde »ein paar Tage dauern«, den Behandlungsrückstand aufzuholen. Dies sei aber nur dann möglich, wenn sich der Zustrom neuer Patienten in das Krankenhaus deutlich verringere. Aufgrund des Notstands habe das Krankenhaus ein Triagesystem eingeführt. Danach werden Patienten mit dem größten medizinischen Bedarf zuerst behandelt. Die Labour-Abgeordnete von Liverpool, Kim Johnson, forderte die Regierung auf, umgehend einen Plan zur Erhöhung des NHS-Budgets vorzulegen.
Keir Starmer hatte im Wahlkampf mehrmals versprochen, durch eine rasche und deutliche Erhöhung des Budgets die Gesundheitskrise in Großbritannien in den Griff zu bekommen. Danach sollten innerhalb der ersten Monate seiner Regierungszeit die langen Wartelisten mit Sonderbudgets signifikant verkürzt werden. Gekommen ist es dazu bisher nicht. Am Montag tweetete der Premier gleichwohl: »Meine Labour-Regierung kämpft für Veränderungen. Ich habe versprochen, dass unsere unmittelbare Priorität darin bestehen würde, Wartelisten abzubauen. Wir halten dieses Versprechen.«
Die Zahlen widersprechen Starmer: Bei Amtsantritt im Juli standen in England 7,62 Millionen Menschen auf den NHS-Wartelisten. Nach einem leichten Anstieg über den Sommer begannen sie ab September etwas zu sinken. Laut den letzten Zahlen, die NHS England im November veröffentlichte, warteten immer noch 7,54 Millionen Patienten auf Behandlungen. Dies bedeutet eine Verringerung der Wartelisten von gerade einmal einem Prozent seit dem Regierungsantritt von Labour.
Beobachter argumentieren, dass es sich bei diesem Rückgang um eine natürliche Schwankung und nicht um eine Folge staatlicher Maßnahmen handele. Die derzeitige Überlastung der englischen Krankenhäuser infolge einer Grippewelle, die einen neuerlichen sprunghaften Anstieg der Wartelisten zur Folge hat, dürfte den Kritikern recht geben.
Am Montag hatte Starmer seine Pläne für das NHS vorgestellt. Zentraler Bestandteil seiner Reform ist der Ausbau der privaten Gesundheitsvorsorge. Um den Behandlungsstau zu beseitigen, werden private Krankenhäuser den NHS-Patienten in England jährlich bis zu eine Million zusätzliche Termine, Scans und Operationen anbieten, erklärte Starmer.
Statt die staatliche Gesundheitsversorgung zu verbessern, setzt Labour also auf private Gesundheitsfirmen, denen vermehrt Steuergeld zufließen soll. Doch auch wenn dieser Plan erfolgreich ist, würde es fast acht Jahre dauern, die NHS-Wartelisten abzubauen – länger als die Legislaturperiode der aktuellen Regierung.
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