Die Zukunft der Mehrarbeit
Von Niki Uhlmann![imago388655516.jpg](/img/450/204020.jpg)
Unter dem Titel »Weltwirtschaftsforum« wird vom 20. bis 24. Januar im noblen Schweizer Kurort Davos das jährliche Stelldichein von Vertretern von Monopolkapital und Kartellpolitik stattfinden. Deren Mission, die seit 1973 »Stakeholder-Kapitalismus« lautet, erfordert Dialog, und zwar »als private Konversation«. So steht es zumindest auf der Website. Vorherige Treffen hätten zu »Geschäftspartnerschaften« und »politischen Durchbrüchen« geführt. Die herrschende Klasse klüngelt – wie immer. Zur Vorbereitung befragt das Forum die Führer zuweilen und veröffentlicht einen Bericht über die Zukunft der Arbeit. Am Dienstag erschien eine Arbeitsmarktprognose für den Zeitraum bis 2030.
Bis dahin würden 170 Millionen neue Jobs geschaffen, 92 Millionen fielen weg. Ob man darüber lachen oder weinen soll, ist unklar. Einerseits verspricht diese Prognose einigen Insassen des globalen Kapitalismus, vom Verkauf ihrer Arbeitskraft künftig noch leben zu können. Andererseits wächst das Joch der Profitmaximiererei und wird dadurch nicht schöner. Eine aufgrund von Produktivitätszuwächsen längst mögliche Verringerung der Arbeitszeit ist jedenfalls nicht in Aussicht. Darum erklärt der Bericht anhand makroökonomischer Trends auch, wer sich bald nach einem neuen Beruf umschauen muss und wie die Erfolgschancen dabei erhöht werden können.
Die drei am schnellsten wachsenden Berufsgruppen seien die Landarbeiter, die Lieferdienstler und die Softwareentwickler. Die größten Entlassungswellen würden die Kassierer und Fahrkartenverkäufer, die Verwaltungsassistenten sowie Reinigungskräfte und Haushaltshilfen treffen. In Davos plant man offenbar, einige Drecksjobs durch andere zu ersetzen. 39 Prozent aller »Schlüsselfertigkeiten« würden bis 2030 ausgewechselt. Zentrale Triebkraft seien Digitalisierung und Entwicklung künstlicher Intelligenz (KI). So wachse vor allem der Bedarf an technologischem Know-how. Entsprechende Berufe werden aber voraussichtlich nicht von ehemaligen Kassierern oder Reinigungskräften besetzt. Wichtiger würden zudem »Kreativität«, »Resilienz«, »Flexibilität« und »Agilität«. Die dürften aber ohnehin schon in jeder zweiten Bewerbung stehen. Immerhin gaben viele Kapitalisten an, mehr für »Umschulung und Weiterbildung« auszugeben.
Weitere »transformative« Trends seien »steigende Lebenshaltungskosten« bei schwacher Konjunktur und die »Eindämmung des Klimawandels«. Erstere bremse viele Konzerne aus, letztere kreiere gänzlich neue Jobs, etwa den des »Umweltingenieurs«. Auch gegenläufige, ortsabhängige Trends wurden analysiert. Während es im imperialen Zentrum durch die alternde Bevölkerung mehr Pflegekräfte braucht, verlange eine wachsende Bevölkerung außerhalb mehr Bildungspersonal. Ein Drittel aller Befragten geht davon aus, dass die wachsenden geopolitischen Spannungen zwischen den USA und China eine Anpassung ihrer Geschäftsmodelle notwendig machen werde. Die Konklusion war bereits bekannt: »Die Zukunft der Arbeit kann für bessere Ergebnisse gestaltet werden.« Reiche werden reicher – wie immer.
Jene, die in Davos zu kurz zu kommen glauben, können vielleicht im März auf dem asiatischen Wirtschaftsforum im chinesischen Boao Fuß fassen. Das hat zwar weniger Tradition, aber durchaus mehr Ausblick auf Wachstum. Zhang Jun, Generalsekretär des Forums, stellte am Mittwoch in einem Referat die Themen für 2025 vor. Erstens müsse durch den »Dialog der Zivilisationen« eine »offene Weltwirtschaft« gefördert werden, zweitens eine »inklusive Globalisierung« entlang der Lieferketten. Drittens sollen »globale Herausforderungen« wie der Klimawandel effektiver bewältigt und viertes Regieren und Innovation mittels KI optimiert werden. »Konkrete Ergebnisse« seien auch dort das Ziel. Die multipolare Weltordnung beschert ein zweites Davos. Darüber lachen oder weinen?
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