Aus Leserbriefen an die Redaktion
Griff nach der Notbremse
Zu jW vom 23.12.: »BSW-Kurzwahlprogramm vorgestellt«
Wen werden Menschen wählen können, denen am Überleben der Menschheit gelegen ist und damit sowohl am Frieden als auch an ernsthafter Ökologie? Dass die chancenlose Restlinke den Frieden allenfalls noch »generell« will, dafür just eine ihrer »Silberlocken«, Ramelow, sogar die Wehrpflicht erwog, sprach ebenso wie drei große Friedensdemonstrationen (2023, 2024) für das BSW – was auch krude Positionen der Protagonistin Wagenknecht (zur Seuchenprophylaxe oder zur internationalen Humanität) ein klein wenig aufgewogen haben mag. Das Heizungsgesetz und das Verbrenner-Aus kassieren zu wollen, riecht stark nach Porsche-Fahrer Klaus Ernst, der bereits als Noch-»Linker« im Klimaausschuss vom Bock zum Gärtner gemacht wurde. (Fachkräftemangel wie bei den übrigen Parteien?) Ökologie ist kein Nice-to-have, sondern eine Überlebensfrage. E-Pkw mögen weniger bringen als E-Züge und E-Busse. Doch selbst Ölexporteur Norwegen fördert sie schon beherzt!
Vorab scheinbar chancenlose Parteien unter den Sonstigen wählen und weiter vier oder acht Jahre verlieren? Ich verstand schon bei der Wahl zum Europäischen Parlament nicht, wieso bei »nur« natürlicher Hürde von einem Sitz weder die Klimaliste noch die Letzte Generation einen Sitz erwarben – nachdem sich die Grünen als Ökologiepartei nicht nur wegen CDU-Geschmuse, sondern wegen Ausklammerung des Militärischen aus der Ökobilanz ins Gegenteil ihrer Anfänge vor 40 Jahren gewendet hatten.
Nur noch Untergang? Mit der schwachen Hoffnung, dass Nichtregierungsorganisationen wenigstens weiter unverdrossen die wirklich entscheidenden Themen setzen? Dass in den durchweg gegen Frieden und Ökologie gerichteten Parteien in den Farben Kenias sehr vereinzelte Abgeordnete weiterhin öffentliche Debatten über nachhaltiges Überleben befördern können? Das wirkt, wenn überhaupt, sehr langfristig – bis es selbst nur für ein spürbares Abbremsen vor dem Abgrund zu spät ist. Das macht große Angst und ist sehr traurig.
Bernhard May, Wuppertal
»Mantel des Schweigens«
Zu jW vom 24.12.: »Aufarbeitung Fehlanzeige«
Diese Artikelserie ist – das kann man jetzt schon sagen – außerordentlich berührend. Sie hebt einen genügend großen Teil des Teppichs hoch, unter den die Wahrheit über die finsteren Seiten der deutschen Geschichte heute immer wieder gekehrt wird. Es tut gut, sich des riesigen Müllhaufens bewusst zu sein, der dort schlummert. Auch um besser verstehen zu können, dass der heutige Reichtum Deutschlands durchaus nicht nur dem Fleiß seiner Einwohner geschuldet ist. Blut, Schweiß und Tränen anderer Völker haben sich nicht nur im 18. und 19. Jahrhundert auf dem Wege nach Norden in den Wohlstand der westlichen Welt verwandelt. Sie tun das auch heute noch in einem Maße, dessen man sich nur schämen kann. Was Wunder, dass die offizielle Politik und ihre Geschichtsschreibung darüber gern den Mantel des Schweigens decken. Von ihnen wird man nichts Entsprechendes erfahren. Wie gut, dass es euch gibt!
Joachim Seider, Berlin
Verleugnete Opfer
Zu jW vom 3.12.: »›Erinnerungspolitisch gibt es noch viel zu tun‹«
Beim Martinsclub Bremen tätig, der sich engagiert um Namen und Gesichter der Stolpersteine kümmert, wurde auch in Bremen-Nord ein Besuch bei drei verleugneten Opfern des Nazifaschismus durchgeführt. Zehn beeinträchtigte Menschen nahmen daran teil, ein leitender Mitarbeiter des Martinshofes OHZ war auch dabei.
Diedrich Gereke war Epileptiker. Aufgrund seiner Erkrankung verlor er immer wieder seine Arbeitsstelle. Im Zuge der Aktion »Arbeitsscheu Reich« wurde er 1938 verhaftet und in das KZ Sachsenhausen eingeliefert. Dort wurde er kurz vor Heiligabend 1938 ermordet.
Dr. phil. Martin Meiners unterrichtete an Gymnasien Französisch, Englisch, Deutsch und Latein. Über 30 Jahre hatte er ein »Hirnleiden«, dies führte zur vorzeitigen Pensionierung und Entmündigung. Der Philologe war in verschiedensten Nervenkliniken, Naziärzte verlegten ihn in die Tötungsanstalt Hadamar, wo ihn die Naziverbrecher verhungern ließen.
Bei der kirchlich engagierten Gruppenleiterin Gesine Vielstich entwickelte sich nach der OP vermutlich als Folge der Narkose eine »Psychose«. In die Heil- und Pflegeanstalt Lüneburg eingeliefert, wollte Gesine immer wieder endlich nach Hause. Dieses so menschliche Ansinnen wurde immer abgelehnt. Die Faschisten nannten es »Geheime Reichssache«, ermordet wurde Gesine Vielstich am 25. Juli 1941.
Ist KPD-Mann Karl Wastl nicht auch ein verleugnetes Opfer des Nazifaschismus? Sieben Jahre inhaftiert in den Konzentrationslagern Sachsenhausen und Mauthausen, rettete er Rotarmisten vor dem Verhungern, indem er mit anderen zusammen Brotkrumen mit Rotarmisten teilte. Bis kurz vor seinem Tod 1963 wartete er auf Entschädigung, die ihm nach 18 Jahren endlich bewilligt wurde.
Gerd-Rolf Rosenberger, Bremen
Blut, Schweiß und Tränen anderer Völker haben sich nicht nur im 18. und 19. Jahrhundert auf dem Wege nach Norden in den Wohlstand der westlichen Welt verwandelt. Sie tun das auch heute noch
Solidarität jetzt!
Das Verwaltungsgericht Berlin hat entschieden und die Klage des Verlags 8. Mai abgewiesen. Die Bundesregierung darf die Tageszeitung junge Welt in ihren jährlichen Verfassungsschutzberichten erwähnen und beobachten. Nun muss eine höhere Instanz entscheiden.
In unseren Augen ist das Urteil eine Einschränkung der Meinungs- und Pressefreiheit in der Bundesrepublik. Aber auch umgekehrt wird Bürgerinnen und Bürgern erschwert, sich aus verschiedenen Quellen frei zu informieren.
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