Rosa-Luxemburg-Konferenz am 11.01.2025
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Aus: Ausgabe vom 09.01.2025, Seite 15 / Betrieb & Gewerkschaft
Rechtsstreit an der FU Berlin

Abmahnung nach Demoaufruf

Arbeitsgericht gibt Freier Universität Berlin recht: Zusammenhang zwischen prekären Beschäftigungsverhältnissen und »Rechtsruck« sei Schmähkritik
Von Susanne Knütter
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Gegenstand des Aufrufs: Großdemonstration gegen Rassismus und die europäische Asylpolitik (Berlin, 3.2.24)

Die Verdi-Betriebsgruppe der Freien Universität (FU) in Berlin veröffentlicht einen Demonstrationsaufruf gegen die Kürzungs- und Abschiebepolitik der Ampel und gegen die AfD. Sie stellt darin einen Bezug zwischen prekären Arbeitsverhältnissen und rechtem Gedankengut her und kritisiert in dem Zusammenhang auch die Universität für die Nichteinhaltung von Tarifverträgen und Outsourcing. Im Anschluss hagelt es Abmahnungen gegen die Verfasser. Die betroffenen Kollegen nehmen das nicht hin und klagen. Am Montag teilte das Arbeitsgericht Berlin ein erstes Urteil mit, das bereits am 5. Dezember ergangen war. Die Abmahnung gegen das Vorstandsmitglied der Verdi-Betriebsgruppe, das gleichzeitig freigestellter Personalrat ist, sei rechtens.

Das Gericht folgte der Begründung der Universität, wonach der Beschäftigte mit einer »eherverletzenden Kritik« seine »Treue- und Loyalitätspflicht« gegenüber dem »Arbeitgeber« verletzt habe. Die im Aufruf enthaltene Meinungsäußerung hätte die Grenze polemischer und überspitzter Kritik überschritten. Von Schmähkritik ist die Rede. Für die erhobenen Vorwürfe würden Anhaltspunkte in der Realität fehlen. Die Fremdvergabe von Reinigungsarbeiten etwa, mit denen die höhere Zahlung nach Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst der Länder (TVL) umgangen wird, sei in diesem Tätigkeitsfeld üblich, so das Gericht.

Was war geschehen? Am 30. Januar 2024 veröffentlichte die Betriebsgruppe auf ihrer Internetseite einen Aufruf, sich an einer der zahlreichen Demonstrationen, die im Winter gegen die AfD stattfanden, zu beteiligen. Im Gegensatz zum Gros der damaligen Organisatoren machten die Gewerkschafter anhand der verschärften Asylpolitik deutlich: »Die aktuelle Ampelregierung setzt bereits praktisch die Politik um, die von der AfD gefordert wird.« Gleichzeitig kürze die Bundesregierung »bei allen Sozialausgaben und in der öffentlichen Daseinsvorsorge, aber hat Milliarden für die Rüstung übrig. Rechtes Gedankengut wächst am besten in einem solchen Klima der Prekarität.« Als Interessenvertretung der FU-Beschäftigten schlug die Betriebsgruppe den Bogen zur Universitätsleitung und warf dieser vor, selbst zu dieser Prekarität und letztlich zum »Rechtsruck« beizutragen.

Das Präsidium wies die Vorwürfe in einer öffentlichen Gegendarstellung fünf Tage später als Falschaussage zurück und betonte, »intensiv« an der »Verbesserung von Arbeitssicherheit und -schutz, den Bedingungen der Beschäftigten an der FU Berlin und der Umsetzung berechtigter Forderungen der Personalräte« zu arbeiten. Die FU-Leitung erklärte Äußerungen der Beschäftigten und Gewerkschafter als nicht mehr von der freien Meinungsäußerung gedeckt und nahm sie zum Anlass für die Abmahnungen.

Für die Gewerkschafter aber war der Aufruf mehr als nur eine Meinungsäußerung, sie argumentierten auf der Grundlage von Tatsachen. Die Tarifverstöße seitens der Universitätsleitung sind dokumentiert. Und das Präsidium hatte sie in der Vergangenheit selbst eingeräumt – etwa im Fall nicht gezahlter Zulagen. Nachzahlungen ließen dennoch auf sich warten, so dass Beschäftigte der Veterinärmedizin und Techniker nach 14 Monaten mit Streik drohten, um die Zahlungen durchzusetzen. Und ausgestanden ist das Problem ausgebliebener und ausbleibender Zulagen, etwa für Rufbereitschaft und Überstunden, offenbar weiterhin nicht. Verstöße wiederum gegen das Mitbestimmungsrecht des Personalrates bei der Dienstplangestaltung sind bereits gerichtlich bestätigt worden. Die Schlechterstellung von meist migrantischen Kollegen, die im Auftrag von Fremdfirmen die Reinigung übernehmen, belegt ein Blick in die Haushaltsaufstellung.

Die Vorwürfe sind also wahr und die Verstöße keine Einzelfälle. Und daraus folgt Verdruss, wie die Betriebsgruppe in ihrem Aufruf schlussfolgert. Das führe nicht zwingend zu mehr gewerkschaftlicher Organisierung, sondern könne statt dessen ein Gefühl der Ohnmacht befördern und das Interesse an Gewerkschaften und Tarifverträgen senken, wie die Rechtsanwälte Benedikt Hopmann und Reinhold Niemerg in einem Gutachten, das jW vorliegt, einschätzen. Das wiederum schwächt die Gewerkschaften, was nicht zuletzt im Interesse der AfD ist. Diese Bezugnahme diene aus Sicht der Anwälte der Konkretisierung der Sache und sei für eine Betriebsgruppe der FU, die die Beschäftigten erreichen will, vollkommen legitim.

Solidarität jetzt!

Das Verwaltungsgericht Berlin hat entschieden und die Klage des Verlags 8. Mai abgewiesen. Die Bundesregierung darf die Tageszeitung junge Welt in ihren jährlichen Verfassungsschutzberichten erwähnen und beobachten. Nun muss eine höhere Instanz entscheiden.

In unseren Augen ist das Urteil eine Einschränkung der Meinungs- und Pressefreiheit in der Bundesrepublik. Aber auch umgekehrt wird Bürgerinnen und Bürgern erschwert, sich aus verschiedenen Quellen frei zu informieren.

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