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Aus: Ausgabe vom 09.01.2025, Seite 15 / Betrieb & Gewerkschaft
Polizeigewalt bei 1.-Mai-Demo

Aufklärung verschleppt

Basel: Gewerkschaftsanwalt wirft Polizei geplante Eskalation bei 1.-Mai-Demo 2023 vor
Von Kim Nowak
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Übergriffe der Staatsmacht am 1. Mai 2023 auch in Zürich

War die gewalttätige Auflösung der Demonstration am Tag der Arbeit in Basel in der Schweiz von 2023 geplant? Zu dieser Vermutung kommt der Vertrauensanwalt Guido Ehrler der Gewerkschaft Unia. Er vertritt in dieser Sache etwa 60 Demonstrierende, die sich gegen das brutale Verhalten der Polizei wehren. Bereits am 11. Mai 2023 reichte Ehrler Beschwerde ein, um etwaiges Beweismaterial und Akteneinsicht zu bekommen. Doch die Basler Polizei scheint darin keine Dringlichkeit zu sehen: Bis heute gab es keine Antwort. Die Begründung: »Sie hätten angeblich das ganze Beweismaterial noch nicht beisammen – nach über 20 Monaten«, so Ehrler gegenüber der Gewerkschaftszeitung Work am Freitag.

Was war damals geschehen? Am 1. Mai 2023 versammelten sich etwa 2.000 Demonstranten am Basler Bahnhof, unter denen sich neben Gewerkschaftern und Linken auch Familien mit ihren Kindern befanden. Neben den Forderungen nach besseren Arbeitsbedingungen, sowohl für Einheimische als auch für sogenannte Gastarbeiter aus der Türkei, klangen auch Forderungen nach besserem Zugang zum Arbeitsmarkt für Behinderte und transgeschlechtliche Menschen durch, wie Work unter Berufung auf einen Demonstranten am 2. Mai 2023 berichtete.

Bereits zu Beginn wartete die Basler Polizei mit einem großen Aufgebot auf. Der Demonstrationszug, an dessen Spitze autonome Gruppen liefen, wurde bereits nach 200 Metern von den Polizisten gestürmt. Die Autonomen, unter ihnen auch Minderjährige, wurden gekesselt, den Gewerkschaftern und Familien wurde das Weiterlaufen untersagt. Ein Versuch seitens Unia, die Wogen zu glätten, wurde mit Gewalt beantwortet: Ohne zu zögern sprühten die Polizisten Tränen- und Reizgas in die Menge.

Diese brutale Polizeigewalt in Basel wurde bis heute nicht aufgeklärt. Mittlerweile steht die Vermutung im Raum, dass die Eskalation von vornherein geplant gewesen sein könnte. »So wie dieser Kessel entstanden ist, brauchte es vermutlich eine wochenlange Vorplanung der Polizei«, betonte Ehlers am Freitag. An eine spontane Aktion sei nicht zu denken. Neben der Aufklärung zum Einsatz von Tränen- und Reizgas soll die Basler Polizei darlegen, weshalb den gekesselten Autonomen acht Stunden lang der Zugang zu Essen und Toiletten verweigert worden war.

Eine gewerkschafts- und linkenfeindliche Stimmung sei in Basel immer deutlicher erkennbar. So beschreibt es der »Graue Block«, eine Vereinigung von älteren Linken aus Basel, gegenüber Work. Ein Sprecher des »Grauen Blocks« zieht dabei Parallelen zu einer antifaschistischen Demonstration am 24. November 2018. Damals griff die Polizei die Demonstrierenden mit Gummischrot an: »Sie hatte es auf junge, unerfahrene Demonstrierende« abgesehen. Nur eine Intervention der Altlinken mit etwa 60 Personen verhinderte wohl Schlimmeres.

Die Kritik richtet sich jedoch nicht nur an die Basler Polizei, sondern auch an die Staatsanwaltschaft und die Gerichte. Dass nach 20 Monaten keine Bewegung ins Spiel kommt, könnte für die Vermutung Ehlers sprechen. Denn auch in der Schweiz wird der Konflikt zwischen Linken und Gewerkschaften und dem Kapital immer deutlicher. Dass der Staat verschärft gegen Widerstand vorgeht, ist nicht überraschend. Aber es ist eine deutliche Grenzverschiebung erkennbar. Neben der Weigerung, Polizeigewalt in Basel aufzuklären, wird die Polizei vorgeschickt, um friedliche Demonstrierende als »lästige Aktivisten« zu bezeichnen. »Diese Angriffe gehen längst nicht mehr nur gegen linke, autonome Gruppen, sondern auch gegen die Gewerkschaften«, schlussfolgert ein Aktivist vom »Grauen Block« gegenüber Work.

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