Verhinderter des Tages: Ulf Oliver Poschardt
Von Felix BartelsUlf Poschardts Episteln haben die seltsame Eigenschaft, zugleich sehr dumm und sehr wahr zu sein. Die Wahrheit ist zwar bloß eine über Ulf, aber er sagt sie mit einer Ehrlichkeit, dass nichts offenbleibt. Wer ihn einkauft, sollte das wissen, denn er hat am Ende tatsächlich Ulf im Beutel.
Der Verlag zu Klampen hat noch rechtzeitig storniert. Springer-Herausgeber Poschardt hörte es nicht gern. Abgemacht war ein Buch: »Shitbürgertum«, doch man einigte sich, den Quatsch zu lassen. Im Lauf der Zusammenarbeit, teilt der Verlag mit, habe sich für die Herausgeberin immer deutlicher abgezeichnet, dass die »Darstellung des Autors, mit dessen Analysen sie grundsätzlich übereinstimmte, … zu sehr in Richtung Polemik« tendiert. Seltsam insofern, als sich die Frage stellt, was überhaupt bleibt, wenn man von Poschardt die Provokation abzieht. »Shitbürgertum« war Fleisch von seinem, es sollte die »Analyse eines sozialen Typus« besorgen, in dem »sich Arroganz und Untertanengeist, Selbstbehauptung und Opportunismus auf unheilvolle Weise vermischen«. Können sich diese vier Eigenschaften eigentlich auch auf heilvolle Weise vermischen? Arroganz, Untertanengeist, Selbstbehauptung, Opportunismus – Ulf, bist du es?
Nein, das ist kein schlechter Witz. Schlecht schon, bloß kein Witz. In der Tat nämlich liegt Poschardts Masche darin, knechtisches Bewusstsein in rebellischer Pose zu verhüllen, sein Opportunismus in denial benötigt die Geste der Provokation. Was Poschardt sagt, muss nicht stimmen, es muss wirken. Was er meint, muss keinen Sinn haben, es muss gemeint sein. Jeder trägt einen Mythos über sich spazieren, der das eigene Trachten untermauert. Und gerade demjenigen, der sich schwer tut, sein Trachten gedanklich zu sublimieren, hilft es, wenn er das, was er vertritt, wenigstens verkörpert.
Solidarität jetzt!
Das Verwaltungsgericht Berlin hat entschieden und die Klage des Verlags 8. Mai abgewiesen. Die Bundesregierung darf die Tageszeitung junge Welt in ihren jährlichen Verfassungsschutzberichten erwähnen und beobachten. Nun muss eine höhere Instanz entscheiden.
In unseren Augen ist das Urteil eine Einschränkung der Meinungs- und Pressefreiheit in der Bundesrepublik. Aber auch umgekehrt wird Bürgerinnen und Bürgern erschwert, sich aus verschiedenen Quellen frei zu informieren.
Genau das aber ist unser Ziel: Aufklärung mit gut gemachtem Journalismus. Sie können das unterstützen. Darum: junge Welt abonnieren für die Pressefreiheit!