Gegründet 1947 Mittwoch, 15. Januar 2025, Nr. 12
Die junge Welt wird von 3005 GenossInnen herausgegeben
Aus: Ausgabe vom 14.01.2025, Seite 6 / Ausland
Transnistrien

Frieren im Dunkeln

Transnistrien: Strommangel und kalte Heizungen, seit Kiew Durchleitung russischen Gases gestoppt hat
Von Reinhard Lauterbach
Separatistenregion_T_84580399.jpg
Lenin-Statue in der transnistrischen Hauptstadt Tiraspol (25.6.2014)

In der international nicht anerkannten »Pridnestrowischen Moldauischen Republik« – bekannter als Transnistrien – herrscht seit Jahresbeginn Energieknappheit. Ein Großteil der Industriebetriebe hat die Produktion eingestellt, Hochhaussiedlungen sind ohne Fernheizung, und Strom wird vorübergehend abgestellt – am Montag zum Beispiel fünf Stunden lang. Der Schulunterricht ist praktisch eingestellt. Die Leute sind darauf angewiesen, sich beim Heizen mit dem zu behelfen, was sie bei der Hand haben. Das Sammeln von Fallholz wurde teilweise erlaubt. Alleinlebende Rentner sollen einen Festmeter auf Staatskosten bekommen.

Um das zu erreichen, muss freilich improvisiert werden. So schaffen es die Beschäftigten der Verwaltung etwa im Landkreis Grigoriopol, die jetzt zum Holzhacken eingeteilt sind, nach Angaben der lokalen Agentur Nowosti PMR nur, zehn Anfragen pro Tag zu bearbeiten. Als bedürftig hätten sich aber 300 Haushalte gemeldet. Im übrigen verteilt die Regierung gute Ratschläge: Die Leute sollten sich alle in einem Raum versammeln, nirgends unnötig Licht brennen lassen und Türen und Fenster abkleben. Die Folgen solchen Notsparens bleiben nicht aus: Seit Jahresbeginn gab es in Transnistrien 86 Brände in behelfsmäßigen Feuerstellen, und 18 Menschen erlitten Rauchvergiftungen, davon drei tödliche.

Auslöser der Energiekrise ist der Stopp des Transits von russischem Gas durch die Ukraine. Moldau und insbesondere Transnistrien waren überwiegend bis völlig von diesen Lieferungen abhängig. Für Transnistrien waren sie außerdem die wesentliche Quelle für den Unterhalt des Staatswesens. Denn auf transnistrischem Territorium liegt das größte Kraftwerk der ehemals einheitlichen Moldauischen Sowjetrepublik. Es lieferte seit Jahrzehnten zwischen 80 und 90 Prozent des Stroms auch für den Rest des Landes. Das ist jetzt vorbei. Geschätzt wird, dass die Gasvorräte in Transnistrien noch bis etwa Ende dieses Monats reichen werden. Inzwischen hat das Kraftwerk begonnen, Kohlevorräte zu verheizen. Aber auch diese reichen nach Einschätzung örtlicher Fachleute bis maximal Ende Februar.

Moldau ist von dem russischen Lieferstopp auch betroffen, aber in geringerem Umfang. Denn dank der direkten Landgrenze zu Rumänien kann es Strom von dort importieren. Freilich bei begrenzten Leitungskapazitäten nicht in Höhe des gesamten Bedarfs und zu weit höheren Kosten. Überdies verläuft die größte Fernleitung nach Rumänien im Bereich der Donaumündung über ukrainisches Gebiet. Sollte es Russland einfallen, diese Leitung zu beschädigen, stünde dieser Lieferweg in Frage.

Eine Lösung für den Konflikt ist nicht in Sicht. Die EU hat Moldau zwar zugesagt, bis Ende März rumänischen Strom mit bis zu maximal 50 Euro pro Haushalt zu subventionieren. Aber wie es dann weitergeht, ist offen. Das Angebot des ukrainischen Präsidenten Wolodimir Selenskij in der vergangenen Woche, Moldau notfalls mit Kohle auszuhelfen, ist eine rein politische Geste ohne praktische Bedeutung. Denn die Ukraine leidet wegen des Kriegs im Donbass selbst an Kohlemangel. Theoretisch könnten zwar ukrainische Kohlekraftwerke, die derzeit durch russische Angriffe zerstört sind – das sind 80 Prozent –, die Kohle, die sie selbst nicht verheizen können, an Moldau abgeben. Aber auch solche Lieferungen müssten de facto an Transnistrien gehen, weil eben das wichtigste Kraftwerk Moldaus dort steht.

Es ist einstweilen zu früh, um einzuschätzen, ob die Strom- und Wärmekrise in Transnistrien zu politischen Verschiebungen führt. Denkbar wäre, dass sich die politischen Loyalitäten der Transnistrier in Richtung auf eine Wiedervereinigung mit Moldau verschieben. Vielleicht könnte auch eine Migrationsbewegung aus Transnistrien nach Moldau oder eher gleich weiter in die EU einsetzen. Viele Transnistrier haben auch jetzt schon moldauische Ausweise und könnten damit visafrei in die EU einreisen. Ob tatsächlich »Russland Transnistrien fallengelassen hat«, wie vor einigen Tagen die polnische Tageszeitung Rzeczpospolita titelte, muss man sehen. Wenn ja, dann hatte es faktisch keine andere Wahl.

Solidarität jetzt!

Das Verwaltungsgericht Berlin hat entschieden und die Klage des Verlags 8. Mai abgewiesen. Die Bundesregierung darf die Tageszeitung junge Welt in ihren jährlichen Verfassungsschutzberichten erwähnen und beobachten. Nun muss eine höhere Instanz entscheiden.

In unseren Augen ist das Urteil eine Einschränkung der Meinungs- und Pressefreiheit in der Bundesrepublik. Aber auch umgekehrt wird Bürgerinnen und Bürgern erschwert, sich aus verschiedenen Quellen frei zu informieren.

Genau das aber ist unser Ziel: Aufklärung mit gut gemachtem Journalismus. Sie können das unterstützen. Darum: junge Welt abonnieren für die Pressefreiheit!

Dieser Artikel gehört zu folgenden Dossiers:

Ähnliche:

  • Protest in der Hauptstadt Transnistriens gegen die von Moldau ei...
    29.02.2024

    Plenum gegen Blockade

    International nicht anerkannte Republik Transnistrien bittet Moskau um Schutz. Beklagt wird wachsender Druck aus Moldau
  • Viktor Orban (l.) und Wladimir Putin am Dienstag in Moskau
    21.09.2018

    Ziemlich beste Freunde

    Ungarns Regierungschef Viktor Orban und Russlands Präsident Wladimir Putin geben sich als Verbündete. Es ist eine taktische Allianz

Mehr aus: Ausland

Alle redaktionellen Beiträge zur RLK25 sind nun hier verfügbar