Nächster Wackelkandidat Jerewan
Von Mawuena MartensWird Armenien das nächste Georgien, die nächste Ukraine? Ein Land des russischen Orbits also, das aufgrund seiner Distanzierung vom großen Nachbarn und einer Westbindung ins Chaos stürzt – vielleicht müsste man auch trefflicher sagen, gestürzt wird? Eine Meldung aus der vergangenen Woche ließ zumindest aufhorchen: Am Donnerstag hat die Regierung von Premier Nikol Paschinjan einen Gesetzesvorschlag für einen EU-Beitrittsprozess ins Parlament der Kaukasusrepublik eingebracht. Warum ist das brisant? Auch der Ukraine-Krieg war 2014 im Zusammenhang mit einem Assoziierungsabkommen mit der EU ausgebrochen. Ebenso sind der Kaukasuskrieg 2008 und die aktuellen Proteste in Georgien auf das Kräftezerren zwischen NATO und Russland zurückzuführen.
Wird der Gesetzesvorschlag, der laut Civil Net aufgrund einer vorhergehenden Unterschriftensammlung dreier außerparlermentarischer prowestlicher Parteien und Organisationen, der United Platform of Democratic Forces, zustandegekommen ist, unterzeichnet, kann die Regierung formale Schritte einleiten. Also: einen Antrag stellen und womöglich in direkte Verhandlungen mit der EU treten. Selbst wenn die Nationalversammlung dem Vorhaben die rote Karte zeigt, könnte eine erneute Unterschriftensammlung mit einer höheren Anzahl an Unterzeichnungen – nötig sind 300.000 – am Parlament vorbei ein Referendum zu der Frage auslösen. Das dürfte dann zu einer weiteren Polarisierung vor den im kommenden Jahr anstehenden Parlamentswahlen beitragen.
Noch in der vergangenen Woche schlug Außenminister Ararat Mirzoyan ergänzend vor, sein Land könne ein neues »umfassendes Partnerschaftsabkommen« mit Brüssel unterzeichnen. Schon im Jahr 2021 war das Land Teil des östlichen Partnerschaftsprogramms der EU geworden und hatte eine entsprechende Übereinkunft unterzeichnet. Wenig überraschend warnte der russische Präsidialamtssprecher Dmitri Peskow in einer Reaktion auf die Ankündigung aus Jerewan am Donnerstag, dass ein EU-Beitritt Armeniens unvereinbar mit seiner Mitgliedschaft in der Eurasischen Wirtschaftsunion (EWU) sei. Wirtschaftsminister Gevorg Papoyan versuchte am Montag, die Wogen zu glätten, indem er angab, man habe nicht die Absicht, die EWU zu ersetzen.
Doch Fakt ist, dass sich die Beziehungen mit der vormaligen Schutzmacht Russland kontinuierlich verschlechtert haben. Und dies, seit sich Paschinjians »prowestliche«, neoliberale Regierung, die seit der »Samtenen Revolution« von 2018 im Amt ist, Schritt für Schritt dem Westen zuwendet. 2022 akzeptierte sie eine sogenannte zivile EU-Mission, die zur »Stabilität in den Grenzgebieten« beitragen soll. 2023 trat das Land dem Internationalen Strafgerichtshof bei. Letzteres bedeutet, dass Jerewan auch den russischen Präsidenten Wladimir Putin bei einer Einreise verhaften müsste. Einen großen Sprung machte die Regierung im vergangenen Februar, als sie die Mitgliedschaft in dem von Russland geführten Militärbündnis, der Organisation des Vertrags über kollektive Sicherheit, auf Eis legte.
Das Abwenden von Moskau hatte auch zur Folge, dass Russland Armenien nicht zur Seite stand, als Aserbaidschan im September 2023 das vormals mehrheitlich von Armeniern bewohnte Bergkarabach mit einem Krieg überzog und in der Folge einnahm. Die »Republik Arzach«, die international nicht anerkannt worden war, ist mittlerweile vollständig in den Nachbarstaat »integriert«. Am Freitag will Baku auch die ehemalige armenische Führung Bergkarabachs vor Gericht stellen. In zwei Prozessen vor Militärgerichten sind 16 Politiker angeklagt. Ihnen werden unter anderem Terrorismus und Kriegsverbrechen vorgeworfen.
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