Kickl Balla Balla
Von Pierre Deason-TomoryDas Erdbeben in der Wiener Hofburg droht das österreichische Jugendradio FM4 und das Radiosymphonieorchester RSO zu verschütten, beide werden in einem Bundeskabinett unter Kanzler Kickl keine Fürsprecher mehr finden. Bei den gescheiterten Koalitionsverhandlungen von ÖVP, SPÖ und Neos hatte die Volkspartei tiefe Einschnitte beim Öffentlich-Rechtlichen gefordert. Dem Wiener Standard liegt die Streichliste vor, demnach sollten unter anderem die TV-Sender ORF 1 und ORF 3 zusammengelegt und FM4 »nicht fortgesetzt werden«. Außerdem wollte die ÖVP die Inflationsanpassung ab 2027 einkassieren, nach durchgestochenen Berechnungen aus dem ORF-Stiftungsrat wäre das RSO dann nicht mehr finanzierbar gewesen. Die Forderungen der Kanzlerpartei waren laut Standard »nicht mit SPÖ und Neos akkordiert«, also strittig. Dass sich die FPÖ als ultrarechter Seniorpartner den Wünschen der ÖVP nach einer »Konsolidierung« des ORF verweigern könnte, ist ausgeschlossen, im Gegenteil, das Spardiktat dürfte rigoroser ausfallen. Die Stunden von FM4 sind vielleicht gezählt und die des Orchesters, das in diesem Jahr seinen 80. Geburtstag feiert. Vielleicht wird RSO zum Anti-Ballhausplatz-Ball auf den Ballhausplatz laden und das Ballett »Kickl Balla Balla« uraufführen.
Zum Programm. Im Tümpel liegt ein Mann und schnauft nicht mehr, es ist immer das gleiche, eine Leiche. Im neunten Fall des Frankfurter »ARD-Radiotatorts« findet sich ein »Ein Toter im Goldfischteich« (HR 2025, Fr., 19.04 Uhr, WDR 3, Sa., 17.05, WDR 5, 19.04 Uhr, SWR Kultur, 20.03 Uhr, Bayern 2, So., 17.04 Uhr, SR 2 Kultur, 19.04 Uhr, NDR Kultur, Mo., 20.04 Uhr, MDR Kultur). Beim kicklbedrohten Kulturradio Ö 1 geht es um »Die Wurst«, Roland Koch spricht in den »Radiogeschichten« frühe Prosa von Robert Walser (Di., 11.05 Uhr). Am Donnerstag beginnt die Lesung aus den »Griechischstunden (1/7)« der letztgekürten Literaturnobelpreisträgerin Han Kang (8.30 Uhr, NDR Kultur). Wie Big Tech mit viel Tücke digitale Datenterritorien erobert, vermittelt uns »Kolonialismus in neuem Gewand«, ein »Zeitfragen-Feature« von Vera Linß (Do., 19.30 Uhr, DLF Kultur). Ins »Vokabelmeer« gesprungen ist das Liquid Penguin Ensemble, das sind Katharina Bihler und Stefan Scheib; die beiden Hörkünstler haben das Allgemeine deutsche Glossarium durchmessen, das der kaiserliche Poet Johann Jacob Spreng vor 300 Jahren gesammelt und erdichtet hat (SR, BR 2024, Fr., ab 20.03 Uhr, Bayern 2).
Die eskalierten Verhältnisse in Wien hätten einen Johann Nestroy sicherlich inspiriert, über ebensolche schrieb er 1861 den Schwank »Frühere Verhältnisse«, in dem Helmut Qualtinger in einer Aufnahme von 1967 den bösen Buben gegeben hat (Sa., 14 Uhr, Ö 1). Am Samstag überträgt DLF Kultur live vom »Ultraschall Berlin – Festival für neue Musik« (18.05 Uhr); am Sonntag übernimmt Radio 3 mit dem »Abschlusskonzert« (20.05 Uhr). Alternative zum Ultraschall: Lieder aus den Mooren von Yorkshire; in »Wildly tender is thy music« hat das Klanginistenduo Merzouga Gedichte Ihrer Wuthering Highness Emily Brontë verhörspielt (DLF 2024, Ursendung, Sa., 20.05 Uhr, DLF, So., 18.30 Uhr, DLF Kultur). Clemens ist fertig, er ist »Der Todeskandidat« in der Inszenierung von Ulrich Lampen nach der Erzählung von Max Herrmann-Neiße (BR 2017, So., 15.05 Uhr, Bayern 2). Clemens liegt da und fragt sich: Was ist? »Nichts ist, sagt der Weise« in der Ursendung von Ulrike Haages Hörspiel mit Texten von Mascha Kaléko (RBB 2024, So., 16.05 Uhr, Montag, 19.05 Uhr, Radio 3). Das ist nicht viel.
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