Klatschprotest gegen Kirchenfürsten
Von Bernhard Krebs
Mit dem geschlossenen Rücktritt des Vorstands des Freiburger Domchors ist ein Konflikt um die grundlose Kündigung des Domkapellmeisters in der Freiburger Erzdiözese völlig eskaliert. Der Vorstand erklärte am Freitag, es gebe keine Grundlage mehr für eine Zusammenarbeit, nachdem eine Anfrage des Domchors für ein baldiges Gespräch mit der Diözesanleitung abgewiesen worden war.
Hintergrund des Konflikts ist die im Juli 2024 ausgesprochene Kündigung des Domkapellmeisters und Leiters der Domsingschule, Boris Böhmann, nach 22jähriger Tätigkeit zu Ende Februar. Warum Böhmann gekündigt wurde, ist bis heute unbekannt. Mit Verweis auf den Datenschutz hüllt sich das Erzbistum bislang in Schweigen und verweist statt dessen nebulös auf angebliche jahrelange Auseinandersetzungen. Böhmann selbst war gegen die Kündigung gerichtlich vorgegangen, in erster Instanz vor dem Freiburger Arbeitsgericht aber unterlegen. Laut seines Anwalts Knut Müller hat Böhmann aber Berufung eingelegt.
Er scheint jedenfalls beliebt zu sein, wie ein Eklat an Heiligabend im Freiburger Münster zeigt. Für gewöhnlich ist lautstarker Protest, zumal während eines Gottesdienstes, nicht Bestandteil katholischen Erbguts. Doch in der Mette brandete am Ende der von Erzbischof Stephan Burger geleiteten Liturgie, in der es auch eine Darbietung der von Böhmann geleiteten Domsingknaben gab, minutenlanger Applaus auf. Sogar einige Protestrufe seien zu hören gewesen, berichtete die Badische Zeitung. Burger unterbrach daraufhin die Christmette. Das katholische Fernsehen K-TV schaltete gar seine Liveübertragung ab und blendete folgende Zeilen ein: »Wir bitten um Verständnis, dass aufgrund mutwilliger Störung des Gottesdienstes die Übertragung nicht fortgesetzt werden kann.«
Burger hatte den Applaus der Gläubigen dadurch zu unterbinden versucht, dass er seine Gemeinde aufrief: »Lasset uns beten«, wie es auf der Unterstützerwebseite domkantorei-fr.de heißt. Doch es wurde weiter geklatscht. Auf der Seite läuft derzeit auch eine Petition für den Verbleib von Böhmann, die in nicht einmal einer Woche mehr als 3.700 Unterschriften sammeln konnte.
Der Kirchenfürst zeigte sich von dem Vorgang an Heiligabend so tief getroffen, dass er am 30. Dezember sein Mütchen an Böhmann kühlte und ihn mit sofortiger Wirkung »freistellte«. Die Heilige Messe sei »mutwillig gestört« worden. »Die Störungen hatten hier keinen Platz, ausgerechnet an Weihnachten«, sagte Burger. Weiter warf Burger Böhmann vor, den Protest »mindestens gebilligt« zu haben.
In seiner Silvesterpredigt einen Tag später appellierte Burger dann an die Mitglieder der Chöre: »Wir brauchen Sie alle«, wie es am Freitag in der Rücktrittserklärung des Domchorvorstands hieß. Doch statt den Konflikt mit Machtwort und -geste zu beruhigen, goss der Erzbischof nur noch mehr Öl ins Feuer. Erst am Donnerstag hatten die Domsingknaben bekanntgegeben, weitere Auftritte zu verweigern, wie der SWR berichtete. Der Fall spiegelt einmal mehr jene Spannungen wider, die in der katholischen Kirche immer wieder um Personalentscheidungen und Reformprozesse entstehen.
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