Weltmarkt im Umbruch
Von Igor KusarDer Streit um die Übernahme von US Steel durch den japanischen Konkurrenten Nippon Steel eskaliert verbal weiter. Nachdem US-Präsident Joseph Biden den ausgehandelten Deal wegen »nationaler Sicherheitsbedenken« Anfang des Jahres blockiert hatte, meldete sich zu Wochenbeginn der Chief Executive Officer (Vorstandschef; CEO) des Stahlkonzerns Cleveland-Cliffs zu Wort. Dieser hatte dem nationalen Konkurrenten selbst 2023 ein Übernahmeangebot gemacht. Allerdings war er bei den Chefs von US Steel abgeblitzt. Voller Schadenfreude stand nun Lourenco Goncalves vor der Presse und wiederholte sein Angebot – eine Offerte, die sich im Vergleich zu der des japanischen Konkurrenten eher dürftig ausnimmt. Gleichzeitig teilte er gegen Nippon Steel und die japanische Stahlindustrie aus. Diese sei schlimmer als die chinesische Konkurrenz mit ihren Dumpingpreisen, unter denen die USA leiden. Die Chinesen hätten diese Art des Wirtschaftens von den Japanern gelernt, ließ sich Goncalves zitieren.
Extrem harte Konkurrenz
Daraufhin ging ein Aufschrei vor allem durch die rechte japanische Presse. Premierminister Ishiba Shigeru wurde bezichtigt, gegenüber Washington zu duckmäuserisch aufzutreten. Doch auch Bedenken wurden laut, dieser Streit könnte das Bündnis mit den USA schwächen und japanische Investoren in den USA abschrecken. Andernorts gab es Unverständnis über das Veto, da die Übernahme ja die Marktposition beider Firmen gegenüber den Marktführern aus China stärken würde.
Doch ganz abwegig scheinen Bidens Bedenken nicht zu sein. Die Stahlbranche befindet sich in einer technologisch getriebenen Umgestaltung. Die Konkurrenzsituation weltweit ist extrem hart. Seit bald dreißig Jahren dominieren chinesische Hersteller den Weltmarkt. Mehr als fünfzig Prozent der globalen Stahlerzeugung finden heute in China statt. Allerdings ist der dortige nationale Markt mit eigenen Problemen konfrontiert, weshalb viele Produzenten nach Indien ausweichen. Der Subkontinent gilt als der neue Hotspot und ist seit 2018 die Nummer zwei unter den stahlproduzierenden Ländern, noch vor Japan. Dessen Stahlproduktion war zuletzt auch 2023 um 2,5 Prozent geschrumpft.
Die Eisen- und Stahlherstellung ist für rund acht Prozent der weltweit ausgestoßenen CO2-Menge verantwortlich. Der politische Druck auf eine Erneuerung hin zu »grünem Stahl« ist groß. Damit ist etwa der Übergang von der Produktion mit Kohle bzw. Koks zu einer Herstellung mittels sogenanntem grünem Wasserstoff gemeint. Oder auch der Wechsel von Hochöfen zu energieeffizienteren Elektrolichtbogenöfen. Um dies zu verwirklichen, braucht es viel Geld – was eine Strukturbereinigung auf dem Markt zur Folge hat. Seit der damals weltweit größte Stahlproduzent Mittal Steel 2007 mit dem einst zweitgrößten Stahlhersteller Arcelor zu Arcelor-Mittal fusionierte, ist die Branche im Umbruch.
Einst größter Stahlproduzent
Die Fusionswelle erreichte auch Japan. Trotzdem rutschte dessen größter Stahlhersteller, Nippon Steel, 2018 in die roten Zahlen. Eine neue Strategie sollte den Konzern wieder auf die Erfolgsstraße bringen: Restrukturierungen. Daraufhin wurden fünf der 15 Öfen geschlossen – und die Geldgeber orientierten auf eine aggressive Expansion ins Ausland. So machte man im Dezember 2023 dem angeschlagenen US-Konzern ein Übernahmeangebot.
Vor allem von der US-Gewerkschaftsseite gibt es Widerstand. »Die geplante Übernahme ist ein Nachweis unternehmerischer Gier, ein Ausverkauf der US-Arbeiter und eine Gefährdung der langfristigen Zukunft der heimischen Stahlindustrie«, schrieben Gewerkschafter. Sie trauen Nippon Steel nicht über den Weg, obwohl der Konzern beteuert, die Beschäftigten schützen zu wollen. Bei den Kritiken dürfte aber auch gekränkter Stolz im Spiel sein: US Steel war einst größter Stahlproduzent weltweit.
Am Montag wird Donald Trump sein Amt als US-Präsident antreten. Er ist an Bidens Veto nicht gebunden. Zweifelhaft ist allerdings, dass er es rückgängig macht. So bleibt Nippon Steel nur die Hoffnung, mit seiner am 6. Januar eingereichten Klage gegen die Biden-Administration vor Gericht Erfolg zu haben.
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