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LL-Wochenende

Freiheit blutig eingeschränkt

Demokratieabbau konkret: Wenn Medien dabei als Pressestellen des Staates wirken
Von Dietmar Koschmieder
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In Berlin haben sich am vergangenen Sonnabend über 3.000 Menschen zur 30. Internationalen Rosa-Luxemburg-Konferenz (RLK) getroffen, einen Tag später gedachten gut 20.000 Personen mit einer Demonstration oder durch den Besuch der Gedenkstätte der Sozialisten in Berlin-Friedrichsfelde der KPD-Gründer Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht. Bürgerliche Medien reduzieren die Veranstaltungen auf tatsächliche oder erfundene Krawalle. So berichtete der Berliner Tagesspiegel von der RLK lediglich über ein Grußwort der ehemaligen RAF-Militanten Daniela Klette, die im Februar 2024 verhaftet wurde und noch immer ohne Prozess festsitzt. Im Anschluss sei es zu Zusammenstößen zwischen Polizei und Teilnehmenden gekommen, heißt es dann weiter. Das ist schlicht unwahr: Es gab keinerlei Zwischenfälle.

Die Liebknecht-Luxemburg-Ehrung bewegt noch immer viele tausend Menschen dazu, auf die Straße zu gehen. Das ist seit Jahren ein Ärgernis für all jene, für die die damit verbundene antikapitalistische Haltung Teufelszeug darstellt. Deren Hoffnung, dass die ewiggestrigen DDR-Anhänger bald ausgestorben sind und sich die Sache damit von selbst erledigt, erfüllt sich nicht: Noch immer wird an jedem zweiten Sonntag im Januar die größte regelmäßig stattfindende antikapitalistische Demonstration im deutschsprachigen Raum veranstaltet.

Schwarze Kampfmaschinen

Organisiert wird die Demo von vielen linken Gruppen. Einige im Bündnis warfen die Frage auf, wie man auf zunehmende Provokationen durch die Polizei reagieren könnte. Es geht ihnen dabei nicht um Straßenschlachten mit der Polizei, sondern vielmehr darum, dass man nicht mehr wegrennt, sich spalten lässt, wenn schwarz verkleidete, bewaffnete Spezialeinheiten die Demo stürmen, zuschlagen und chemische Kampfstoffe versprühen. Sondern dass man sich dem Geschehen zuwendet, sich unterhakt, sich also nicht ängstlich, sondern widerständig präsentiert. Eine zulässige, wenn auch gefährliche Form des passiven Widerstands. Denn noch lassen sich die schwarzen Kampfmaschinen davon abhalten, trotzdem hineinzustürmen, gebrochene Knochen, geplatzte Schädel und womöglich Tote in Kauf nehmend. Brutal zugeschlagen wurde aber trotzdem, auch in Gesichter. Dass es Verletzte gab, konnte etwa der Berliner Linke-Abgeordnete Ferat Koçak im Gespräch mit junge Welt berichten. Trotzdem wird in den meisten Medien vorrangig die Interpretation der Polizei bedient. So wurde in der Anmoderation zum Beitrag in der RBB-Abendschau vom vergangenen Sonntag behauptet, dass die »Demonstranten mit Gewalt auf die Polizei losgegangen seien«. Erst auf Nachfrage der Tageszeitung junge Welt räumte die RBB-Redaktion ein, dass für diese Sicht der Dinge ausschließlich Mitteilungen aus den Reihen der Polizei genutzt wurden. Nicht das wurde als Fehler gegenüber jW eingeräumt, sondern der Umstand, dass man dies nicht kenntlich gemacht habe. Immerhin zitierte RBB online auch, dass der Abgeordnete Koçak gegenüber junge Welt über Polizeigewalt berichtet habe, auch tagesschau.de verlinkte auf den jW-Beitrag.

Lügen und verschweigen

Die Taz zitierte in ihrem Bericht zwar auch Koçak, hielt es aber nicht für nötig, eine Quelle anzugeben. Der Rosa-Luxemburg-Konferenz widmete die Zeitung keine Silbe, über die Demo (»rund 3.000 Teilnehmende laut Polizeiangaben«) am Sonntag wird im ausführlichen Bericht über Linkssektierer gefrotzelt (»Folklore«). Brutale Übergriffe werden als »polizeiliche Zwangsmaßnahmen« verharmlost, und es werden immer wieder Polizeisprecher zitiert. Aber ganz zum Schluss kommt dann die junge Welt doch noch vor. Die »Auseinandersetzungen« seien zu erwarten gewesen, weil »das kommunistische Traditionsblatt junge Welt eine ›Gemeinsame Erklärung des Revolutionären Blocks auf der LLL-Demo‹ dokumentierte, in der dazu aufgerufen wurde, sich zu verteidigen«. In der gleichen Ausgabe klärt die Taz in einem anderen Beitrag zudem darüber auf, dass die Tageszeitung junge Welt »neostalinistisch« sei – ohne irgendeine inhaltliche Begründung.

Die Taz hat die junge Welt in letzter Zeit immer wieder beschimpft und dabei auch mit Unwahrheiten operiert. Natürlich trennen Taz und jW politisch Welten, aber kann man sich nicht trotzdem inhaltlich darauf verständigen, dass die Polizei zunächst ganz einfach das Recht jedes einzelnen, seine Meinung frei kundzutun, zu schützen hat – wie auch die Demonstrationen selbst? Wieso können Taz und andere Medien nicht offen darüber berichten, dass Spezialeinheiten der Polizei dieses Recht an diesem Wochenende für Tausende in Berlin (und bei der Anti-AfD-Demo in Riesa) blutig eingeschränkt haben? Und wieso muss sich die Zeitung als Stichwortgeber für den Inlandsgeheimdienst andienen und damit die Beschränkung vieler weiterer Rechte der jungen Welt begünstigen? Der Verfassungsschutz kann sich bei seiner absurden Konstruktion, dass die junge Welt nicht nur marxistisch orientiert sei, sondern vielmehr Lenin sympathisch finde und daher auch stalinistisch sei, mittlerweile auf die Taz berufen. Einig sind sich Geheimdienst und Taz offenbar auch in der Vorstellung, dass die junge Welt Gewalt und Terror fördere, indem sie Diskussionsprozesse in der Linken spiegelt.

Lang ist’s her, da hat die Taz Geld für die Bewaffnung einer Guerillaorganisation gesammelt. Die Taz hat wahrlich schon bessere Zeiten erlebt.

Solidarität jetzt!

Das Verwaltungsgericht Berlin hat entschieden und die Klage des Verlags 8. Mai abgewiesen. Die Bundesregierung darf die Tageszeitung junge Welt in ihren jährlichen Verfassungsschutzberichten erwähnen und beobachten. Nun muss eine höhere Instanz entscheiden.

In unseren Augen ist das Urteil eine Einschränkung der Meinungs- und Pressefreiheit in der Bundesrepublik. Aber auch umgekehrt wird Bürgerinnen und Bürgern erschwert, sich aus verschiedenen Quellen frei zu informieren.

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