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Aus: Ausgabe vom 18.01.2025, Seite 1 (Beilage) / Wochenendbeilage
Doping in der DDR

»Wundermittel zu erfinden war nicht unsere Aufgabe«

Über den Anteil des VEB Jenapharm am Dopingsystem der DDR. Ein Gespräch mit Michael Oettel
Interview: Andreas Müller
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Einmarsch der DDR-Sportlerinnen und -Sportler zur feierlichen Eröffnung der XIII. Olympischen Winterspiele in den USA (Lake Placid, 13.2.1980)

Waren Sie ein Fan des DDR-Sports?

Selbstverständlich habe ich mich über die Erfolge unserer Athleten gefreut und bei großen Wettkämpfen mit ihnen gefiebert. Doch diese Flut an Olympiasiegen und Weltmeistertiteln hat mich auch nachdenklich gestimmt und fast geärgert. Das war meines Erachtens schon zu viel des Guten. Das war ein Überangebot von Gewinnern, deren Namen man alle gar nicht mehr behalten konnte und die für mich zunehmend zu einer Art »gesichtslosen Menge« wurden.

Sie hatten beim Volkseigenen Betrieb VEB Jenapharm, dem Produzenten von Dopingmitteln für den DDR-Spitzensport, wie auch im staatlichen Pharmakombinat Germed führende Positionen inne. Hat Sie nie schlechtes Gewissen geplagt, an einem organisierten Sportbetrug mitzuwirken?

Im Zusammenspiel mit unseren Partnern, dem Forschungsinstitut für Körperkultur und Sport, FKS, in Leipzig und dem Sportmedizinischen Dienst, SMD, in Berlin, habe ich persönlich die Vogel-Strauß-Politik bevorzugt nach dem Motto: Was ich nicht weiß, macht mich nicht heiß. Bis hoch in die 80er Jahre hinein ist der Einsatz von Anabolika zumindest fürs Training erlaubt gewesen. Außerdem: Unsere Präparate haben niemals das knochenharte Trainingspensum ersetzen können, das diesen sportlichen Erfolgen vorausging. Eher hatte mich als Laie auf diesem Spezialgebiet beschäftigt, wie ein Körper diese hohe Trainingsbelastung auf Dauer und später nach Karriereende verkraften würde. Da ich kein klinisch erfahrener Mediziner bin, habe ich mir nicht die geringsten Gedanken gemacht, dass aus der Einnahme von Oral-Turinabol, OT, als dem im DDR-Leistungssport gebräuchlichsten Präparat gesundheitliche Schäden erwachsen könnten. Wer sich bei der Dosierung an den Beipackzettel hielt, der konnte nach meinem Dafürhalten keine gesundheitlichen Schäden davontragen. Ganz im Gegenteil: Ich hatte den Eindruck, dass hinter jedem Topathleten gleich mehrere Ärzte standen, die aus fachlicher Sicht wussten oder hätten wissen müssen, was sie taten.

Hatten Sie nie Sorge, dass mal etwas auffliegt?

Das hielt ich für ausgeschlossen. Nicht zuletzt im Vertrauen auf die erstklassigen analytischen Möglichkeiten in Kreischa mit den dortigen Spezialisten. Sie hätten bestimmt keinen einzigen Athleten zu einem Wettkampf fahren lassen, der nicht clean gewesen ist. Der Nachweis der Jenapharm-Substanzen ist sehr leicht gewesen. Wenn DDR-Sportler also international nicht positiv getestet wurden, so musste das im Umkehrschluss für uns bedeuten, dass diese Mittel nur in der Trainingsphase eingenommen wurden. Henner Misersky aus Thüringen, der sich als Trainer in der DDR bekanntermaßen den – nach offiziellem Sprachgebrauch – »unterstützenden Mitteln« strikt verweigerte und erst kurz vor seinem Tod im August 2023 mit mir Kontakt aufnahm und mir unter anderem seinen Ärger über die sehr unterschiedliche Aufarbeitung des Themas in West und Ost mitteilte, berichtete unter anderem folgendes: Die gezielte Zweckentfremdung von Oral-Turinabol als zugelassenes Medikament habe in den 60er Jahren in Kooperation mit einer kompletten Werfergruppe vom Armeesportklub Potsdam begonnen. Zur selben Zeit seien Werfer in der Bundesrepublik längst mit Anabolika in Berührung gekommen, die US-Studentensportler mitgebracht hätten. Das habe ihm der Dopingaufklärer Gerhard Treutlein aus Heidelberg (verstorben 2022, jW) persönlich bestätigt.

Das heißt?

Der DDR-Führung ging es auch um Chancengleichheit im internationalen und besonders im deutsch-deutschen Sportvergleich ging. Auch deshalb gab es kein schlechtes Gewissen.

Warum war als Hersteller ausgerechnet und einzig Jenapharm in das DDR-Doping-System involviert?

Zwischen Neubrandenburg im Norden und Zwickau im Süden waren mehr als ein Dutzend pharmazeutische Betriebe im Kombinat Germed zusammengeschlossen. In Jena wurden unter anderem Antibiotika und Vita­minpräparate produziert. Doch Jena hatte in der gesamten Branche auch das Alleinstellungsmerkmal, Hormone auf der Basis von Steroiden herzustellen. Schwerpunkte waren unter anderem Familienplanung, Hormonsubstitution im Alter und Prostatakrebs. Kein anderer DDR-Betrieb konnte damals solche chemischen Verbindungen produzieren. Wir haben gut bekannte und charakterisierte Steroide im Rahmen des Staatsplans 14/25 geliefert, waren aber nicht in die konkrete Anwendungskonzeption eingeweiht.

In welchen Größenordnungen lieferte Jenapharm?

In den mir verfügbaren Liefertabellen fällt auf, dass Oral-Turinabol dort nicht vorkommt. Ich schließe daraus, dass OT nicht direkt an das FKS geliefert wurde, sondern über die normalen Vertriebswege des Ministeriums für Gesundheitswesen, vor allem über dessen Zentrallager, und von da aus über den SMD ins Sportsystem gelangte. Was die Mengen betrifft und wie sie sich im Laufe der Jahre veränderten, tut sich für mich bei OT eine echte Wissenslücke auf.

Wie war es bei den anderen anabolen Steroiden?

Über Steroide gibt es genauere Erkenntnisse, weil diese Lieferungen direkt an das FKS oder den SMD gingen. Für die Steroidsubstanz 646 (STS 646, jW), als Mestanolon erstmalig 1934 in der Schweiz entdeckt, gab es weltweit Hersteller unter 23 verschiedenen Produktnamen. Es ist noch heute in Japan auf dem Markt. In der DDR ist es zwischen 1980 und 1989 in Form von fast 230.000 Kapseln oder Tabletten à fünf Milligramm beziehungsweise 186.700 Kapseln oder Tabletten à zehn Milligramm an die Staatsplan-Auftraggeber abgegeben worden. Zum Vergleich: Für die klinische Erprobung einer neuen Antibabypille in Phase drei wurden mindestens 504.000 Dragees bzw. Tabletten benötigt. An Testosteron-Estern für Männer mit verringertem Testosteronspiegel wurden zwischen 1983 und 1988 insgesamt 4.895 Ampullen in das Sportsystem geliefert.

War Jenapharm frei von Verantwortung?

Für die Erprobung und den Einsatz von STS 646 an Sportlern war Jenapharm nicht verantwortlich, für die Herstellung gab es ein Gutachten des Instituts für Arzneimittelwesen im Ministerium für Gesundheitswesen. Deshalb kann ich nicht verstehen, wenn immer wieder behauptet wird, dass die Erprobung von STS 646 bei Sportlern nicht genehmigt war und es sich um illegale »Menschenversuche« handelte. Ich selbst hatte eine schriftliche Bestätigung vom FKS, dass die Erprobung im Sport genehmigt und das Ministerium für Gesundheitswesen stets informiert gewesen ist. »Menschenversuche«, wenn man so will, wurden bei Jenapharm und im Jenaer Zentralinstitut für Mikrobiologie und experimentelle Therapie der Akademie der Wissenschaften (ZIMET, jW) mit jeweils fünf Freiwilligen durchgeführt, alles Jenapharm-Kollegen. Und zwar mit OT, STS 646 und STS 482, ein Stoffwechselprodukt von OT. Ziel waren Erkenntnisse darüber, wie der Körper diese Arzneimittel aufnimmt, verstoffwechselt und ausscheidet, also keine Prüfungen auf Wirksamkeit. Solche Angaben werden bei der Entwicklung von Nachahmerprodukten gefordert und um solche handelte es sich ja: Generika »Made in GDR«.

Welchen Stellenwert hatten Dopingpräparate in Relation zur Gesamtproduktion?

Diese Präparate machten bei Jenapharm nur zwei bis drei Prozent der Jahresproduktion aus. Wir hatten unter volkswirtschaftlichen Gesichtspunkten Wichtigeres zu tun. 1989 waren im Kombinat Germed 16.300 Mitarbeiter beschäftigt, davon 2.258 in Forschung und Entwicklung. Im selben Jahr arbeiteten 2.572 Mitarbeiter bei Jenapharm, davon etwa 200 in Forschung und Entwicklung. Für die Aufgaben im Sport waren hier nur zwei Planstellen reserviert oder, wie es damals hieß, zwei Vollbeschäftigteneinheiten.

Ihr Intimfeind, der 2022 verstorbene frühere Heidelberger Molekularbiologe Werner Franke, berichtete, dass Jenapharm in der DDR gar nicht zugelassene und nicht auf der DDR-Arzneimittelliste vermerkte Hormonpräparate unter den Spezialbezeichnungen STS 646, STS 648, STS 482 und »Substanz XII« herstellte und heimlich in Umlauf brachte.

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Das sind Stoffwechselprodukte oder chemische Derivate von Oral-Turinabol, die bei der Entwicklung von OT Ende der 50er und Anfang der 60er gefunden und öffentlich bekanntgemacht wurden. Das FKS war an kleinen Mengen für wissenschaftliche Aufgabenstellungen interessiert. Diese Kleinlieferungen waren stets mit folgendem Begleitschreiben versehen: »Wir weisen ausdrücklich darauf hin, dass weder der Wirkstoff noch die Arzneifertigware von uns oder von der TKO – Qualitätskontrolle – untersucht bzw. freigegeben wurden und somit die Bestimmungen des Arzneimittelgesetzes nur im Hinblick auf Tierversuche eingehalten werden.« Von einem »heimlichen Umlauf« kann keine Rede sein.

Franke hatte bei der Zentralen Ermittlungsstelle für Regierungs- und Vereinigungskriminalität ZERV Anzeige gegen Sie erstattet.

Ja, zunächst habe ich ihn dafür kritisiert und das als Unverschämtheit empfunden. Heute bin ich ihm fast dankbar dafür, denn weder haben die ZERV-Ermittlungen seine These gestützt, noch mir persönliche Verfehlungen nachgewiesen. Ohne diese Beurteilung hätte ich später unmöglich bei der Schering AG arbeiten können, die übrigens zusätzlich mehrere externe Gutachten anfertigen ließ, auswertete und auch über meine Stasi-Tätigkeit Bescheid wusste. Auf Anraten des Unternehmens habe ich im Laufe der Jahre immer wieder diverse Interviewanfragen bis hin zur BBC oder Medien aus Frankreich abgelehnt. Aus heutiger Sicht ein Fehler.

Ist Jena ein Dopingforschungszen­trum gewesen, wie von Werner Franke behauptet?

Oral-Turinabol gehört zu den wenigen Originalentwicklungen von Jenapharm, an der schon Ende der 50er Jahre gearbeitet wurde und die 1964 auf den Markt kam. Die Bereitstellung für den Leistungssport beanspruchte keinerlei Entwicklungskapazitäten. Unsere Steroide hatten keinerlei Wunderwirkungen für den Spitzensport.

Sie wollen wirklich nicht gewusst haben, was Ihre Produkte bewirkten?

Als nach dem Mauerfall immer neue Nachrichten über gesundheitliche Schäden von DDR-Athleten ans Licht kamen, hat mich das zunächst sehr gewundert. Allmählich habe ich dann begriffen, dass diese gesundheitlichen Schäden ganz unweigerlich eingetreten sein mussten, zum Beispiel wenn OT über einen längeren Zeitraum hinweg täglich in einer Größenordnung von 100 Milligramm eingenommen wurde. Eine Dosierung weit über den Beipackzettel hinaus ist unverantwortlich. Wobei ich bei meiner persönlichen Beurteilung stets zwischen den wirklichen Opfern und den vielen »Trittbrettfahrern« differenziert habe. Generell gilt: Es gab bei Jenapharm niemanden, der darüber informiert war, wie und wo unsere Präparate später verwendet wurden und in welcher Dosierung und mit welchen Folgen. Jeder hat damals nur so viel gewusst, wie für seinen Part nötig war.

Am FKS beziehungsweise vom SMD sollen Anabolika-Produkte umverpackt worden sein, ehe sie in den Spitzensport gelangten.

Ja, der Sport erhielt anscheinend oftmals nichts in der Originalverpackung von Jenapharm. Dieser Umstand ist von großer Bedeutung, das heißt, die Anwendung der Dopingpräparate am Menschen lag außerhalb der Zuständigkeit des Herstellers. Dieselbe Grundlage hatte der im Oktober 1974 verabschiedete Staatsplan 14/25. Eine Praxis, die im diametralen Gegensatz zur Praxis in der westlichen Hemisphäre stand, wo Pharmahersteller auch dann verantwortlich sind, wenn ihre Produkte nicht bestimmungsgemäß angewendet werden.

Womit Sie juristisch fein raus sind.

Es geht hier nicht zuerst um rechtliche Fragen. Aus Unterlagen weiß ich inzwischen, dass etwa 20 Prozent der beteiligten Sportärzte aus moralischen Gründen eine Mitwirkung an diesem Staatsplan-Thema verweigerten oder hinschmissen. Aus der Pharmaindustrie ist mir kein einziger Fall bekannt, bei dem eine Kollegin oder ein Kollege aus ethischen Gründen die Mitarbeit versagte. Die Erklärung dafür hängt mit dem großen Unterschied zwischen Forschung und Entwicklung zusammen. Bei der Arzneimittelforschung wird nach neuen Molekülen für meist völlig neue Indikationsgebiete gesucht. Das pharmakologisch-toxikologische Profil ist unbekannt und muss erst langwierig erarbeitet werden. Bei der Erprobung am Menschen muss dabei größtmögliche Vorsicht walten. Bezogen auf Anabolika würde Forschung bedeuten, nach solchen Substanzen zu suchen, die entweder viel stärker wirken als die bisher bekannten oder analytisch nicht oder nur schwer nachweisbar sind. Das haben wir definitiv nicht getan. Wundermittel zu erfinden war nicht unsere Aufgabe.

Sondern?

Die allermeisten und vordringlichen Forschungsprojekte zielten darauf ab, für das Gesundheitswesen dringend benötigte Arzneimittel zu entwickeln und herzustellen. Neben Familienplanung und Hormonsubstitution war das wichtigste Forschungsprojekt, aus pflanzlichen Sterolen, also aus einheimischen Hölzern, den Grundkörper unter anderem für Glukokortikoide zu gewinnen. Im Westen funktionierte das mit Yamswurzeln aus Mexiko, die hatten wir nicht. Wir brauchten Lösungen ohne teure Importe. Beim Staatsplan 14/25 ging es für Jenapharm im Prinzip nur um den Einsatz eigener und schon vorhandener Präparate. Man hätte, wären da nicht immer die Sorgen wegen der knappen Devisen gewesen, sämtliche Präparate für den DDR-Leistungssport genauso gut von Firmen aus dem westlichen Ausland beziehen können.

Im Kern ging es beim »Staatsplan Spitzensport« vor fast genau 50 Jahren darum, das System der »Unterstützenden Mittel« fortan konsequent zu zentralisieren und als »streng geheim« zu behandeln. Die Gesamtverantwortung oblag dem 2002 verstorbenen Sportchef Manfred Ewald, in Abstimmung mit dem 2003 verstorbenen Manfred Höppner als SMD-Vizechef und dem 2022 verstorbenen Alfons Lehnert als stellvertretender Direktor des Leipziger »Geheimlabors« FKS. Wie funktionierte diese Kooperation?

Im Rahmen des Staatsplans forderte man von uns nur A-Leistungsstufen, entsprechend den Kriterien des Ministeriums für Wissenschaft und Technik. Wir waren in die Phasen der klinischen Erprobung nicht eingebunden. Eine Konstellation, die schon im ersten Brief von Prof. Dr. Schäker vom FKS aus dem Jahr 1976 deutlich wird, der diese Zusammenarbeit bis 1990 koordinierte. Dort heißt es, dass die Jenapharm-Forschung ihre »langjährigen Erfahrungen auf dem Gebiet der Synthese und Analytik der Steroidhormone bei der Lösung der zentralen Aufgabenstellung des FKS« nutzen soll, um den schnelleren Zugriff auf Steroidwirkstoffe und auf Steroidhormon-Zwischenprodukte zu ermöglichen. Inzwischen bin ich der Überzeugung, dass dieser Staatsplan den Verantwortlichen nach und nach immer mehr aus den Händen glitt. Das wichtigste Ziel, eine zentrale, straffe und durchgehende Steuerung für den Einsatz von Dopingpräparaten zu implementieren, ging gründlich daneben. Mit dramatischen Folgen.

Die da wären?

Hier kann ich mich nicht auf Unterlagen berufen, sondern nur auf Gesprächspartner. Anscheinend gab es einen unverantwortlichen Umgang mit unseren Präparaten. Gegen das staatliche Vorhaben, ein durchgängiges, gut kontrolliertes System zu installieren, stand die Praxis des Trainingsalltags mit seinen Eifersüchteleien vor allem zwischen den Sportklubs, allen voran den Dynamo-Klubs. Jeder wollte jeden anscheinend übertrumpfen. So wurden die staatlichen Vorgaben mehr und mehr unterlaufen. Daraus resultierte ein ungeheuer wildes und schließlich nicht mehr zu kontrollierendes Dopingsystem mit bedauerlichen Opfern. Wenn es tatsächlich so gewesen ist, dass sogar Minderjährige unwissentlich gedopt wurden, so kommt das für mich einem Verbrechen gleich. Andererseits: Die Indikation von Oral-Turinabol mit täglich einem bis zwei Milligramm bei Kindern war offiziell erlaubt. Nicht zur Leistungssteigerung, doch beispielsweise, um das Wachstum bei Mädchen zu hemmen, die zu schnell in die Höhe schossen.

Der Potsdamer Historiker Giselher Spitzer fordert von Jenapharm, endlich alle vorhandenen Unterlagen offenzulegen, damit gedopte Exsportler erfahren können, was mit ihnen geschah. Würden Sie diese Unterlagen für die Forschung freigeben?

Selbstverständlich, warum nicht? Sie haben ja gesehen, dass ich insgesamt sechs Ordner zum Thema Doping besitze. Die weitaus besseren Quellen dürften sich allerdings im Thüringer Landesarchiv in Rudolstadt befinden. Dort lagern meines Wissens mittlerweile die meisten Akten zum Komplex Jenapharm und ZIMET. Das höchste wissenschaftliche Niveau zur Aufarbeitung der Jenaer Steroidforschung inklusive Doping weisen aus meiner Kenntnis zwei Arbeiten der Universität Marburg auf. Die Autoren Oliver Haupt und Andreas Möckel haben monatelang in den zuständigen Archiven gearbeitet. Ihre beiden Bücher wurden von uns weder angeregt noch beeinflusst oder finanziert.

Michael Oettel, 1939 in Jena geboren, war bei Jenapharm von 1968 bis 1974 als Gruppenleiter tätig, bevor der studierte und promovierte Veterinärmediziner dort von 1979 bis 1981 Direktor für Forschung und Entwicklung war. Dieselbe Position hatte er von 1982 bis 1989 beim Pharmazeutischen Kombinat Germed und im Arzneimittelwerk Dresden (AWD) inne. Nach der »Wende« war er bis Ende 2003 bei Jenapharm und simultan bei der Schering AG tätig. Zuvor war er von 1989 bis 1991 als Direktor an das Jenaer Zentralinstitut für Mikrobiologie und experimentelle Therapie (ZIMET) zurückgekehrt, dem er schon von 1974 bis 1979, damals unter dem Dach der Akademie der Wissenschaften der DDR, als Abteilungsleiter angehört hatte.

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