»Ein weiterer Schwenk nach rechts«
Interview: Dieter ReinischAus den Parlamentswahlen sind Fianna Fáil und Fine Gael als stärkste Kräfte im Dáil Éireann, dem irischen Unterhaus, hervorgegangen. An diesem Mittwoch soll deren Koalition ins Amt eingeführt werden. Was kann außenpolitisch von ihr erwartet werden?
Die neue Regierung bedeutet einen weiteren Schwenk nach rechts, weil sich die Parteien Fianna Fáil und Fine Gael nach rechts entwickelten und sie gleichzeitig einige sehr weit rechte Parteiunabhängige in die Koalition holten, um die nötige Mehrheit zu erzielen. Außenpolitisch wollen sie sich enger an die transatlantischen Militärbündnisse binden und Hindernisse abbauen, damit sich irische Soldaten an internationalen Kriegseinsätzen beteiligen können. Am Ende wird die Neutralität als inhaltsleere Hülle zurückbleiben.
Welche Rolle nahm Irland bislang im internationalen Gefüge ein?
Die USA sind in politischen Kreisen sehr einflussreich, es gibt viele US-Unternehmen, die hier operieren. Die politische Elite hier agiert als Kompradoren: Sie haben Irland als Steuerparadies für US-Konzerne aufgebaut, und es gibt kaum Datenschutzregulierung. Das ist die Rolle Irlands im kapitalistischen Weltsystem. Die Regierung muss in diesem Gefüge balancieren: Sie versuchen, die öffentliche Meinung zu beruhigen, in dem sie einen Staat Palästina anerkennen und sich der Klage (gegen Israel vor dem Internationalen Gerichtshof, jW) anschließen. Aber gleichzeitig verhindern sie weitergehende Maßnahmen, die materielle Unterschiede machen.
Können Sie das konkretisieren?
Ein Beispiel sind Sanktionen: Dublin schrieb der Präsidentin der EU-Kommission, Ursula von der Leyen, mit der Bitte, das EU-Israel-Assoziierungsabkommen zu überprüfen, da die darin enthaltenen Menschenrechtsspargraphen gebrochen wurden. Sie hat nie geantwortet und die Regierung beließ es dabei. Regelmäßig fliegen Maschinen durch den irischen Luftraum, die Waffen an Israel liefern, und in Shannon tanken sie sogar auf. Sie fliegen ohne Genehmigung über Irland. Die Regierung beteuert, wie schlimm dies sei und, dass es nicht passieren sollte, hat aber nie etwas dagegen getan.
Ähnlich beim 2018 beschlossenen Gesetz, das Handel mit Unternehmen verbietet, die in besetzten Territorien operieren. Es schließt nicht nur die Westbank mit ein, sondern auch die Westsahara. Es wurde noch nicht ratifiziert. Vor den Wahlen im November hat die Regierung versprochen, es danach zu ratifizieren. Die neue Regierung will Dienstleister wie Airbnb, die sehr aktiv in der Westbank sind, davon ausnehmen. Außerdem ist eine neue Antisemitismusdefinition im Regierungsprogramm enthalten, die Kritik am Staat Israel mit Antisemitismus gleichsetzt.
Irland hat eine starke Palästina-Solidaritätsbewegung. Wie fiel die Reaktion auf die Verkündigung des Waffenstillstands in Gaza aus?
Die Menschen sind glücklich und erleichtert. Gegen den Genozid in Gaza sind sie über ein Jahr auf die Straße gegangen. In Irland gibt es eine neue Generation, die ihre Augen auf die Themen Besatzung, Apartheid, Genozid richtet. Ihr Aktivismus wird nicht mit dem Waffenstillstand enden. Auch wenn es jetzt wohl nicht mehr jeden Sonnabend Demonstrationen geben wird – die Unterdrückung geht weiter. Internationale Kampagnen sind wichtiger denn je.
Wieso ist die Solidarität mit Palästina in Irland so ausgeprägt?
Es ist die Standardposition in Irland, solidarisch mit Palästina zu sein. Das hat mit unserer eigenen Geschichte als kolonialisiertes Land zu tun, unserem Kampf gegen Imperialismus. Dadurch zeigen wir instinktive Solidarität mit allen, die unterdrückt werden. Auf diesem Nährboden haben Palästinaaktivisten, Sozialisten und Republikaner gute, intensive Arbeit über einen langen Zeitraum geleistet.
Deshalb muss auch die kommende, sehr rechte Regierung, nach außen hin so tun, als würden sie für die Rechte der Palästinenser sprechen. Daher mussten sie sich auch der Klage gegen Israel beim Internationalen Gerichtshof anschließen. Die Regierung tut dies nicht, weil sie progressiver als andere in Europa ist, sondern weil sie sich einem starken Druck der öffentlichen Meinung ausgesetzt sieht.
Paul Murphy ist im irischen Parlament Abgeordneter für Süddublin und Mitglied der ökosozialistischen Partei RISE
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