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Aus: Ausgabe vom 22.01.2025, Seite 8 / Inland
Kohlestandort NRW

»RWE verschiebt Grenzen und baggert weiter«

Prozess gegen »Mönch von Lützerath« beginnt. Verfahren gegen Polizisten eingestellt. Ein Gespräch mit Blanche Schwanke
Interview: Gitta Düperthal
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Tanzt leichtfüßig im Schlamm: Der »Mönch von Lützerath« (Erkelenz, 14.1.2023)

Vor zwei Jahren wurde das Protestcamp in Lützerath am Tagebau Garzweiler II geräumt. Im Zusammenhang mit den Protesten dagegen beginnt an diesem Mittwoch der Prozess gegen den mutmaßlichen »Mönch von Lützerath«, dessen Video um die Welt ging. Sie hatten ihn damals vor Ort kennengelernt. Was wissen Sie über seine Geschichte?

Bei der Verhandlung wird es um Geschehnisse auf der Großdemo vor Lützerath am 14. Januar 2023 gehen, als 35.000 Menschen gegen den Abriss des Dorfes und die Abbaggerung der Kohle darunter protestierten. Viele internationale Aktivistinnen und Aktivisten waren da. Der vermeintliche »Mönch von Lützerath« war einer von ihnen. Sein Ziel war, zu erreichen, dass lokal vor Ort die Umwelt nicht weiter zerstört und global eine bessere Klimapolitik eingehalten wird. Er soll aus Frankreich stammen. Vorgeworfen wird ihm tätlicher Angriff gegen Vollstreckungsbeamte. Wobei nicht vergessen werden darf: Während der Räumung hat es massive Polizeigewalt gegen den Widerstand gegeben. Auf damals veröffentlichten Videos sieht man, wie ein mit Mönchskutte bekleideter Aktivist den Beamten symbolisch ein Schild vorhält, während die im Schlamm hinfallen. Dieses hatte zuvor ein anderer Aktivist getragen, der von Polizisten verletzt wurde. Fragt sich: Von wem ging hier eigentlich die Gewalt aus?

Wenn man die Videos ansieht, verwundert, warum die Polizisten im Matsch ausrutschen, während es dem »Mönch« gelingt, auf den Füßen zu bleiben.

Das ist ein Rätsel. Vielleicht ist es so zu erklären: Im Gegensatz zu den Polizisten blieb er ständig in Bewegung. Zudem wurden die Beamten wohl durch ihre Polizeimontur und die schweren Stiefel eingeschränkt.

Welche Folgen sind Ihnen im Zusammenhang mit den Protesten bekannt, und wie bewerten Sie diese?

Fotos und Videos zeigen: Nach systematischer brutaler Polizeigewalt gab es zahlreiche verletzte Demonstrierende; insbesondere mit Kopfverletzungen. Die Strafverfolgung trifft aber nur Umweltschützer und Klimaaktivisten. Verfahren gegen Polizeibeamte wurden eingestellt.

Der hart erkämpfte Kohleausstieg 2030 im rheinischen Kohlerevier steht auf der Kippe. Wie ist die aktuelle Lage?

Nahegelegene Orte sind weiterhin durch die Zerstörung infolge des Kohleabbaus bedroht. Im Fall von Keyenberg bei Garzweiler II, einem Ort, der als sicher galt, soll 2026 erneut geprüft werden, ob die Kohle darunter etwa nicht doch benötigt wird. Anwohner leiden unter Lichtverschmutzung und Baggerlärm. Die Orte Berverath und Holzweiler gelten als gerettet. Doch auch den dort lebenden Menschen wird das Leben schwer gemacht. Man will sie offenbar zermürben. Vom Abbauplan sind sie nicht mehr betroffen, aber die Infrastruktur wird zerstört, Zugangsstraßen zu den Orten werden abgerissen. Von Neuaufbau und Wiederbeleben ist keine Rede. RWE verschiebt Grenzen und baggert weiter. Beim Tagebau Hambach bei Manheim geht die Zerstörung auch weiter.

Wie schätzen Sie den Kohleausstieg und die entsprechende Konzernpolitik ein?

Weitergehen soll es mit dem Kohleabbau bis 2030/2033. RWE hat sich CO2-Zertifikate bis 2030 gesichert. Danach müsse alles mit Hilfe von Steuergeld finanziert werden, heißt es.

Die CDU steht im Bundestagswahlkampf in Umfragen hoch im Kurs. Was erwarten Sie von einer möglichen Regierung Friedrich Merz im Bund und vom in NRW regierenden Ministerpräsidenten Hendrik Wüst?

Man geht dort weiter davon aus, dass der Kohlestandort NRW bestehen bleibt. Für das Vergrößern der Tagebaue wurden Windräder abgebaut. Wie soll so die Energiewende möglich werden? Die Grünen in NRW haben in der Koalition mit der CDU im Hinterzimmer schmutzige Deals ausgehandelt. Sie haben uns bitter enttäuscht; dafür gesorgt, dass die Konzerne profitieren und die Umwelt zerstört wird. Wir zählen nicht mehr auf Parteien. Wir bauen unsere Bewegung weiter aus, vernetzen uns überall in der Republik, wo Initiativen gegen das Zerstören unserer Lebensgrundlagen aktiv werden: gegen das Roden der Wälder, die Inkaufnahme von Wasserknappheit, die Zerstörung von Natur.

Blanche Schwanke war bei der Mahnwache in Lützerath aktiv

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