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Aus: Ausgabe vom 22.01.2025, Seite 15 / Antifaschismus
Gedenken in Österreich

Fortschritt durch Widerstand

Österreich: Gedenkakt für die Wiener Kommunistin und Antifaschistin Grete Jost. Von 1938 bis zu ihrer Hinrichtung 1941 kämpfte sie im Untergrund
Von Barbara Eder, Wien
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Unter der Gedenktafel versammeln sich Vertreterinnen des Bunds demokratischer Frauen Österreichs (Wien, 18.1.2025)

An der Fassade des Seiteneingangs in der Wiener Baumgasse Nummer 39–41 befindet sich eine Gedenktafel, die an die österreichische Widerstandskämpferin Grete Jost erinnert. Jost wuchs im dortigen Rabenhof in einer sozialdemokratischen Familie auf und engagierte sich früh: zuerst als Mitglied der sozialistischen Kinder- und Jugendorganisation »Kinderfreunde«, später in der Freien Gewerkschaft des Zentralvereins der kaufmännischen Angestellten. Nach den Februaraufständen 1934 schloss sich die junge Hilfsarbeiterin der im Mai 1933 verbotenen Kommunistischen Partei Österreichs (KPÖ) an, verteilte antifaschistische Schriften und baute den Kontakt zwischen unterschiedlichen KPÖ-Organisationen auf.

Ab 1938 war Grete Jost als Verbindungsperson aktiv, sammelte Spenden für verhaftete Genossinnen und Genossen sowie deren Familien und verbreitete die Rote Fahne. Entlang der Südbahnstrecke leitete sie Anweisungen der Parteiführung weiter und nahm Berichte über die illegalisierte Arbeit der kommunistischen Bezirksorganisationen entgegen. Am 8. Februar 1941 wurde sie verhaftet und im Untersuchungsgefängnis in der Schiffamtsgasse brutal verhört und gefoltert. Am 23. September 1941 erfolgte ihre Verurteilung wegen Hochverrates am Wiener Landesgericht, von Schergen der Nazijustiz wurde sie am 15. Januar 1943 guillotiniert. Grete Jost starb im Alter von nur 27 Jahren, ihre letzten Worte waren: »Es lebe die Freiheit!«

Am Sonnabend haben sich rund dreißig Menschen versammelt, um dem Vergessenwerden von Grete Jost an ihrer ehemaligen Wohnstätte entgegenzuwirken. Das Erinnerungskomitee brachte ein Blumenbouquet aus roten Nelken neben der Gedenktafel an. Susanne Empacher, KPÖ-Bezirksrätin in Wien-Landstraße, sprach einleitende Worte. Fanny Giessmann, die unter anderem Führungen im Museum Das Rote Wien im Waschsalon des Karl-Marx-Hofes gibt, hielt die Ansprache. Präsent waren unter anderem auch Vertreterinnen der antifaschistischen Frauenorganisation BDFÖ (Bund demokratischer Frauen Österreichs) mit einem violetten Transparent, darauf ein Zitat der Widerstandskämpferin und Frauenrechtlerin Irma Schwager: »Ohne Widerstand gibt es keinen Fortschritt.«

Giessmann erinnerte an das Leben Josts, das bis heute ein eindrucksvolles Beispiel für den entschlossenen Kampf gegen Faschismus und Kapitalismus sei. Jost und ihre Mitstreiterinnen erkannten, dass die Bedürfnisse der lohnabhängigen Massen in unmittelbarem »Widerspruch zu den Profitinteressen der wenigen« stehen. Sie setzte sich für eine demokratische und solidarische Gesellschaft ein, frei von Unterdrückung und Ausbeutung, in der Gerechtigkeit und Gleichheit herrschen sollten.

Angesichts der aktuellen Wahlerfolge der FPÖ –, die mit Herbert Kickl wohl den nächsten Kanzler stellen wird –, deren antisemitischer, rassistischer und frauenfeindlicher Politik sowie ihrer Nähe zu extrem rechten Bewegungen sei 82 Jahre nach Grete Josts Ermordung noch besondere Wachsamkeit geboten. Die FPÖ habe den politischen Diskurs so weit nach rechts verschoben, dass Aussagen, die früher deutlichen Widerstand hervorgerufen hätten, heute kaum noch hinterfragt würden. »Nicht Geflüchtete oder Migrant*innen sind für die Missstände verantwortlich, sondern das kapitalistische System selbst«, betonte Giessmann, Rassismus und Sexismus bezeichnete sie als dessen engste Verbündete.

KPÖ-Bezirksrätin Empacher hob die entscheidende Rolle von Frauen im antifaschistischen Widerstand hervor. Sie waren demnach nicht »Spielball der Entwicklungen«, sondern politische Subjekte einer Geschichte, die keineswegs musealisiert werden dürfe. Empbacher rief zum feministischen Kampf für die Sicherung der Grundrechte und eine solidarische Gesellschaft auf. »Frauen leisten vieles für Solidarität und den Zusammenhalt, auch hier in dieser Stadt«, erklärte sie. Abschließend übergab sie das Wort an Lisa Steininger von der Lagergemeinschaft Ravensbrück und den autonomen Frauen des Wiener Kommunikationszentrums für Frauen, Lesben, Migrantinnen, Mädchen, kurz FZ.

Antifaschistisches Gedenken sei bis heute eine der wichtigsten Grundlagen für den Widerstand in der Gegenwart, sagte Steininger: »Erinnern heißt kämpfen.« Sie verwies auf die Notwendigkeit, den Beitrag von Frauen innerhalb der Widerstandsgeschichte sichtbar zu machen. Er werde zu Unrecht oft als bloße Unterstützung abgetan.

Steininger warnte vor dem weltweiten Erstarken der politischen Rechten – etwa in den USA, Ungarn und Österreich. Bündnisse von Wirtschaftsverbänden und rechten Parteien, wie etwa der FPÖ, untergraben ihr zufolge derzeit den Anspruch auf soziale Gerechtigkeit. Sie kritisierte die Remilitarisierung der Politik, die Aufrüstung und die Verknüpfung von hegemonialen Männlichkeitsbildern mit staatlicher Sicherheitspolitik. Gewalt gegen Frauen und die Propaganda gegen Geflüchtete seien Ausdruck patriarchaler Strukturen.

Steininger rief schließlich zum Widerstand gegen Krieg, Aufrüstung, Rassismus und Sexismus auf: »Bekämpft seine Ursachen, das Patriarchat und das Kapital.« Das Schlusswort zur Veranstaltung lag bei ihr: »No pasarán!«. Abschließend stimmte der »Chor der Sozialistischen Jugend Landstraße« mit Gitarrenbegleitung das Lied »Die Arbeiter*innen von Wien« an.

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