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Aus: Ausgabe vom 24.01.2025, Seite 14 / Medien
BDZV und MVFP

Verleger zünden Nebelkerze

Neue Kooperation der großen Verbände: Sorge um journalistische Standards wird nur fürs Schaufenster bemüht
Von Kristian Stemmler
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Kein neuer Verband entsteht, aber MVFP und BDZV arbeiten künftig zusammen

Wenn bürgerliche Verleger von der Verteidigung der Pressefreiheit und journalistischen Standards sprechen, sollten Mediennutzer hellhörig werden. Meistens geht es statt dessen ums Geschäft und die Verdrängung unliebsamer Konkurrenz. Das dürfte letztlich auch der Hintergrund einer engen Kooperation sein, die die beiden großen Verlegerverbände der Bundesrepublik vereinbart haben. In einer gemeinsamen Mitteilung verkündeten der Bundesverband Digitalpublisher und Zeitungsverleger (BDZV) und der Medienverband der freien Presse (MVFP) am Montag den offiziellen Start ihrer Initiative »Bündnis Zukunft Presse«. Ende November 2024 war bereits publik geworden, dass die Verbände enger zusammenarbeiten wollen. Die jetzt gestartete Initiative bündelt, so die Mitteilung, »erstmals die strategische und medienpolitische Arbeit der beiden Verbände unter einem gemeinsamen Dach«.

In dem Bündnis, das »kein neuer Verband oder Ergebnis einer Fusion« sein will, vereine man über 500 Verlage und Tausende von Medienkanälen, für die zwei Drittel der in der BRD festangestellten Redakteure arbeiteten. Der BDZV – bis 2019 Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger – vertritt als Spitzenorganisation die Interessen der deutschen Zeitungsverlage und »digitalen Publisher«. Der MVFP wiederum ist der Bundesverband der Zeitschriftenverleger, zu dem etwa die Großverlage Bauer sowie Gruner und Jahr gehören. Er übernahm mit seiner Gründung 2022 die Funktion des Verbands Deutscher Zeitschriftenverleger.

Das Ziel der Kooperation wird in der Mitteilung mit hehren Worten umschrieben. Man wolle die Politik »auf die Bedeutung der freien Presse für die freie Meinungsbildung in einer pluralistischen Demokratie« hinweisen. Die »freie Presse« sei schließlich »Fundament und Infrastruktur unserer pluralistischen Demokratie, weil sie durch verlässliche Information überhaupt erst eine wirklich freie Meinungsbildung garantiert«. Philipp Welte, MVFP-Vorstandsvorsitzender und einer der beiden Sprecher des Bündnisses, erklärte, für Verlage werde es immer schwerer, »hochwertigen Journalismus« marktwirtschaftlich zu finanzieren.

Angesichts der Kürzungen und des Personalabbaus in vielen deutschen Redaktionen drängt sich allerdings der Eindruck auf, dass der Verweis auf journalistische Standards vorgeschoben ist und die Verlage eher um ihre Gewinnmargen bangen. So fordert das Bündnis einen »Belastungsstopp« für die Verlage, etwa die Senkung der Mehrwertsteuer für Presseprodukte von derzeit sieben auf null Prozent. Verzichten solle die Politik auch auf Maßnahmen wie Werbeverbote oder Einschränkungen des Telefonmarketings, die die »Voraussetzungen freier, privater Presse« bedrohten.

Auch sonst werden altbekannte Forderungen formuliert. Die Verlage verlangen klare Regeln für künstliche Intelligenz und strikte Grenzen für die Macht globaler Internetplattformen wie Google, Amazon und Meta. Den durch Rundfunkbeiträge finanzierten Medien ARD und ZDF wirft das Bündnis »unerlaubten Wettbewerb« vor und fordert, dass der öffentlich-rechtliche Rundfunk auf seinen Grundauftrag beschränkt wird.

Dass die Sorge der Verleger um journalistische Standards nicht so ausgeprägt sein kann, zeigt sich immer wieder bei Tarifverhandlungen, so aktuell bei der Süddeutschen Zeitung (SZ). Dort haben die Redakteure aller Standorte am Dienstag und Mittwoch die Arbeit niedergelegt, nachdem der BDZV ein nach Ansicht der Gewerkschaften unzureichendes Angebot vorgelegt hat. Sie fordern eine Tariferhöhung von zwölf Prozent bei einer Laufzeit von einem Jahr rückwirkend zum 1. Mai 2024. Das erste Angebot der Verleger sieht dagegen eine dreistufige Erhöhung vor: 120 Euro ab Januar 2025, 1,5 Prozent ab August 2026 und 1,0 Prozent 2027 bei einer Laufzeit bis Ende 2027. Die Verleger gefährdeten mit ihrer Haltung »die Demokratie, weil man es sich schlicht und einfach nicht mehr leisten kann, als Journalistin oder Journalist zu arbeiten«, erklärte Martin Mühlfenzl, Sprecher der Verdi-Betriebsgruppe der SZ, laut Mitteilung am Montag. So werden die Argumente der Verleger zum Bumerang.

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