Deep Fail
Von Daniel BratanovicDas vom chinesischen Unternehmen Deep Seek ausgelöste Beben rüttelt die Welt auf mindestens zwei – freilich nicht voneinander zu trennenden – Ebenen gründlich durch. Erstens auf ökonomischer oder finanzindustrieller, zweitens auf politischer, vielmehr geopolitischer Ebene.
Dass in Europa und den USA an einem einzigen Tag rund eine Billion US-Dollar an Marktkapitalisierung vernichtet wurden, allein knapp 600 Milliarden US-Dollar beim Chiphersteller Nvidia, ist ein deutliches Anzeichen von Panik. Eine solche Reaktion zeigt, dass eine riesige Gewinne verheißende Zukunftserwartung jäh enttäuscht worden sein könnte. Nach Anlage suchendes Kapital floss, ausgelöst vom Hype um künstliche Intelligenz (KI), in gigantischen Ausmaßen in Aktien von Techunternehmen. Die Entwicklungen der KI versprechen den Beginn einer weiteren industriell-technologischen Revolution. Industrie und Forschung erhielten, so geht die Erzählung, ungeahnte Entwicklungsmöglichkeiten. Das wäre der neutrale Standpunkt der Produktivkraftentwicklung. Was davon unter den Bedingungen kapitalistischer Produktionsverhältnisse zu halten ist und was das für die Klasse der Lohnabhängigen bedeutet, steht auf einem anderen Blatt. Zu befürchten ist deren endgültige und vollständige Unterwerfung unter das Diktat des Kapitals. Von dessen Standpunkt wiederum geht es lediglich um die Profitpotentiale der nächsten Zeit.
KI verlangt spezialisierte Hochleistungschips, die wiederum besonders viel Energie benötigen. Die entsprechenden Unternehmer und Börsenspekulanten setzen also auf höchste Nachfrage und daraus abgeleitete Gewinne. Wenn jetzt ein chinesisches Unternehmen mit seiner KI unter Beweis stellt, dass für annähernd die gleichen Ergebnisse, wie Chat-GPT sie liefert, wesentlich geringere Entwicklungskosten und wesentlich weniger Rechenleistung und damit auch weniger Energie benötigt werden, dürfte das die Gewinnkalkulation, wie sie sich in Höchstkursen bei Nvidia ausgedrückt hat, über den Haufen werfen.
Der Umstand, dass ein chinesisches Unternehmen seine ebenbürtige KI auf der Grundlage schwächerer Chips baut, verweist auf die geopolitische Ebene. Denn nach Maßgabe der USA sollte ein solcher Erfolg gar nicht möglich sein. Systematisch wurde die Volksrepublik am Bezug der am weitesten entwickelten Halbleitertechnologie gehindert, um eine gefürchtete Technologieführerschaft Chinas, wenn nicht zu verhindern, so doch zumindest aufzuhalten. Auch dieses Kalkül scheint obsolet.
Dabei geht es um mehr als bloß die Profite von morgen. Auf wessen Territorium sich die Zukunftsbranche erfolgreich und überwiegend ansiedelt, entscheidet auch über künftigen Reichtum und künftige Macht des jeweiligen Staates. Der Deep-Seek-Schock lässt die Silicon-Valley-Unternehmen und die US-Regierung, zusammengefasst in einem sich andeutenden staatsmonopolistischen Komplex, mit ihren neuesten KI-Modellen und Chips einstweilen alt aussehen.
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