Gegründet 1947 Freitag, 31. Januar 2025, Nr. 26
Die junge Welt wird von 3005 GenossInnen herausgegeben
Aus: Ausgabe vom 30.01.2025, Seite 15 / Betrieb & Gewerkschaft
Zwickau

Rechte Betriebsräte bei VW

IG Metall lässt bei Betriebsratswahlen Federn, verteidigt aber deutliche Mehrheit. Rechte Liste erstarkt
Von Max Ongsiek
15.jpg
Stellenabbau: Trotz Arbeitskampf wird die Autoproduktion im VW-Werk Zwickau zusammengestrichen (Warnstreik vor dem Werksgelände, 2.2.2024)

Mit viel Tamtam baute der Volkswagen-Konzern sein Automobilwerk in Zwickau bis 2022 zum Vorzeigebetrieb in Sachen Elektrofertigung aus. Seitdem die deutsche Automobilindustrie aber in der Krise steckt, durch hohe Kosten und Überkapazitäten, ist auch die Zukunft der sächsischen Elektroautofabrik ungewiss. Geplant war der Bau von 360.000 Autos pro Jahr. Jetzt verlassen 120.000 Wagen weniger als anvisiert das Werk, die Produktion stagniert. Zwar verhinderten die Tarifverhandlungen zwischen IG Metall und VW Ende 2024 Werksschließungen, brachten aber starke Stellenkürzungen auf den Weg. Am Donnerstag fanden im angeschlagenen Zwickauer Volkswagen-Werk Betriebsratswahlen statt. Nach Angaben der Industriegewerkschaft Metall (IG Metall) entfielen 88,5 Prozent der abgegebenen Stimmen auf die Liste der IG Metall, so dass diese eine Mehrheit von 33 der 37 Mandaten erzielte. Die Wahlbeteiligung lag dabei mit knapp 70 Prozent über der von 2022, so die Gewerkschaft. Thomas Knabel, Erster Bevollmächtigter der IG Metall Zwickau, bezeichnete das Wahlergebnis in einer Pressemitteilung als eindeutigen Erfolg. Obwohl das Bündnis freier Betriebsräte (BfB) um den AfD-Lokalpolitiker Jörg Reichenbach seine Mandate von zwei auf vier verdoppeln konnte. Dessen Alternativliste war mit acht Kandidaten angetreten.

Der Betriebsratswahl ging ein Rechtsstreit voraus. Denn die rechte Liste BfB hatte nach der letzten Wahl der Beschäftigtenvertretung 2022 geklagt, deren Rechtmäßigkeit in Frage gestellt und den korrekten Ablauf des Wahlprozesses angezweifelt. Das Arbeitsgericht Zwickau und das Landesarbeitsgericht Sachsen gaben den klagenden Betriebsräten recht. Laut Landesarbeitsgericht soll gegen wesentliche Vorschriften des Wahlverfahrens verstoßen worden sein, so dass die Betriebsratswahl zwar unwirksam, aber nicht nichtig sei. Die Richter machten klar, gefasste Beschlüsse des Betriebsrates behalten ihre Gültigkeit. Mittlerweile liegt der Rechtsstreit beim Arbeitsgericht. Um den Rechten das Wasser abzugraben, trat der Betriebsrat im Oktober 2024 zurück, um Neuwahlen zu ermöglichen. Denn sollte das Bundesarbeitsgericht die Wahl für ungültig erklären, stünde das Zwickauer Werk nach Inkrafttreten des Urteils erst einmal ohne Betriebsrat da, so eine Betriebsinformation der Gewerkschaft an die Belegschaft.

Das BfB gehört zur »Gewerkschaft« Zentrum, einer rechten Pseudogewerkschaft, die als Verein organisiert und seit 2017 im VW-Werk vertreten ist. Laut ND-Recherche von 2024 strebt die Betriebsratsgruppe um Lars Bochmann, AfD-Stadtrat in Aue, und Jörg Reichenbach, ehemaliger AfD-Parteivorstand in Zwickau, deswegen in verantwortungsvolle Positionen wie die der Betriebsräte, um so rechtes Gedankengut außerhalb der Parlamente salonfähig zu machen. Damit sind sie mit dem AfD-Hardliner Björn Höcke auf einer Linie, der davon schwadronierte, dass »politische Hegemonie« auf »kultureller Hegemonie« fuße. Da »kulturelle Hegemonie« aber »niemals über den parlamentarischen Weg« zu erreichen sei, bräuchte man das »Vorfeld«, so Höcke in einer Rede 2022 beim Bundesparteitag in Riesa. Allerdings, so resümierte IG-Metall-Vertrauensfrau Christiane Wüstner gegenüber ND, sei das Zentrum mit inhaltlicher Betriebsratsarbeit noch gar nicht aufgefallen. Sie erinnere sich »nur an ein einziges Mal, bei dem Lars Bochmann sein Wort ergriffen hat.« Statt dessen bevorzuge Zentrum den Weg vor das Gericht, wie der Geschäftsführer der IG Metall in Zwickau, Thomas Knabel erklärte: »Sie klagen permanent gegen Formalitäten.« Die Strategie ziele darauf ab, die Integrität der IG Metall kaputtzumachen, sagte der Gewerkschafter ND. Zu den erhobenen Vorwürfen äußerte sich Jörg Reichenbach gegenüber jW in der gesetzten Frist nicht.

Zwar betont Gewerkschafter Knabel in der Pressemitteilung der IG Metall zu den abgehaltenen Betriebsratswahlen: »Die Beschäftigten wissen genau, wer sich für ihre Interessen stark macht und dass sich die Herausforderungen nur gemeinsam und geschlossen bewältigen lassen.« Aber was nützt die »Geschlossenheit der Belegschaft«, wenn VW sein Werk in Zwickau langsam ausbluten lässt? Diese Frage hätte Thomas Knabel im jW-Gespräch beantworten können, doch für ein Interview stand der IG Metaller leider nicht zur Verfügung. Was aber klar ist: Zwickau wird ab 2027 nur noch auf einer Linie im Zweischichtbetrieb produzieren. Bis Ende 2024 sollen bereits 1.000 Beschäftigte entlassen worden sein.

Solidarität jetzt!

Das Verwaltungsgericht Berlin hat entschieden und die Klage des Verlags 8. Mai abgewiesen. Die Bundesregierung darf die Tageszeitung junge Welt in ihren jährlichen Verfassungsschutzberichten erwähnen und beobachten. Nun muss eine höhere Instanz entscheiden.

In unseren Augen ist das Urteil eine Einschränkung der Meinungs- und Pressefreiheit in der Bundesrepublik. Aber auch umgekehrt wird Bürgerinnen und Bürgern erschwert, sich aus verschiedenen Quellen frei zu informieren.

Genau das aber ist unser Ziel: Aufklärung mit gut gemachtem Journalismus. Sie können das unterstützen. Darum: junge Welt abonnieren für die Pressefreiheit!

Ähnliche:

  • Jeder Standort hat Bedeutung für die gesamte Region, stellten VW...
    01.11.2024

    IG Metall will hart bleiben

    Der Volkswagenkonzern droht mit Werkschließungen und fordert Lohnverzicht. Die Gewerkschaft verlangt Beitrag von Topmanagement und Aktionären
  • Bis Freitag haben die rund 67.000 Beschäftigten Zeit abzustimmen
    15.03.2022

    Krach bei VW

    BR-Wahlen beim Autobauer: IG Metall bekommt Konkurrenz von oppositionellen Gewerkschaftern

Regio:

Mehr aus: Betrieb & Gewerkschaft