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Aus: Ausgabe vom 01.02.2025, Seite 2 / Inland
US-Mittelstreckenraketen

»Diese Waffen werden kaum thematisiert«

Friedenskampagne will im Wahlkampf über NATO-Pläne zur Stationierung von Mittelstreckenraketen aufklären. Ein Gespräch mit Juliane Hauschulz
Interview: Kristian Stemmler
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Ja zum Nein

In einem offenen Brief hat sich die Kampagne »Friedensfähig statt erstschlagfähig« gegen die für 2026 geplante Stationierung von US-Mittelstreckenwaffen in Deutschland gewandt. Was steckt dahinter?

Die Ankündigung Deutschlands und der USA, weitreichende Waffensysteme in Deutschland stationieren zu wollen, hat viele Menschen verunsichert. Deshalb haben wir im Herbst die Kampagne »Friedensfähig statt erstschlagfähig: Für ein Europa ohne Mittelstreckenwaffen!« gestartet. Sie wird inzwischen von knapp 50 Friedensorganisationen getragen und soll informieren, auf Risiken hinweisen und die ausbleibende Debatte einfordern.

Der Brief richtet sich an die Kandidierenden der Bundestagswahl. Soll das Thema im Wahlkampf Aufmerksamkeit bekommen?

Ja, denn im Wahlkampf werden die Mittelstreckenwaffen bislang kaum thematisiert, und das wollen wir ändern. Darüber hinaus soll der offene Brief eine breitere Diskussion über die Risiken der Stationierung anstoßen. Wir wollen zeigen, dass es Kritik gibt, die von den Abgeordneten des neuen Bundestages ernst genommen und debattiert werden muss.

Die sogenannte Nachrüstung in den 1980ern brachte Millionen Menschen auf die Straße. Über die geplante Stationierung der US-Raketen wird dagegen kaum diskutiert.

Wir nehmen wahr, dass die drohende Stationierung durchaus sehr viele Menschen beschäftigt. Unsere Arbeit bekommt viel positive Resonanz, in Umfragen spricht sich die Mehrheit der Deutschen gegen die Waffen aus. Allerdings fordert die weltpolitische Lage unsere Aufmerksamkeit gerade an vielen Stellen – und was gern vergessen wird: Vom NATO-Doppelbeschluss bis zur großen Hofgarten-Demo vergingen damals auch fast zwei Jahre.

In Ihrem Brief weisen Sie darauf hin, dass die Waffen, die stationiert werden sollen, Teil einer Strategie der USA sind, jeden Ort der Welt angreifen zu können. Was sind das für Waffen?

Es handelt sich um drei Waffensysteme: Zunächst Standard Missiles 6 und landgestützte Marschflugkörper des Typs »Tomahawk«, die 1.600 bis 2.500 Kilometer weit reichen. Hinzukommen sollen Hyperschallraketen, die das größte Eskalationspotential haben, da sie in kürzester Zeit Ziele in bis zu 3.000 Kilometer Entfernung zerstören können. All diese Waffen sind Teil der sogenannten »Multi-Domain Taskforce« des US-Militärs in Wiesbaden – eine von weltweit fünf, die zusammen den größten Teil der Erde erreichen können.

Was bedeutet das mit Blick auf Russland? Mit welchen Folgen der Stationierung rechnen Sie?

Die Waffen können in Minuten fast den ganzen europäischen Teil Russlands erreichen, inklusive Moskau. Sie stellen aus russischer Sicht eine Bedrohung dar. Entsprechend reagierte Russland mit der Ankündigung, das eigene Arsenal an Mittelstreckenraketen aufzurüsten. Damit wird das aktuelle Wettrüsten weitergetrieben, Europa wird unsicherer und das alles ohne großen militärischen Mehrwert – denn die NATO besitzt bereits vergleichbare Waffensysteme, die jedoch nicht an Land, sondern etwa auf U-Booten stationiert sind.

Der Brief weist auch auf die Erfolge von Rüstungskontrollverträgen wie dem 2019 von der USA unter Trump gekündigten INF-Vertrag hin. Wie kann die Aufrüstungsspirale durchbrochen werden?

Nicht nur wir Friedensorganisationen sind besorgt. Der offene Brief zeigt, dass gerade auch in den Wissenschaften die Sorge besteht, dass das Risiko der Stationierung nicht gesehen und Rüstungskontrolle nicht ernst genug verfolgt wird. Die Ankündigung nicht mit einem Gesprächsangebot zur multilateralen Abrüstung von Mittelstreckenraketen zu verbinden, war ein Fehler. Dieser muss von der nächsten Bundesregierung korrigiert werden.

Hat der zweite Amtsantritt von Donald Trump als US-Präsident die Chance für ein solches Vorgehen nicht eher verschlechtert?

Der Wahlkampf von Donald Trump war nicht nur in dieser Hinsicht ernüchternd. Nun hat Trump jedoch in Davos davon gesprochen, Gespräche zur nuklearen Abrüstung mit Russland und China führen zu wollen. Aus seiner ersten Amtszeit wissen wir, wie unberechenbar er sich verhält. Das könnte fatale Folgen für uns alle haben – oder zu einem neuen »Deal« in der Rüstungskontrolle führen.

Juliane Hauschulz ist im Vorstand von ICAN (Internationale Kampagne zur Abschaffung von Atomwaffen)

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