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Aus: Ausgabe vom 01.02.2025, Seite 8 / Abgeschrieben

Medico International: Migrationspolitik wird zum Einfallstor eines autoritären Staatsumbaus

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Kundgebung »Brandmauer statt Brandstifter« vor der CDU-Bundesgeschäftsstelle (Berlin, 29.1.2025)

Die Hilfs- und Menschenrechtsorganisation Medico International sieht Angriffe auf die Rechte von Flüchtlingen und Migranten als Einfallstor für einen autoritären Staatsumbau

Wir erleben nicht weniger als eine Abkehr von zentralen Lehren aus dem Nationalsozialismus, einen Frontalangriff auf die Grundrechte, die Menschenwürde und auch europäisches Recht. Asylrecht und Genfer Flüchtlingskonvention wurden geschaffen, damit Greuel, wie sie von Deutschen begangen wurden, nie wieder geschehen. (…)

Doch davon will offenbar eine Mehrheit des Bundestages nichts mehr wissen – und die Konsequenzen sind dramatisch: Es geht nicht nur um die Brandmauer gegen rechts. Die migrationsfeindliche Politik, die zur Aushöhlung des Rechtsstaats führt, wird von den Parteien der Mitte selbst getragen. Die Migrationspolitik wird zum Einfallstor eines autoritären Staatsumbaus. Die Migrationsgesellschaft, deren Teil wir alle sind, wird direkt bedroht. Dagegen sagen wir: Nicht die plurale Gesellschaft ist der Feind, und dieser steht auch nicht an den deutschen Grenzen, um hier Asyl zu suchen. Die Gefahr für Menschenrechte und Demokratie kommt von rechts.

Jetzt ist der Moment, an der Seite derer zu stehen, deren Rechte seit Jahren systematisch ausgehöhlt werden: Menschen auf der Flucht.

Der Bundesarbeitsausschuss der Initiativen gegen Berufsverbote und für die Verteidigung der demokratischen Grundrechte ruft zur Solidarität mit der vom Berufsverbot bedrohten Klimaaktivistin Lisa Poettinger auf:

»Wir sind entsetzt über die Nachricht, dass Lisa Poettinger in München das Referendariat für den Schuldienst mit skandalösen Begründungen verweigert wird! Es geht dabei einzig und allein um die Wahrnehmung ihrer demokratischen Rechte. Deshalb werden wir bundesweite Solidarität organisieren, so gut wir das können«, kündigt Werner Siebler, einer der Sprecher des Bundesarbeitsausschusses der Initiativen gegen Berufsverbote und für die Verteidigung der demokratischen Grundrechte, an. (…)

Das bayerische Staatsministerium für Unterricht und Kultus versagt der Klimaaktivistin Lisa Poettinger die Zulassung zum Vorbereitungsdienst für das Lehramt (Referendariat), was faktisch einem Ausbildungs- und Berufsverbot gleichkommt. Nach jahrelangem Studium und einigen Zusatzqualifikationen soll Lisa nicht lehren dürfen. Wir sind schockiert und fordern die sofortige Rücknahme dieser Entscheidung! (…)

Die Deutsche Kommunistische Partei ruft zur Solidarität mit den Kommunisten Syriens auf:

Die Dschihadistenregierung in Syrien, die im Dezember 2024 gewaltsam mit westlicher Unterstützung die Macht ergriffen hat, setzte am 29. Januar die Verfassung außer Kraft. (…) Zudem lösten die Dschihadisten nicht nur die frühere Regierungspartei, die Baath-Partei, auf, sondern auch eine Reihe anderer Parteien, darunter die Syrische Kommunistische Partei und die Syrische Kommunistische Partei (vereinigt) sowie weitere sozialistisch und antiimperialistisch orientierte Parteien. (…)

Die Deutsche Kommunistische Partei verurteilt diese Verbote und steht solidarisch an der Seite der Kommunistinnen und Kommunisten Syriens. Diese Maßnahme ist der Versuch, Kräfte auszuschalten, die immer entschieden für die Verteidigung der Rechte der Volksmassen und für die Souveränität des Landes eingetreten sind. (…)

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  • Leserbrief von Roland Winkler aus Aue (4. Februar 2025 um 14:31 Uhr)
    Es ist nicht lange her, als zum »autoritären Staatsumbau« selbst in unseren Reihen einiges Unverständnis bestand. Die Politik des »Rechtsstaates« mit der Verkündung der Zeitenwende bis Migration, Asyl, Flüchtlingspolitik zum geeigneten Feind- und Stimmungsbild für das Volk brauchte es nicht mehr viel. Wen wundert es, wo das Thema von verlogener, heuchlerischer bürgerlicher Demokratie von allen sich demokratisch nennenden Parteien schließlich seit vielen Jahren zugerichtet und zugelassen wurde. Eine AfD und rechtslastige Kräfte im Bürgerblock haben doch nur anderen das Feigenblatt gereicht, alles scheindemokratische und antifaschistische aktionistische Gehabe darunter verborgen. »Uns soll wohl nur noch die Wahl zwischen den bürgerlichen Parteien mit ihren Kapital und Kriegsgelüsten bleiben«, schrieben R. Brete, M. Schwander, D. Lehmann aus Chemnitz vor einiger Zeit per Leserbrief an jW. Ist das Wesen bürgerlicher Demokratie jemals ein anderes gewesen, hat sich nur in Erscheinungsformen unterschieden unter jeweiligen Kräfteverhältnissen? Den »Linken ihre Begriffe aus der Hand zu schlagen«; träumen die reaktionären Demokraten der bürgerlichen Demokratie nicht schon immer davon und sehen sich in Gegenwart am Ziel des Bestrebens?
    Nicht nur die Begriffe haben sie vereinahmt, genommen, umdefiniert, verfälscht, ideologisch in ihrem Interesse benutzt und mehr. Zerschlagenes Klassenbewusstsein, Interessen der arbeitenden Bevölkerung preisgegeben, mit dem Kapital in Solidargemeinschaft, Solidarität der Klasse, Einheit der Gewerkschaften, Zerschlagung der Friedensbewegung, sie umzufunktionieren in eine Kriegsbewegung unter imperialistische Ziele, ist alles das etwa nicht schon reichlich gelungen und auf bestem Wege? Wann gab es eine derartige Begriffsverwirrung, Orientierungslosigkeit, Werteverfall, um das beliebte Wort mal zu verwenden? Wo haben wir noch den Kompass in unseren Händen, der uns Sicherheit, Überzeugung, politische Richtung links und rechts unterscheiden lässt? Seien wir ehrlich, darüber müssen wir uns nicht beim politischen Gegner beschweren. Haben wir nicht selbst mehr als genug dazu getan, es dem Feind des werktätigen Volkes allzu leicht gemacht und tun es bis heute noch, indem wir nicht zu unseren gemeinsamen Grundpositionen zurückfinden, uns selbst spalten, auseinanderreißen lassen von unseren Gegnern oder auch scheinbar politisch Gleichgesinnten, die anders im Sinn haben, die nie ein theoretisch linkes Verständnis hatten. In einem solchen Kräftezerwürfnis befinden wir uns, spüren es täglich schmerzhaft. Wie bringen wir wieder Ordnung in unsere Begriffe? Uns vor allem wieder der Geschichte, dem Klassenstandpunkt, der Theorie bewusst werden. Die Menschenrechtsmasken sind längst gefallen. Welche »Demokraten« lassen sich von bürgerlichen Parteien benutzen und auf die Straßen treiben? Mehrheitsdemokratisch kann deutsche Kriegstreiberei nicht sein. Kann ein Friedensbekenntnis der AfD glaubhaft sein? Wie glaubhaft kann bürgerlicher Antifaschismus sein, wie verlogen der Kampf gegen Antisemitismus, der vom Bürgerblock geheuchelt werden? »Wir dürfen auf gar keinen Fall irgend etwas mit Leuten tun, die mit dieser Gesellschaftsordnung nichts zu tun haben« ist von einem CDU-Politiker gegen die AfDzu hören. Welche andere Gesellschaftsordnung ist von der AfD zu erwarten? Wir haben einiges wieder richtigzustellen in linker Politik.

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