»Da verschmelzen Markt- und Meinungsmacht«
Interview: Niki UhlmannSie waren für Lobbycontrol in Davos, als dort Ende Januar das Weltwirtschaftsforum, WEF, tagte. Wie haben Sie den Ort wahrgenommen?
Davos wird von Konzernen übernommen. Dicke Autos der Bosse und Politiker stauen sich. Sämtliche Geschäfte, bis hin zur Dönerbude, werden an Unternehmen vermietet. Zudem sind 5.000 Schweizer Soldaten im Einsatz. Das kostet viel Geld und wird kritisiert. Es wirkt wie eine kurzzeitige Besatzung durch Konzerne. Davon sind die Davoser genervt. »Warum macht ihr das nicht in Zürich?« fragen sie.
Warum trifft sich das WEF?
Das WEF selbst gibt an, es wolle die Welt verbessern. Die Agenda des Forums wird aber von den Konzernen bestimmt. Ein zentrales Thema war wie im Vorjahr künstliche Intelligenz, für das WEF eine Projektionsfläche, angeblich die Lösung für alle Probleme. Abseits des Forums, in den Hotels und Tagungsorten, finden Businessdeals und Diskussionen mit politischen Entscheidungsträgern statt.
Das WEF wird von einer Stiftung getragen. Welche Rolle spielt diese?
Grundsätzlich ist es so, dass die Stiftung das Geld der Partner nimmt und das Forum finanziert. Partner mit besonders hohen Beiträgen können besonders viel mitgestalten. Mittlerweile ist das WEF nicht mehr nur dieses Treffen in Davos, sondern eine weltweite Veranstaltungsreihe. Und die Stiftung ist dauerhaft umtriebig. Sie veröffentlicht Studien, die breit zitiert werden, bei denen aber immer Konzerne den Ton angeben. Als Organisation verstärkt das WEF so den ohnehin schon privilegierten Zugang von Konzernen zur Politik. Als Geschäftsmodell ist dieses Lobbyforum absolut zweifelhaft.
Sie haben Mitte Januar eine Studie über besonders mächtige Techkonzerne veröffentlicht. Zu welchen Ergebnissen sind Sie gekommen?
Google, Amazon, Meta, Microsoft und Apple, kurz GAMMA, gehören zu den mächtigsten Konzernen der Welt. Das schlägt sich in ihrer Marktkapitalisierung, vor allem aber in ihrer Marktmacht nieder. Sie dominieren den Markt in ihren Kerngeschäftsbereichen, Amazon den Onlinehandel, Google die Internetsuche, Meta den Werbemarkt der sozialen Medien. Das sind Monopole. Hinter diesen Monopolen stehen einflussreiche Techoligarchen.
Sind diese Techmonopole gefährlicher als andere?
Zentrale Teile unserer digitalen Infrastruktur sind in der Hand von Techoligarchen, die diese Abhängigkeit ausnutzen können. Die Cloud-Dienste in Europa dominieren Google, Amazon und Microsoft. Alle Dax-Unternehmen sind bei Amazon. Das ist nur eine problematische Abhängigkeit. Solche Marktmacht hat es natürlich schon immer gegeben. Diese Monopole gehen aber über Infrastruktur hinaus und werfen etwa durch soziale Medien Fragen von Demokratie und Öffentlichkeit auf. Es ist ein qualitativer Unterschied, ob man eine Social-Media-Plattform beherrscht oder eine Zeitung. Soziale Medien ermöglichen eine neue Dimension von Einflussnahme. Da verschmelzen Markt- und Meinungsmacht.
Was für Folgen hat das?
Die Plattform X ist das aktuelle Paradebeispiel. Der Algorithmus verzerrt vollkommen die kommunikative Verteilungsmacht. Mit der Position derjenigen, die auf X aktiv sind, hat das nichts mehr zu tun. Diese Konzentration von Meinungsmacht allein gefährdet die Demokratie. Elon Musk zeigt, wozu das führen kann. Er kauft als Techmilliardär eine Plattform und verstärkt mit dieser seine rechten Ansichten. Spätestens bei seiner Einmischung in den Wahlkampf wird das brandgefährlich.
Wie kann die Macht solcher Unternehmen reduziert werden?
Drei Maßnahmen sind zentral. Wir brauchen vor allem einen Parteispendendeckel, der vor Einflussnahme durch Geldzahlungen schützt. Zudem müssen ressourcenschwache Interessen mehr Gehör finden. Dafür braucht es einen institutionellen Rahmen. Drittens muss die EU ihre Digitalisierungsgesetze konsequent durchsetzen. Mit dem Digital Services Act und dem Digital Markets Act könnte gegen Desinformation, Hassrede und Marktmachtmissbrauch vorgegangen werden. Bei Verstößen können und sollten Verbannungen oder Zerschlagungen diskutiert werden. Der massive Lobbydruck könnte allerdings dazu führen, dass die EU-Kommission die Gesetze nicht konsequent durchsetzen wird. Hier ist zivilgesellschaftlicher Druck gefragt.
Max Bank ist Campaigner bei Lobbycontrol im Bereich EU und recherchiert zu Macht und Einfluss von Digitalkonzernen
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