Diktatur im Dunkeln
Von Thomas Berger, Manila»Dunkelheit unter Herrschaft des Militärs«, betitelte das oppositionelle Newsportal Myanmar Now einen Beitrag zum vierten Jahrestag des Putsches vom 1. Februar 2021. Auch die Nachrichtenplattform Mizzima äußerte sich zur verschärften Energiekrise: War zu halbwegs demokratischen Zeiten weitgehend die Stromversorgung garantiert, stehen den Einwohnern Myanmars heute nur noch zweimal vier Stunden zu, aber selbst die würden an immer mehr Tagen nicht eingehalten. Ein Hohn sei, heißt es im betreffenden Beitrag von Mizzima, wenn sich der oberste Machthaber, General Min Aung Hlaing, bei einem aktuellen Lokaltermin in Yangon verpflichtend für Solaranlagen bei Hausneubauten ausspricht, die für die meisten unbezahlbar seien. Die regimetreue Zeitung Global New Light of Myanmar berichtete dagegen am 1. Februar ausführlich vom jüngsten Spitzentreffen der Junta einen Tag zuvor. Abermals wurden dort alle bewaffneten Organisationen der ethnischen Minderheiten und die von der demokratischen Gegenregierung (National Unity Government/NUG) aufgestellten People’s Defence Forces (PDF) als »Terroristen« bezeichnet. Dagegen sollen die seit einem Jahr laufenden Zwangsrekrutierungen erstmals auf Frauen ausgedehnt werden. Erwartet wird auch die Verlängerung des Ausnahmezustands um weitere sechs Monate.
Derweil nennt die Assistance Association for Political Prisoners (AAAP) aktuell knapp 22.000 politische Gefangene, die in Myanmars Gefängnissen einsitzen, darunter die einstige Regierungschefin Aung San Suu Kyi, deren in Großbritannien lebender Sohn Kim Aris zuletzt vor einem Jahr eine Nachricht von ihr erhalten hat, und etliche weitere Spitzenvertreter ihrer Nationalen Liga für Demokratie (NLD). Min Aung Hlaing hat mehrfach bekräftigt, 2025 Wahlen abzuhalten – unter Ausschluss der NLD und weiterer demokratischer Parteien. Gerade erst haben sich Mitglieder der Wahlkommission bei der Präsidentenwahl in Belarus Anregungen geholt, zuvor in Russland, Kambodscha und China. Ein aktueller Zensus soll als Grundlage für die Wahl dienen – unklar ist aber, wie angesichts des Bürgerkriegs eine Volkszählung voll umgesetzt werden soll. Vom Frieden jedenfalls, zu dem der Juntachef abermals aufrief, ist Myanmar weit entfernt.
Während sich im Nordosten die Myanmar National Democratic Alliance Army (MNDAA) auf Druck Chinas zuletzt zwar zu einer Waffenruhe bereitfand und ihre Einheiten bis Ende Juni aus dem eroberten Regionalzentrum Lashio abziehen will, macht vor allem die verbündete Arakan Army (AA) weitere Geländegewinne im Westen. Den Teilstaat Rakhine hat sie fast vollständig eingenommen, 14 von 17 Townships stehen unter ihrer Kontrolle. In den letzten Januartagen vermeldete die AA auch den Einmarsch in Dörfer an den Grenzen zu den zentralen Regionen Bago, Magwe sowie unweit von Pathein, der Regionalhauptstadt von Ayeyarwady.
Langsamer kommen im Norden die Truppen der KIA voran, doch auch der bewaffnete Arm der Kachin Independence Organisation (KIO) meldet Erfolge. Nach dem Start der jüngsten Offensive am 4. April konnte die Stadt Mansi am 8. Januar eingenommen werden, das ebenfalls wichtige Bhamo ist weiter umkämpft. »Der Kampf geht aber 2025 weiter, und wir sind entschlossen, ihn bis zum Erreichen unserer Ziele fortzuführen«, zitierte das Myitkyina Journal nach der Einnahme von Mansi den KIA-Sprecher Oberst Naw Bu. Ähnlich hatte sich der militärische und politische Anführer, General N’Ban La, in der Neujahrsansprache geäußert. Eine Delegation der KIA/KIO weilte am 8. Dezember auf Einladung der chinesischen Regierung in Beijing. Von einer etwaigen Waffenruhe an dieser Teilfront ist aber bislang keine Rede.
Auch beim Analyseportal Fulcrum aus Singapur geht man nicht davon aus, dass sich die Lage beruhigt. Im Gegenteil: 2025 könnte es mit Kämpfen noch schlimmer kommen. Diese Einschätzung deckt sich mit der von Channel News Asia (CNA), ebenfalls aus Singapur. Die vier Jahre seit dem Putsch und dem Beginn des zunächst zivilen, dann bewaffneten Widerstands hätten gezeigt, dass sich das Regime trotz enormer Gebietsverluste nicht so schnell in die Knie zwingen lasse. Der Verlust des Regionalkommandos Nordost in Lashio und im Dezember auch des Regionalkommandos West im Rakhine-Staat habe zwar die Moral der Juntatruppen weiter untergraben, konstatierte unlängst Mizzima, besiegt seien die Militärs aber selbst mit dem Verlust von landesweit 93 Städten sowie Geländegewinnen diverser Gegner auch im Chin-, Karen- und Kayah-Staat sowie den mehrheitlich von ethnischen Burmesen (Bamar) bewohnten Regionen Mandalay und Sagaing im Zentrum noch nicht.
Kurz vor Weihnachten meldete das Newsportal Eleven Myanmar unter Berufung auf einen aktuellen Bericht der Zentralbank, dass die Inflation im Finanzjahr 2024/25 auf 13,65 Prozent absinken könnte. Das wäre nur noch knapp die Hälfte jener 28,59 Prozent für das Vorgängerjahr 2023/24. Was solche Werte nicht verraten: In einem Großteil der Metropole Yangon, wo die Versorgungslage noch besser ist als in weiten Teilen des Landes, läuft der ökonomische Alltag mit verminderter Kraft. Ein Problem bedingt das andere: Viele Familien verfügen kaum mehr über geregelte Einkünfte, um sich mit Waren des täglichen Bedarfs einzudecken. Betriebe mussten schließen, andere ihre Belegschaft reduzieren. Oft sind die Familienmitglieder, die zuvor als Haupternährer fungierten, entweder arbeitslos, als verfolgte Regimegegner untergetaucht oder infolge der seit einem Jahr laufenden Einberufungswelle zum Militärdienst abkommandiert.
Unzählige sind zudem in den umkämpften Gebieten auf der Flucht oder schon länger als Binnenflüchtlinge auf Hilfe angewiesen – zuletzt waren das nach Angaben des UN-Amtes zur Koordinierung humanitärer Angelegenheiten (OCHA) 3,5 Millionen Menschen. 2025, so der Ausblick von OCHA am 3. Januar, dürften insgesamt 19,9 Millionen Menschen auf Unterstützung angewiesen sein. Doch schon Ende des Vorjahres war der Nothilfeplan nur zu 36 Prozent finanziert. Derweil ist auch der gesamtwirtschaftliche Einbruch noch erheblicher: Wurde für das Jahr 2024 immerhin ein kleines Wachstum des Bruttoinlandsprodukts von 0,8 Prozent prognostiziert, korrigierte die Weltbank Mitte Dezember die Zahl auf minus ein Prozent. Die Exilzeitung The Irrawaddy schrieb Ende Dezember, die Textilindustrie habe 20 Prozent an Produktivität eingebüßt, weil insbesondere durch die Zwangsrekrutierungen Arbeitskräfte fehlten. Zudem sind laut Weltbank 7,5 Prozent aller Haushalte Myanmars auf die Heimatüberweisungen jener Familienmitglieder angewiesen, die im Ausland arbeiten, im benachbarten Thailand, teils auch in Japan oder Südkorea. (tb)
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vom 06.02.2025