Links & bündig: Jetzt bestellen!
Gegründet 1947 Freitag, 7. Februar 2025, Nr. 32
Die junge Welt wird von 3005 GenossInnen herausgegeben
Links & bündig: Jetzt bestellen! Links & bündig: Jetzt bestellen!
Links & bündig: Jetzt bestellen!
Aus: Ausgabe vom 07.02.2025, Seite 14 / Medien
Monatsmonitor Medienwirtschaft

Drohende Versteppung

Monatsmonitor Medienwirtschaft Die Zeitungsauflagen sinken weiter, die Verlage dünnen ihre Angebote aus. Das Internet bietet noch keinen Ausweg
Von Gert Hautsch
14 medien.jpg
Das Printangebot bleibt Rückgrat der Zeitungslandschaft, schrumpft aber kontinuierlich

Gibt es in der BRD schon – wie in den USA – Nachrichtenwüsten ohne Lokalzeitung? Die Hamburg Media School hat dazu im November eine Studie unter dem Namen »Wüstenradar« veröffentlicht. Das Ergebnis ist zwiespältig. Noch gibt es keinen Landkreis gänzlich ohne vertrauenswürdige Lokalpresse. Ein Rückgang wird jedoch deutlich. Insbesondere in ländlichen Regionen Westdeutschlands ist laut Studie »Versteppung« erreicht worden. In fast der Hälfte aller Landkreise gibt es nur noch eine Tageszeitung. Der Trend setzt sich fort: Die Süddeutsche Zeitung wird die sieben eigenständigen Regionalteile im Münchner Umland »aufgeben«.

Der Rückzug aus der Fläche erfolgt auch auf andere Weise. Die Verlagskonzerne Funke und Madsack liefern Printerzeugnisse in Teilen Thüringens und Brandenburgs seltener oder gar nicht mehr. Wer trotzdem die Zeitung lesen will, muss sich mit dem digitalen Angebot begnügen. Aboverluste von 35 bis 45 Prozent nehmen die Verlage in Kauf.

Solche Vorgänge finden vor dem Hintergrund weiter schrumpfender Zeitungsauflagen statt. Die Informationsgemeinschaft zur Feststellung der Verbreitung von Werbeträgern (IVW) hat kürzlich die Zahlen für das vierte Quartal 2024 veröffentlicht. Sie zeigen eine Gesamtauflage der Tageszeitungen (einschließlich E-Papers) von 10,7 Millionen, 5,5 Prozent weniger als im Vorjahreszeitraum. Berücksichtigt man nur die zum vollen Preis verkauften Stücke, darunter Abos, dann sind 9,3 Millionen abgesetzt worden, ganze 6,2 Prozent weniger als 2023. Die gedruckte Auflage ist sogar um 9,5 Prozent auf 8,2 Millionen zurückgegangen.

Diese Abwärtsentwicklung ist schon seit mehr als 30 Jahren zu beobachten. Ihre Hoffnungen setzen die Verlage deshalb in digitale Produkte. Damit sind zum einen die E-Papers, d. h. die Zeitungen als PDF-Datei, gemeint. Sie tragen branchenweit rund 24 Prozent zur Gesamtauflage bei, bei einzelnen Titeln, etwa FAZ und SZ, bis zu 40 Prozent. Ihr Anteil am Umsatz ist mit knapp acht Prozent aber deutlich niedriger, weil sie weniger kosten, wie der Verlegerverband BDZV meldete. Das Problem der digitalen Zeitungen ist, dass sie Print voraussetzen.

Deshalb ist die zukunftsweisende Alternative für die Verlage nicht das E-Paper, sondern das Internetportal der jeweiligen Redaktion. Wie viele Abonnements dort insgesamt verkauft werden, ist unbekannt. Nur einzelne Titel machen Angaben. Bei Bild, SZ, FAZ, Handelsblatt und Welt lässt sich eine Gesamtzahl aus verkaufter Auflage und Onlineabos ermitteln. Sie blieb 2024 laut IVW relativ stabil, was darauf schließen lässt, dass Printverluste durch Onlineerfolge ausgeglichen wurden. Das bedeutet aber noch lange nicht, dass es bei den regionalen Titeln auch so war.

Wichtiger als die Verkaufszahlen sind außerdem die Erlöse. Laut BDZV haben 2023 die Einnahmen aus Nutzungsgebühren für Onlineportale 4,6 Prozent des Umsatzes aller Zeitungen und 2,1 Prozent bei den Regionalzeitungen ausgemacht. Durch Werbung kamen noch einmal vergleichbare Summen herein. Deutlich bessere Ergebnisse (bis zu 30 Prozent) konnten nur überregionale Zeitungen erreichen. Für 2024 kam der Branchendienst »PV Digest« zu ähnlichen Ergebnissen.

Was folgt daraus? Für die große Mehrzahl der Verlage bleibt die gedruckte Zeitung die Basis des Geschäfts. Auf schrumpfende Auflagen reagieren sie mit einer Ausdünnung des Angebots und treiben dadurch die »Versteppung« voran. Die Hoffnung, dass Journalismus künftig statt in Zeitungen auf bezahlten Onlineportalen stattfinden kann, scheint bislang nur bei einzelnen Titeln tragfähig zu sein. Vor diesem Hintergrund lässt eine Nachricht vom Bodensee aufhorchen: Die Schwäbische Zeitung in Ravensburg hat die Bezahlschranke für ihr Redaktionsportal abgeschafft, es soll sich durch Reklame finanzieren. Ob dieser Schritt der Vorbote einer Trendwende ist, wird sich zeigen.

Seit Oktober 2023 informiert Gert Hautsch jeden ersten Freitag im Monat im »Monatsmonitor Medienwirtschaft«. Dieser Beitrag rundet die Reihe ab. Die jW dankt dem Genossen Hautsch für seine Analysen und sein Engagement

links & bündig gegen rechte Bünde

Jetzt den kostenlosen jW-Newsletter abonnieren – täglich das Beste aus der Tageszeitung junge Welt, direkt in Ihr Postfach. Ihre E-Mail-Adresse wird natürlich niemals an Dritte weitergegeben.

Ähnliche:

  • Rascheln von gestern: Zeitungsleser in Bern (2017)
    13.09.2024

    Umsonst ist nur der Tod

    Zeitungssterben in der Schweiz: Lokalblätter aus Bern haben eine Spendenkampagne gestartet, werden mittelfristig aber kaum überleben
  • Auslaufmodell? Im vierten Quartal 2023 wurden erneut deutlich we...
    02.02.2024

    Noch Luft nach oben

    Monatsmonitor Medienwirtschaft: Auflagen weiter rückläufig. Erfolge bei digitalen Angeboten reichen noch nicht aus, um Zeitung als Mediengattung zu sichern
  • Youtube: Millionen kleiner »Publisher« laden Inhalte hoch – und ...
    04.02.2021

    Zoff um Urheberrechtsreform

    BRD-Medienkonzerne fürchten weiter Nachteile wegen Regelungen zugunsten der Internetriesen