Parlament und Straße
Von Frederic Schnatterer, Madrid
Seit Jahren mausert sich die spanische Hauptstadt Madrid zu einem Zentrum ultrarechter internationaler Akteure. Das wurde am vergangenen Wochenende erneut deutlich. Nicht nur veranstaltete der Zusammenschluss europäischer Rechtsaußenparteien »Patrioten für Europa« eine Konferenz, die unter dem Motto »Make Europe Great Again« (MEGA) stand und die wichtigsten Akteure eines bedeutenden Teils der europäischen Rechten versammelte. Auch der offen faschistische Flügel rund um die einige hundert Mitglieder zählende Neonazipartei Hacer Nación lud am Sonnabend zur Vernetzung nach Madrid.
Unter dem Titel »Toma la palabra 2025« (Ergreife das Wort) trafen sich in einem Kulturzentrum am Rande des Reichenviertels Salamanca wichtige Vertreter der europäischen Neonaziszene. Beworben wurde die Veranstaltung in den sozialen Medien mit den Worten: »In Zeiten der ›allumfassenden Wahrheit‹ braucht es Mutige, die zum Kampf bereit sind.« – »Der Kulturkampf wird in Spanien und Madrid ausgetragen«, hatte Hacer Nación zuvor erklärt. Weiter hieß es, das Treffen sei »das Kulturereignis des Jahres für all jene, die nicht mit dem Strom der politischen Korrektheit schwimmen«.
Für einen Eintrittspreis von zwölf Euro konnten Interessierte den Ausführungen von Afonso Gonçalves von der portugiesischen Gruppierung Reconquista, dem Generalsekretär von Hacer Nación, Mario Martos, oder dem ultrarechten »Kulturjournalisten« Víctor Lenore lauschen. Spanische Medien hoben jedoch insbesondere den Auftritt von Martin Sellner, seit Jahren Kopf der österreichischen »Identitären«, hervor, den sie als »Hauptattraktion« der Veranstaltung bezeichneten. Betont wurden die Einreiseverbote gegen Sellner unter anderem für Deutschland, nachdem der 36jährige im November 2023 auf einem Treffen in Potsdam unter dem Begriff »Remigration« für umfassende Deportationen geworben hatte.
Weniger Aufmerksamkeit zog die Anwesenheit der Deutschen Reinhild Boßdorf auf sich. Boßdorf, die aus einer ultrarechten Aktivistenfamilie stammt und noch vor wenigen Jahren bei den »Identitären« aktiv gewesen war, sprach in Madrid als Vertreterin der pseudofeministischen Frauengruppe »Lukreta«. Die stigmatisiert (besonders muslimische) Migranten pauschal als Gewalttäter und Gefahr für (weiß-deutsche) Frauen. Neben Fotos schwangerer Frauen auf den Profilen von »Lukreta« in sozialen Medien heißt es: »Neue Deutsche machen wir selbst.« Boßdorf, die durchaus als Neonazi-Influencerin bezeichnet werden kann, betont in den sozialen Medien ihre »traditionelle Weiblichkeit«.
Nach der Konferenz in Madrid bedankte sich Boßdorf am Sonntag auf der Plattform X bei Hacer Nación für die Einladung. Dazu betonte sie: »Gerade in Zeiten der Massenmigration und Wokeness müssen wir als Patrioten in Europa zusammenarbeiten.« Auch in ihrem Heimatbundesland Nordrhein-Westfalen kommt Boßdorf eine entscheidende Funktion für die enge Verbindung zwischen Neonaziszene und AfD zu. Eine wichtige Rolle spielt dabei auch ihre Mutter: Irmhild Boßdorf ist AfD-Abgeordnete im EU-Parlament.
Sellner, der sich am Sonntag zum »Austausch« mit dem Portugiesen Gonçalves in einem Café in Madrid traf, erklärte in einem später ins Internet gestellten Video, bei dem Neonazitreffen habe es sich um eine »metapolitische Konferenz« gehandelt. Während die MEGA-Konferenz die »der politischen Führer« gewesen sei, habe sich die eigene an »Aktivisten, Organizer und Influencer« gerichtet. Beide Veranstaltungen vom Wochenende müssen also als komplementär verstanden werden.
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