Jahr der Reconquista
Von Frederic Schnatterer, Madrid![3.jpg](/img/450/205351.jpg)
Europas Ultrarechte rechnen sich gute Chancen aus, es Donald Trump gleichzutun. Zuletzt sollte dieses Signal vom »Make Europe Great Again«-Gipfel ausgehen, der am Wochenende im spanischen Madrid stattfand. Zur Konferenz hatte die Parteiengruppe »Patrioten für Europa« eingeladen. Am Sonnabend kamen offiziellen Angaben zufolge 2.000 Anhänger und Sympathisanten in einem Hotel am Rande der Hauptstadt zusammen, wo sie ihren politischen Anführern frenetisch zujubelten, Fahnen schwenkten und massenhaft gratis Fanartikel einsteckten.
Nicht nur der Slogan, der an das »Make America Great Again« der US-Republikaner angelehnt ist, zeigt: Auch diesseits des Atlantiks sieht sich die Rechte dank Trumps Amtsantritt vor wenigen Wochen im Aufwind. Das betonte auch der Gastgeber der Konferenz und derzeitige Patrioten-Vorsitzende, der Chef der spanischen Vox-Partei Santiago Abascal. Den US-Präsidenten bezeichnete er als »Waffenbruder«. Die Anführer der anderen bei den »Patrioten« organisierten Parteien rief er dazu auf, die »Gelegenheit zu nutzen, die die heutige Zeit bietet«. »Die Welt ist im Begriff, sich zu verändern – und zwar zum Besseren. Europa ist im Begriff sich zu verändern – und zwar zum Besseren. Und es kann noch viel besser werden.«
Gekommen waren praktisch alle politischen Führer der »Patrioten für Europa«, denen 14 Rechtsaußenparteien angehören und die mit 86 Abgeordneten die drittgrößte Fraktion im EU-Parlament stellen. Und sie alle stießen ins selbe Horn. Der ungarische Ministerpräsident Viktor Orbán, der die Gruppe 2014 ins Leben gerufen hatte, stellte euphorisch fest, »der Tornado Trump hat die Welt innerhalb weniger Wochen verändert«. Damit sei eine »Ära« beendet: »Gestern noch waren wir Ketzer, gestern noch sagte man, wir seien die Vergangenheit. Heute kann jedoch jeder sehen, dass wir die Zukunft sind.«
Marine Le Pen vom französischen Rassemblement National betonte, Trumps Wahlsieg müsse als »Herausforderung an die Macht« verstanden werden. Seither befinde sich die Welt in einer »Phase der Beschleunigung«: »Der alte Kontinent, der in Lethargie verfallen ist, muss erwachen und diese großartige Bewegung der Erneuerung begleiten.« Der ehemalige estnische Finanzminister Martin Helme bezeichnete Trumps Wahlsieg als »schweren Schlag für die Globalisten«, die jetzt »verwirrt, unorganisiert und verängstigt« seien. »Jetzt ist der Moment gekommen, um Europa wieder großartig zu machen.«
Italiens Vizepremier Matteo Salvini sagte beschwörend, dieses Jahr werde »entscheidend für unsere Zukunft«. »2025 wird das Jahr der Reconquista, der Patrioten, der Souveränität.« Dabei war er beileibe nicht der einzige, der zu einer »neuen Reconquista« aufrief. Unter dem Begriff wird die Rückeroberung der iberischen Halbinsel von der islamischen Herrschaft durch die katholischen Könige verstanden, die 1492 mit der Einnahme von Granada ihren Abschluss fand.
Die »neue Reconquista« müsse für ein christliches Europa streiten, betonte der Chef der portugiesischen Chega, André Ventura. Neben der angeblich massenhaften Immigration aus muslimisch geprägten Ländern wetterten die Redner gegen den von »Klimakommunisten« vorangetriebenen Green New Deal, gegen »linke Faschisten«, »Transfreaks« und allgemein den »woken Wahnsinn«. Einer »globalen Elite« warfen sie vor, die Identität der Nationalstaaten für eine »neue Weltordnung« zu opfern. Der Niederländer Geert Wilders schloss seine Rede mit dem in Spanisch gehaltenen Ausruf: »Viva la Reconquista!«
Die Beziehungen der »Patrioten« nach Washington sind gut. Sie stellten bei Trumps Amtseinführung am 20. Januar die einzige europäische Delegation in Washington. Den Besuch nutzten die Ultrarechten zudem für einen Besuch am Sitz der Heritage Foundation. Die Stiftung gilt als mächtigster Thinktank der US-amerikanischen Ultrakonservativen und steht der Trump-Regierung nahe. Unter dem Titel »Project 2025« skizzierte sie auf knapp 1.000 Seiten eine Art Fahrplan für eine Umgestaltung vor allem der Wirtschafts- und Sozialpolitik im Falle einer Machtübernahme Trumps.
Auch in Madrid stand der Austausch mit der Heritage Foundation auf dem Programm der »Patrioten für Europa«. Dafür war aus Washington eigens Kevin Roberts, Präsident der Stiftung, angereist. Unter anderem am Freitag wurde bei einem gemeinsamen Abendessen darüber gesprochen, wie das durch Trumps Amtsantritt entstandene Momentum genutzt werden und wie auch in Europa eine ultrarechte Machtübernahme gelingen könne.
Unter Ausschluss der Öffentlichkeit hatten sich die Politiker zuvor in einem Madrider Luxushotel getroffen, um sich über gemeinsame Strategien auszutauschen. In einer später verbreiteten Presseerklärung warfen sie Brüssel vor, die EU in einen »Megastaat« verwandeln zu wollen, was »katastrophale Folgen für die Europäer« habe. Zudem beschlossen die Mitglieder einstimmig, die Likud-Partei des israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu mit Beobachterstatus bei den »Patrioten für Europa« aufzunehmen. In Madrid wurde der Likud von Ariel Bulshtein, dem Verantwortlichen für internationale Beziehungen und Berater von Netanjahu, vertreten. Gewohnt euphemistisch hieß es auf dem X-Account der »Patrioten« dazu: »Gemeinsam werden wir unsere Verbindungen stärken und unsere gemeinsamen Werte wie Demokratie, Freiheit und kulturelles Erbe fördern.«
Hintergrund: Wer ist MEGA?
Die Veranstalter der Konferenz der »Patrioten für Europa« am Wochenende in Madrid sind nicht die einzigen, bei denen das offensichtliche Bemühen erkennbar wird, den Amtsantritt von Donald Trump politisch für die eigenen Ziele zu nutzen. Vielmehr herrscht derzeit eine Art Wettstreit unter Europas Ultrarechten darüber, wer den Slogan »Make Europe Great Again« (MEGA) für sich beanspruchen darf.
Am 29. Januar veranstaltete die Partei der Europäischen Konservativen und Reformisten (EKR) in Brüssel eine Konferenz unter dem Motto »Make Europe Great Again – Wahre Grundwerte und ihre Rolle bei der Neugestaltung der Zukunft Europas«. Auf dem Treffen, das in einem Hotel der belgischen Hauptstadt stattfand, sprachen der EKR-Vorsitzende und frühere polnische Ministerpräsident Mateusz Morawiecki sowie die Vizepräsidenten Carlo Fidanza von den Brüdern Italiens (Fratelli d’Italia), Marion Maréchal von der französischen Partei Identité-Libertés und George Simion von der Allianz für die Vereinigung der Rumänen.
Die EKR stellt mit 80 Abgeordneten aus 18 Ländern die viertgrößte Fraktion im EU-Parlament. Die größten Mitgliedsparteien sind die polnische PiS und die italienischen Fratelli d’Italia von Ministerpräsidentin Giorgia Meloni. Noch bis Juli 2024 hatte auch die spanische Vox-Partei der EKR angehört, wechselte dann allerdings zur zweiten großen ultrarechten Parteiengemeinschaft auf EU-Ebene, den »Patrioten für Europa«. Hinzu kommt die deutlich kleinere Fraktion »Europa der Souveränen Nationen«. Dieser gehören insgesamt neun Parteien an, darunter die Alternative für Deutschland (AfD). Im EU-Parlament vertreten sie 25 Abgeordnete. (fres)
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