Abhängig oder arm
Von Gudrun Giese![1.jpg](/img/450/205406.jpg)
Abgesehen von den Ewiggestrigen wissen die meisten Menschen, dass Frauen mindestens so leistungsstark sind wie Männer. Dennoch werden sie nach wie vor viel schlechter bezahlt. Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) hat anlässlich des bevorstehenden »Equal Pay Day« errechnet: Die Entgeltlücke zwischen den Geschlechtern beträgt 18 Prozent.
Frauen lenken schwere Lastwagen, sind als Lehrerinnen, Tischlerinnen und in allen möglichen weiteren Berufen tätig. Ganz »nebenbei« erledigen viele von ihnen die nach wie vor unbezahlte Betreuung von Kindern und pflegebedürftigen Angehörigen. Obendrein übernehmen sie in den meisten Fällen den Löwenanteil der Haushaltsarbeit. Als Lohn dafür landet mehr als jede zweite erwerbstätige Frau in der Bundesrepublik in materieller Abhängigkeit oder gleich im Elend. Denn nach einer aktuellen DGB-Studie erzielen 53 Prozent der arbeitenden Frauen kein existenzsicherndes Einkommen. Das bedeutet oft, dass sie von Ehemännern oder Lebenspartnern finanziell abhängig sind. Scheitert die Beziehung, was ja häufiger passieren soll, gehören Frauen, in vielen Fällen als Alleinerziehende, schnell zum armen Teil der Bevölkerung. Jenen, die ihren Partner länger behalten und sogar überleben, droht wiederum die Altersarmut.
Nach Estland und Österreich liegt die Bundesrepublik mit einer Entgeltlücke von 18 Prozent zwischen Mann und Frau innerhalb der EU-Länder an dritter Stelle. Seit 2006 hat sich damit der »Gender Pay Gap« nur um fünf Prozentpunkte verringert. Im Durchschnitt bekamen Frauen 2023 einen Bruttostundenlohn von 20,84 Euro, während Männer 25,30 Euro einstrichen. Auf diese Weise erreichen weibliche Beschäftigte erst am 6. März das Entgelt, das ihre Kollegen bereits am 31. Dezember verbuchen konnten. Laut DGB-Mitteilung zählen zu den Hauptgründen für die nach wie vor große Lücke die Berufe, in denen die Geschlechter jeweils vorwiegend arbeiten, sowie der Umfang der Beschäftigung. Nach wie vor liegen die Gehälter in frauendominierten Berufen wie Erziehung, Pflege und Handel deutlich unter denen in Bereichen wie Technik, Informatik und Industrie, wo sich mehr männliche Beschäftigte finden. Außerdem arbeiten Frauen wegen der zusätzlichen häuslichen Verpflichtungen viel öfter in Teilzeit.
Anlässlich des sogenannten Equal Pay Day am 6. März fordert der Gewerkschaftsdachverband eine »höhere Bezahlung in frauendominierten Berufen sowie verbesserte Rahmenbedingungen, damit die Erwerbsbeteiligung von Frauen gesteigert und die gleichberechtigte Verteilung von Erwerbs- und Sorgearbeit zwischen Männern und Frauen vorangetrieben wird«. Immerhin förderte die Untersuchung einmal mehr zutage, dass Frauen, die in einem nach Tarif zahlenden Unternehmen arbeiten, deutlich besser dastehen als ihre Kolleginnen, die in einem nicht tarifgebundenen Betrieb beschäftigt sind. Der Unterschied beträgt immerhin rund 3,70 Euro pro Stunde. Gleichzeitig arbeiten Angestellte in Firmen mit Tarifbindung rund eine Stunde weniger pro Woche. Der Einsatz für Tarifverträge zahle sich also ganz deutlich bei Entgelt und Arbeitsbedingungen aus, betont der DGB. Von der künftigen Bundesregierung fordert die Dachorganisation, das schon lange angekündigte Bundestariftreuegesetz endlich auf den Weg zu bringen. Angesichts der derzeit wahrscheinlichen Variante einer von der CDU/CSU geleiteten Koalition dürfte das ein frommer Wunsch bleiben. Wie auch schon unter der SPD-geführten Regierung.
links & bündig gegen rechte Bünde
Jetzt den kostenlosen jW-Newsletter abonnieren – täglich das Beste aus der Tageszeitung junge Welt, direkt in Ihr Postfach. Ihre E-Mail-Adresse wird natürlich niemals an Dritte weitergegeben.