Dein roter Faden in wirren Zeiten
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Aus: Ausgabe vom 13.02.2025, Seite 3 / Schwerpunkt
Kuba

Im Mangel unverdrossen

Die materielle Lage in Kuba verschlechtert sich weiter. Viele Menschen stehen dennoch zur Revolution. Eindrücke aus Havanna
Von Carmela Negrete
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»Das mit der Quittung ist nicht so schlimm«, sagt die Mitarbeiterin zur Kollegin. Man finde eine Lösung, vielleicht auf einem Fetzen Papier, handgeschrieben. Aber was machen mit den Verträgen? Wie sollen sie ausgedruckt werden? Es gibt kein Papier. Können dann überhaupt Leute eingestellt werden? Das Gespräch zwischen den beiden Beamtinnen zeigt: Der Mangel in Havanna ist allgegenwärtig, es trifft auch die Behörde, die kaum Papier hat. Eigentlich sollte das Amt noch zwei Stunden geöffnet sein, doch die Staatsangestellte macht sich bereits auf den Heimweg, denn später findet sie keine Beförderungsmöglichkeit mehr. Benzin ist ein noch kostbareres, noch teureres Gut geworden. Wie alles andere in Havanna.

Ein Taxifahrer zeigt später eine Karikatur auf seinem Handy, es soll lustig sein – und handelt vom Fleischmangel. Wenn ein Kilo Fleisch rund 600 Pesos kostet, kann man vom Mindestlohn in Höhe von 2.100 Pesos nicht satt werden, aber auch bestbezahlte Jobs mit rund 5.000 Pesos reichen da kaum hin. Eier sind schwer zu finden. Die Regierung schafft es kaum, die Versorgung zu gewährleisten, und das wird auch offen zugegeben. Zur Zeit ist Zucker Mangelware, ausgerechnet in einem Land, das einmal an der Weltspitze der Zuckerproduktion stand. Für Maschinen gibt es keine Ersatzteile, es fehlt an Sprit, die Ernte fällt immer schlechter aus.

An jeder Ecke wird über Geld und Essen, vielmehr über den Mangel daran gesprochen, in Havanna sind mehr Bettler unterwegs als vor der Pandemie, und sie befinden sich in einem sichtlich schlechteren Zustand. In diesen Tagen erhält man auf dem Schwarzmarkt für einen Euro rund 340 Pesos, das ist fast dreimal so viel wie der von der Regierung offiziell festgelegte Kurs von 121 Pesos. Es fehlen ausländische Devisen im Land. Der Schwarzmarkt ist so fest etabliert, dass es sogar Webseiten gibt, die darauf spezialisiert sind, die Kursbewegungen auf der Straße zu beobachten. »Die Kubaner machen immer Witze, egal wie schlimm die Situation ist«, sagt der Taxifahrer, und tatsächlich verhalten sich die meisten Kubaner ruhig, diszipliniert, geduldig.

Ein Hauch von Nostalgie und Tristesse liegt in der Luft, als ahnten die Menschen, dass der Sprung ins kalte Wasser des Kapitalismus viel schlimmer sein würde. Tatsächlich gibt es im Vergleich zu anderen Ländern der Region einen großen Unterschied: das hohe Bildungsniveau. Zwar scheinen sich alle einig zu sein, dass das Leben auf Kuba lange nicht mehr so prekär war wie jetzt. Doch trotz des Zugangs zu Informationen, die nicht von der Regierung kontrolliert werden – in der Regel via Internet –, sind viele Menschen, die einfache Berufe ausüben, bestens informiert über komplexe Zusammenhänge und in der Lage, die aktuelle Situation zu analysieren. Sie wissen, dass ihre klägliche Situation in allererster Linie mit der US-Blockade zu tun hat.

Eine Verschärfung der Lage mussten die Kubaner erfahren, als 2021 zu allen Restriktionen auch noch die Liste angeblicher Terrorismusunterstützer eingeführt wurde. Die Inselrepublik konnte sich nicht von der Pandemie erholen, weil infolge dieser Liste die Touristen fernblieben. Die Ökonomie des Landes wird so weiter stranguliert. Denn wer Kuba als Reiseziel auserkoren hat, muss anschließend fürchten, nicht mehr in die USA einreisen zu können. Der zusammengebrochene Tourismus ist in Havanna überall sichtbar. Es sind viel weniger Urlauber unterwegs. Viele Restaurants und Cafés haben dichtgemacht. Hotspots wie das Hotel »Ambos Mundos« im Zentrum von Havanna, in dem Hemingway Dauergast war, verzeichnen kaum Besucher.

Dafür sind im Stadtzentrum überall kleine Läden entstanden. Jeder hat an seinem Fenster ein Plakat, das anzeigt: Hier gibt es Kaffee oder Brötchen. Zumeist eine Nebeneinkunft, die für viele zur Lebensnotwendigkeit geworden ist. Wie für den Universitätsprofessor, der seit zwei Jahren in Rente ist und nun über die Runde kommen muss. Er will nicht fotografiert werden, wir sollen seine Geschichte nicht erzählen, er glaube an die Kubanische Revolution, immer noch, auch wenn seine persönliche Lage derzeit schlecht sei. So wie ihm geht es vielen, und viele bleiben unverdrossen. Auf dem Weg zurück nach Deutschland Begegnung mit einem Arzt, der auf Mission nach Saudi-Arabien geschickt wird. Er macht es aus Überzeugung zur Kubanischen Revolution, sagt er: Kuba brauche schließlich Devisen.

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