Gefangenenfamilien ohne Hilfe
Von Gerrit Hoekman![7.jpg](/img/450/205408.jpg)
Kaum ist Donald Trump zurück im Weißen Haus, katzbuckelt der palästinensische Präsident Mahmud Abbas. Am Montag erließ er ein Dekret, das den Familien der palästinensischen Gefangenen in Israel die besondere finanzielle Unterstützung entzieht. Das gilt ebenfalls für die Familien der Märtyrer. Alle sollen ab sofort nur noch die Sozialhilfe erhalten, die allen palästinensischen Familien zusteht. Das diene der sozialen Gerechtigkeit in der Gesellschaft, heißt es im Dekret.
Abbas buckelt
Die USA und Israel verlangen schon seit geraumer Zeit, dass die Extrazuwendungen für die Familien der Märtyrer und in Israel Inhaftierten eingestellt werden, weil damit jene Familien belohnt würden, deren Väter, Mütter, Söhne oder Töchter militanten Widerstand gegen die israelische Besatzungsmacht leisten. Washington nennt das in bezug auf Palästina »Pay for Slay« (»Bezahlen für Mord«). Fakt ist aber: Auch die USA unterstützen ihre eigenen Kriegsversehrten und deren Angehörige mit Renten, Immobiliendarlehen oder finanzieller Hilfe für die Hinterbliebenen. »Es ist nicht ungewöhnlich, dass Länder Sonderzahlungen an Menschen leisten, die in gewaltsamen Konflikten getötet wurden«, wies der katarische Sender Al-Dschasira auf die weltweit verbreitet Praxis hin.
Das Dekret rief in weiten Teilen der palästinensischen Gesellschaft heftige Kritik hervor. »Wir wurden gestern von einem Präsidialdekret überrascht, mit dem die finanziellen Hilfen für Gefangene und Märtyrer gestrichen werden«, teilte Kadura Faris, der Direktor der Behörde für die Angelegenheiten der Gefangenen und Freigelassenen, laut der palästinensischen Nachrichtenseite Maan am Dienstag auf einer Pressekonferenz mit. Selbst ihn hatte der 89 Jahre alte Abbas offenbar nicht vorab informiert. Eine Entscheidung von dieser Tragweite, die viele Palästinenserinnen und Palästinenser betreffe, hätte zuerst allen politischen Gremien der Autonomiebehörde zur Beratung vorgelegt werden müssen, so Faris. Auch ein gemäßigter Politiker wie Mustafa Barghuthi, Mitbegründer der säkularen Palästinensischen Nationalinitiative, ist empört. »Diese Entscheidung berührt die Rechte von Gruppen, die große Opfer für die nationale Sache gebracht haben, und stellt eine Bedrohung für ihre Position im gerechten Kampf unseres Volkes gegen die Besatzung dar«, erklärte er laut Maan.
Die Radikaleren sehen sich in ihrer Ansicht bestätigt, dass Abbas nur Israels Vasall und Erfüllungsgehilfe ist. Einer, der immer noch glaubt, er könne Gaza und die Westbank befreien, wenn er der Besatzungsmacht alle Wünsche erfüllt. In Dschenin und anderen Städten im Westjordanland helfen die von Abbas’ Fatah dominierten, palästinensischen Einsatzkräfte fleißig mit, den militanten und bewaffneten Widerstand in den dortigen Flüchtlingslagern zu unterdrücken. Die radikal-islamische Hamas verurteilte das Dekret des Präsidenten als »unpatriotisch«. Sie forderte Abbas auf, den Beschluss umgehend zu widerrufen. »Wir müssen die Opfer der Gefangenen und Verwundeten sowie der Familien der Märtyrer würdigen, anstatt sie im Stich zu lassen.«
Israel droht
Es darf bezweifelt werden, ob es seinem Volk hilft, wenn sich Abbas vor Trump in den Staub wirft. Die Reaktion aus Israel ist alles andere als ermutigend: »Die ist ein neues Täuschungsmanöver der Palästinensischen Autonomiebehörde, das darauf abzielt, Terroristen und ihre Familien weiterhin über alternative Zahlungskanäle zu bezahlen«, so ein Sprecher des Außenministeriums der New York Times zufolge. Möglicherweise erinnert sich Abbas nicht mehr an die Kröten, die er in Trumps erster Amtszeit schlucken musste: Den Umzug der US-Botschaft von Tel Aviv nach Jerusalem und den »Jahrhundertfriedensplan«, der die israelische Seite stark begünstigt. Trump war es auch, der 2018 den »Taylor Force Act« unterzeichnete, der die Wirtschaftshilfe für Palästina auf Eis legte, solange die Familien der Märtyrer Sonderhilfe erhalten. Ganz klar: Israel hat, seitdem der Republikaner wieder Präsident ist, mächtig Oberwasser. Abbas steht es hingegen bis zum Hals.
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