»Gitler kaput!«
Von Sigurd Schulze
Am Anfang stand eine klare Ansage: »Die Diskussion über eine Neuinterpretation sowjetischer Geschichtsnarrative und der damit einhergehenden Symbolik von Denk- und Erinnerungsmalen ist im Kontext des gegenwärtigen Krieges der Russischen Föderation in der Ukraine intensiv begonnen worden. Auch in Dresden gibt es Anlass, vorhandene Denkmale neu zu befragen. (…) Das Ehrenmal ist (…) ein in sich widersprüchliches Denkmal: Es steht einerseits für das Leid, das der deutsche Angriff vom Juni 1941 über die Völker der damaligen Sowjetunion gebracht hat, und für deren Widerstandswillen gegen die faschistische Aggression. Andererseits zeigt das Ehrenmal unverkennbar militaristische und idealisierte Darstellungen mit heroischem Pathos und dokumentiert so auch den Charakter des stalinistischen Systems und Besatzungsregimes, indem es als Siegesmonument stilisiert wurde.« So erklärte es Kulturbürgermeisterin Annekatrin Klepsch (Die Linke) im Mai 2022.
Worum geht es?
Im Frühjahr 1945 begann die Offensive der sowjetischen Truppen zur Niederwerfung des deutschen Faschismus. Mit dem Übergang über die Oder am 16. April 1945 begann die Schlacht um Berlin. Sie kostete 110.000 sowjetische Soldaten das Leben. Sie wurden in deutscher Erde bestattet. Überall errichteten die sowjetischen Truppen Denkmale für ihre Gefallenen. Auch die 5. Gardearmee unter Führung von Marschall Iwan S. Konew, die Dresden am 8. Mai befreit hatte, errichtete für ihre Gefallenen ein Ehrenmal, das am 25. November 1945 auf dem Albertplatz eingeweiht wurde. Es war das erste Denkmal für sowjetische Soldaten auf deutschem Boden.
In der DDR wurde es geachtet und geehrt. Am 8. Mai, dem Tag der Befreiung, fanden jedes Jahr Ehrungen statt. In der Bevölkerung der DDR war das Bewusstsein verankert, dass die Rote Armee den entscheidenden Beitrag zur Befreiung vom Faschismus geleistet hatte. Die werktätige Bevölkerung in Sachsen hatte die Befreiung noch eindrücklicher erlebt, als sie mit Hilfe der Sowjetischen Militäradministration 1946 in einem Volksentscheid die Enteignung der Nazi- und Kriegsverbrecher beschlossen hatte. In die Köpfe zog ein antifaschistischer Geist ein, den sich die Nachgeborenen kaum mehr vorstellen können.
Nach der »Wende« in der DDR wurde das Ehrenmal antisowjetisch und antikommunistisch angefeindet. Bereits 1989 gab es Forderungen zum Abriss des Denkmals. Ebenso wurde die sozialistische Kunst der DDR verworfen und aus öffentlichen Gebäuden oder von Plätzen entfernt. Die Haltung zur sozialistischen Kunst wurde faktisch zum Glaubensbekenntnis gemacht. Die Stadt Dresden bildete eine Kommission, die Ehrenmal und DDR-Kunst bewerten sollte. In deren Ergebnis wurde das Sowjetische Ehrenmal 1994 vom zentral gelegenen Albertplatz auf den abgelegenen Olbrichtplatz verlegt. Bereits 1990 hatte sich Deutschland im Staatsvertrag zwischen der Bundesrepublik Deutschland, der DDR und den vier Siegermächten verpflichtet, die Denkmale zu ehren und zu pflegen. Man könnte annehmen, die Frage sei entschieden, und die Grabmale und die Ehrenmale der sowjetischen Soldaten blieben unangetastet, die Toten könnten in Frieden ruhen.
Der Zahn der Zeit macht auch vor Denkmalen nicht halt. Das neun Meter hohe Ehrenmal wies Schäden auf. Ein Gutachten bezifferte die Kosten einer Sanierung mit 126.000 Euro. Das Denkmal sollte in seiner historischen Form erhalten werden. In der Begründung heißt es: »Das Ehrenmal hält die Erinnerung wach an den von Deutschland angezettelten Zweiten Weltkrieg und dessen Opfer. (…) Die Erhaltung des Ensembles in einem entsprechenden Zustand ist unser Land den gefallenen Soldaten und allen anderen Leidtragenden schuldig.« Und Oberbürgermeister Dirk Hilbert (FDP) erklärte in einer Vorlage vom 14. Dezember 2021: »Die Erhaltung des Denkmals ist für unsere Stadt eine wichtige Pflicht.«
Doch das humanistische Anliegen rief die Gegner des Ehrenmals auf den Plan. Insbesondere in der FDP Dresden wurde der Abriss gefordert. Die Motivation beschrieb das Kunsthaus Dresden so: »Seit dem Einmarsch Russlands in die Ukraine ist in vielen Ländern die Debatte um sowjetische Denkmäler entbrannt – und auch in Deutschland gab es Forderungen zum Abriss sowjetischer Ehrenmäler, so auch (…) in Dresden. (…) Ebenso wie die militaristische Formensprache wirft auch die Einordnung des Denkmals wie auch des 8. Mai als Tag der Befreiung Fragen auf, die für eine zukünftige Kontextualisierung von Bedeutung sind – nicht zuletzt vor dem Hintergrund einer pluralistischen Erinnerungskultur in Europa und einem differenzierten Erinnern der Gewaltgeschichte Ostmittel- und Osteuropas im 20. Jahrhundert.«
Die politische Brücke zur Ahndung des »Einmarschs Russlands« und »der Gewaltgeschichte« war gefunden: »Kontextualisierung«! Im Stadtrat wurde ein »Kompromiss« geschlossen; für die Kontextualisierung wurde noch einmal die gleiche Summe wie für die bauliche Sanierung bereitgestellt, zusammen 250.000 Euro. Die ideologische Arbeit an der Umwertung des Sowjetischen Ehrenmals konnte beginnen.
Ideologische Umwertung
Die erste Runde stellte eine »Diskussion« just am 8. Mai 2022 mit dem Titel »Sehen – Erkennen – Verstehen. Das Sowjetische Ehrenmal in Dresden neu denken?« unter der Federführung der Zweiten Bürgermeisterin und Beigeordneten für Kultur und Tourismus Dresdens, Annekatrin Klepsch, dar. Eine Expertenrunde verständigte sich darauf, dass eine Neuinterpretation postsowjetischer Geschichtsnarrative und der Symbolik von Denk- und Erinnerungsmalen »im Kontext des gegenwärtigen Krieges der Russischen Föderation in der Ukraine« notwendig sei. Denn während das Denkmal einerseits für das Leid stehe, das der deutsche Angriff vom Juni 1941 über die Völker der damaligen Sowjetunion gebracht habe, zeige es »unverkennbar« militaristische und idealisierte Darstellungen mit heroischem Pathos und dokumentiere »so auch den Charakter des stalinistischen Systems und Besatzungsregimes, indem es als Siegermonument stilisiert wurde«.
In dieser Auslegung erweist sich der ideologisierende Charakter der Kontextualisierung des Ehrenmals. Betrachtet man lediglich die Fakten des Ehrenmals, so verkündet es: »Ewiger Ruhm den Kämpfern der Roten Armee, die in den Kämpfen gegen die deutschen faschistischen Invasoren für die Freiheit und Unabhängigkeit der sowjetischen Heimat gefallen sind.« Auch dass der Soldat auf dem Sockel die rote Fahne zum Zeichen des Sieges erhebt, dokumentiert eine unleugbare Tatsache. Alles andere kann der Betrachter denken und hineindenken, allein die Wahrnehmung der Experten spiegelt noch keine Tatsachen. Doch die Diskussion hatte Erfolg: Die Idee der Kontextualisierung war geboren.
In der zweiten Phase schritten die Kontextualisierer zur Tat. Das Kunsthaus Dresden und die Künstlerin Svea Duwe entwickelten eine »temporäre künstlerische Intervention sowie ein öffentliches Diskussionsformat«. Dies wäre geboten angesichts des herannahenden 80. Jahrestages der Befreiung 2025. Zwar war die bauliche Sanierung des Denkmals für 2024 geplant, und das Denkmalamt hatte eine Sicherungsspange zum Unfallschutz angebracht, doch das genügte nicht. Nach Auffassung Duwes muss das Ehrenmal »aus heutiger Sicht nicht nur in Bezug auf seinen baulichen Zustand, sondern auch inhaltlich saniert werden«.
Duwe stellte die Frage nicht nur nach der materiellen Fragilität, sondern auch nach der »Fragilität der erinnerungskulturellen Kontexte und einer erforderlichen Neubewertung« des Denkmals. Sie legte selbst Hand an und beklebte das Denkmal mit Spruchbändern: »Dieses Gebilde ist fragil« (jW am 23.5.2023). Diese »temporäre Installation« empfing die Besucher, die die toten Sowjetsoldaten am 8. Mai ehren wollten. Medial war die künstlerische Intervention ein voller Erfolg. MDR Kultur titelte: »Kunstaktion will Debatte über Sowjetische Ehrenmale anregen.«
Versteckte Ukrainer?
Die Kulturbürgermeisterin Annekatrin Klepsch ging zur dritten Phase der Umwertung über. Im Januar 2024 berief sie einen »Beirat für Erinnerungskulturen« ein, einschließlich einer »Arbeitsgruppe Sowjetisches Ehrenmal«. Im Mai 2024 wurde eine »Kontextualisierung« des Sowjetischen Ehrenmals beschlossen. Auf Stelen im Umkreis des Denkmals sollen die Besucher auf »Probleme« hingewiesen werden, die bei der Betrachtung des Denkmals Zweifel an seiner Wahrhaftigkeit wecken könnten. Zum Beispiel könnte verschwiegen worden sein, dass die Soldaten der 5. Gardearmee »überwiegend« aus Ukrainern (und nicht etwa aus Russen) bestanden habe. Das weckt den Verdacht: Verstecken »die Russen« etwa »ihre Ukrainer«? Oder: Man mache sich Gedanken zur Ambivalenz von »Befreiung« und »Besatzung« sowie zur Rolle der Roten Armee in Dresden (Gedanken über eine Zeit, in der die Gefallenen der 5. Gardearmee bereits tot waren). Oder Fragen zum »heutigen erinnerungspolitischen Umgang mit dem Denkmal, besonders am 8. und 9. Mai«. (Der 9. Mai wird in Russland als Tag des Sieges gefeiert.) Geplant sind auch Texte in ukrainischer Sprache, damit gelegentliche ukrainische Besucher nicht durch Russisch verschreckt werden.
Zum Symbol der roten Fahne hatte sich der Historiker Justus H. Ulbricht bereits in seiner Rede bei der »künstlerischen Intervention« am 8. Mai 2023 geäußert. Er beanstandete zum Beispiel, dass der Soldat auf dem Denkmal die Fahne zum Zeichen des Sieges hochhält und nicht in Trauer senkt. Er schreckte auch nicht davor zurück, die Lieder, die in Italien und Deutschland auf die rote Fahne gesungen werden, mit dem Horst-Wessel-Lied zu vergleichen. Und zum Ehrenmal: »Wir« müssten nicht nur das Denkmal »ertüchtigen« (!), sondern auch unsere Erinnerungskultur. »Wie kommentieren wir künftig ein Monument, das uns weitgehend oder komplett fremd geworden ist?« – »Müssen wir künftig unsere Beziehung zu Russland überdenken, wenn wir auf ein Denkmal schauen, das auch an viele gefallene Ukrainer erinnert?«
Zum Anteil der Ukrainer an der 5. Gardearmee bat junge Welt die Pressestelle der russischen Botschaft um Auskunft. Diese teilte mit:
»Die Behauptung, dass irgendwelche Militärverbände der Roten Armee, unter anderem die 5. Gardearmee, überwiegend aus Ukrainern bestanden, ist spekulativ, provokativ und hat keine echte Grundlage. Die Sowjetunion war ein Vielvölkerstaat, in dem vor Anfang des Großen Vaterländischen Krieges infolge eines massiven sozialen, wirtschaftlichen und kulturellen Wandels starke Bevölkerungswanderungen und ethnische Vermischungen stattgefunden haben.
Die Einberufung in die Rote Armee und die Bildung militärischer Verbände erfolgten nicht auf der Grundlage der Herkunft der Menschen. Alle Völker wurden gleichermaßen betroffen mit der Ausnahme von kleinen und indigenen Minderheiten.

Die Russische Föderation teilt die sowjetischen Krieger, die gemeinsam im Kampf gegen den deutschen Nationalsozialismus fielen und auf dem Gebiet der Bundesrepublik und anderer Länder bestattet sind, nicht nach ihrer Herkunft ein. Wir halten solche Versuche für unmoralisch und inakzeptabel.«
Seit August vergangenen Jahres tüfteln die Dresdner Kontextualisierer an den Formulierungen für die Stelen. Zwar soll das Ensemble des Ehrenmals entsprechend der Begründung der Sanierung erhalten werden – was Ausbauten oder Ergänzungen ausschließt –, aber am Plan der Kontextualisierung wird festgehalten. Die Metallteile des Ehrenmals wurden inzwischen abgebaut und werden saniert. Doch die Kontextualisierungstexte werden geheimgehalten. Nach Auskunft des Amtes für Kultur und Denkmalschutz vom Montag, den 10. Februar, werden sie nicht zur Verfügung gestellt.
Doch nicht zum ersten Mal stellt sich die Frage: Was haben die toten Soldaten von 1945 mit dem Krieg in der Ukraine zu tun? Wer will mit wem eine Rechnung begleichen? Wozu will man noch einen Keil zwischen Russen und Ukrainer treiben? Brauchen Dresdner Politiker noch immer einen Popanz für die Abrechnung mit dem Sozialismus? Oder gar mit der Befreiung vom Faschismus? Wer zwingt sie dazu, sich an den toten sowjetischen Soldaten zu vergehen? Müssen deutsche Oberlehrer ihre Überlegenheit beweisen?
Es geht auch anders
Dass es auch anders geht, beweist das Sowjetische Ehrenmal in der Schönholzer Heide in Berlin. Dort sind 13.200 gefallene sowie 3.000 kriegsgefangene Sowjetsoldaten bestattet. Das Ehrenmal wurde in den Jahren 2011 bis 2013 instand gesetzt und am 13. August 2013 vom Berliner Senator für Stadtentwicklung und Umwelt, Michael Müller, und dem Botschafter der Russischen Föderation, Wladimir M. Grinin, gemeinsam wiedereröffnet. In den Torhäusern sind Zitate von J. W. Stalin angebracht. Deutsche Oberlehrer würden sie diskutieren, doch niemand nimmt daran Anstoß.
Ein anderes Beispiel: In der Normandie liegen Zehntausende amerikanische, britische, kanadische, französische und deutsche Soldaten auf vorbildlich gepflegten Friedhöfen bestattet. Viele französische Gemeinden haben den USA den Grund und Boden für ihre Gefallenen geschenkt. Auch der Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge berichtet regelmäßig, dass russische und belarussische Behörden ihn darin unterstützen, auf ihren Territorien die Überreste deutscher Soldaten zu exhumieren und zu bestatten. Im November 2024 schrieb der Volksbund an den Verfasser: »In einer Welt, in der Konflikte und Auseinandersetzungen allgegenwärtig sind, ist unsere Mission aktueller denn je. Wir glauben fest daran, dass Gedenken und Erinnern an die Vergangenheit dazu beitragen, eine friedliche Zukunft zu gestalten. Indem wir die Geschichten der Vergangenheit bewahren und die Gräber der Soldaten und zivilen Toten pflegen, schaffen wir ein Bewusstsein für die Schrecken des Krieges und fördern gleichzeitig die Verständigung und Versöhnung zwischen den Völkern.«
Im Mai 2023 erklärte der sächsische Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) auf die Frage von jW, ob es das Anliegen des Freistaates Sachsen und der Kunststadt Dresden sein könne, an den sowjetischen Denkmalen »herumzumodeln«: »Es gibt viel Gerede, wie wir mit den sowjetischen Ehrenmalen umgehen sollen. Wir haben uns in der Bundesrepublik Deutschland der Geschichte gestellt. Wir haben das in einem Staatsvertrag geregelt. Der Denkmalschutz wird gewahrt. Ein Abbau kommt nicht infrage. Einzelne können Einwände machen. Wir sollten das mit viel Gelassenheit und Ruhe behandeln.«
Frage nach der Verantwortung
Hört in Dresden niemand die Signale? Will man vollendete Tatsachen schaffen? Spätestens hier stellt sich die Frage nach der Verantwortung. Das »Neudenken« des Sowjetischen Ehrenmals in Dresden wird im Verantwortungsbereich der Beigeordneten für Kultur und Tourismus, Annekatrin Klepsch, betrieben. Klepsch tritt auch bei öffentlichen Veranstaltungen wie der Kunstaktion am 8. Mai 2023 auf. Auch die Vertreterin der Linken im Beirat, Margot Gaitzsch, forderte bereits in seiner konstituierenden Sitzung, die Kontextualisierung zu priorisieren. Dies kann nicht ohne Einverständnis ihrer Partei in Dresden gehen. Obwohl es unter den Mitgliedern der Linken nach der »Kunstaktion« Unruhe gab, wird unbeeindruckt weitergemacht. junge Welt fragte den Fraktionsvorsitzenden der Linken im Dresdner Stadtrat, André Schollbach, wie die »Kontextualisierung« des Sowjetischen Ehrenmals mit den friedenspolitischen Grundsätzen der Linken zu vereinbaren sei. Im Namen der Fraktion antwortete die Stadträtin Kristin Dänhardt:
»Der 8. Mai als Tag der Befreiung muss in der Dresdner Gedenkkultur einen ähnlichen Stellenwert wie der 13. Februar erhalten. Der Tag steht symbolisch für das Ende des Faschismus in Deutschland und für den Beginn eines nunmehr 80 Jahre dauernden Friedens.
Die Erhaltung des Ehrenmals ist ein wichtiger Bestandteil der Gedenkkultur Dresdens.
Die Verbrechen Nazideutschlands waren und bleiben ein in ihrem Ausmaß singuläres Verbrechen. Eine Relativierung der Opfer im Kampf gegen den Faschismus birgt die Gefahr einer Relativierung der Schuld Nazideutschlands. Der Kontextualisierung des Ehrenmals sind in dieser Hinsicht Grenzen gesetzt – das sind zumindest Grenzen, die wir ziehen.
Eine aktuelle Bezugnahme kann – sensibel vorgenommen – allerdings auch das positive Gegenteil bewirken, wenn sie Bezug auf das Leid nimmt, das Kriege mit sich bringen, auf die Gefahr eines erstarkenden Faschismus und auf den zwingenden Zusammenhang zwischen faschistischen Ideologien und ihren kriegerischen Auswirkungen.
Dass das Ehrenmal saniert wird, ist allerdings ein Erfolg, zu dem wir einen Beitrag geleistet haben.«
Das klingt versöhnlich, hat allerdings den »Haken«, dass unterschwellig in Dresden gestritten wird, ob die Bombardierung Dresdens eine notwendige Maßnahme der Kriegführung oder ein Verbrechen war. Könnte also die Befreiung Dresdens durch die 5. Gardearmee ein Einerseits-Andererseits haben? Und – kleiner Hinweis – der Frieden in Europa war 1999 mit der Bombardierung Jugoslawiens durch die NATO zu Ende. Im Kern der Sache heißt es, es wird weiter (sensibel!) kontextualisiert. Dem Unfug wird kein Ende gesetzt.
Diese Position ist nicht unbestritten. Für die Fraktion des Bündnisses Sahra Wagenknecht im Stadtrat ist die »Kontextualisierung« ganz und gar nicht zustimmungsfähig, wie der Stadtrat Jan Matheas gegenüber jW erklärt. Doch bis heute hat sich in Dresden keine politische Kraft formiert, die sich der skandalösen Herabwürdigung des Sowjetischen Ehrenmals konsequent entgegenstellt. Die Geschichte wird vor aller Augen revidiert. Wenn das Ehrenmal am 8. Mai zum 80. Jahrestag der Befreiung vom Faschismus der Öffentlichkeit wieder übergeben wird, werden die Besucher durch Kommentare belehrt, was am Denkmal und seiner Botschaft nicht stimmt.
Das Pikante an der Diskussion um das Sowjetische Ehrenmal: Die 5. Gardearmee wurde großteils aus Verbänden formiert, die in der Schlacht um Stalingrad gesiegt hatten. An denen können »wir« uns heute unser Mütchen kühlen. So gewinnen »wir« den Krieg doch noch. Eine Wahrheit aber werden die Dresdner Neuhistoriker nicht umstoßen: »Гитлер капут!« – »Gitler kaput!«
Sigurd Schulze schrieb an dieser Stelle zuletzt am 30. August 2021 über Ausstellungen in französischen Museen über die verbrecherische Kriegs- und Besatzungspolitik Nazideutschlands.
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Leserbrief von Bernd Kulawik aus Rostock (15. Februar 2025 um 12:05 Uhr)Ausgerechnet die FDP setzt sich gegen das Denkmal ein? Also de (!) Partei, die nach ihrer Gründung (im Westen) prozentual mehr (!) alte Nazis – und unter diesen zweifellos zahlreiche Kriegsverbrecher – unter ihren Mitgliedern hatte als jede andere? Apropos: Kürzlich wurde erst bekannt, dass Helmut Schmidt kurz vor seinem Tod gegenüber Giovanni di Lorenzo eingestanden hat, als Artillerie-Offizier der Wehrmacht bei der Belagerung Leningrads auch wissentlich Zivilisten getötet = ermordet zu haben. Er hat sich ja nicht nur nie (!) für seine Taten dort entschuldigt – z. B. beim russischen Präsidenten, dessen Bruder als Dreijähriger durch diese Belagerung starb –, sondern sich auch nie öffentlich davon distanziert oder wenigstens Reue bekundet. Für ihn waren die Deutschen wie er nur arme, von »Adolf Nazi« Verführte. Seltsam, dass damals ebenfalls sehr junge Leute wie die Geschwister Scholl und unzählige Kommunisten, Sozialdemokraten, Gewerkschafter, Christen … sich nicht (!) verführen ließen, aber er, der spätere Welt(geist)erklärer und enger Freund des wohl größten schreibtischtäternden Massenmörders nach 1945, Henry Kissinger, schon … Dass Schmidt für seinen »Einsatz« vor Leningrad ein »Eisernes Kreuz« erhielt, sei nur am Rande erwähnt. Wichtiger ist, dass eine Kaderschmiede (hochtrabend »Universität« genannt!) der Bundeswehr(»macht« – angesichts ihrer »Traditionen« die angemessenere Bezeichnung) nach Schmidt benannt ist, der also wegen obiger Aussage spätestens jetzt als Kriegsverbrecher angesehen werden muss. »Der Schoß ist fruchtbar noch, aus dem DAS kroch« (Brecht) … selbst in subalternen Parteipöstchenrängen einer Stadt wie Dresden! Das dazu passende Zitat Max Liebermanns spare ich mir hier …
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Leserbrief von Onlineabonnent/in Alexander D. aus Grasberg (13. Februar 2025 um 16:35 Uhr)Moin lieber Sigurd Schulze, für den Artikel »Gitler kaput!« (Sigurd Schulze, jW vom 13.02.2025) möchte ich mich bedanken. Er war sehr lesenswert und korrekt, aber der Marschall Iwan S. Konew war der Befehlshaber der 1. Ukrainischen Front und damit auch der 5. Gardearmee (einer Untergliederung der 1. Ukrainischen Front). Also keine Angst vor polnischen und ukrainischen historischen Idioten wegen des Namens eines Verbands der Roten Armee. (sieh dazu Zitat der Pressestelle der russischen Botschaft in dem Artikel). Solidarische Grüsse Dr. Alexander Kwapisz
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Leserbrief von Onlineabonnent/in Andreas E. aus Schönefeld (13. Februar 2025 um 05:39 Uhr)Heute vor 80 Jahren wurde Dresden von den Angloamerikanern total zerstört, das sollte nie vergessen werden. Die Soldaten der Roten Armee brachten den hungernden Menschen in Dresden Brot zum Überleben, die Sowjetunion teilte das, was auf ihren durch die Wehrmacht und SS-Verbände verbrannten Erde noch wuchs, mit der Bevölkerung nicht nur Dresdens, sondern ganz Ostdeutschlands. Es war eine multinationale Armee, die Sowjetunion war ein Vielvölkerstaat. Und wenn man schon behauptet, die 5. Gardearmee bestand im Wesentlichen aus Ukrainern, sollte man auch die Kehrseite der Medaille betrachten. Es gab Verbände der deutschen Armee, die sich aus Ukrainern rekrutierten. Bandera und seine Anhänger waren an schlimmsten Kriegsverbrechen gegen jüdische und russische Menschen beteiligt. Dafür werden sie jetzt in der Ukraine (und anderswo) gefeiert. Das Opfer von 27 Millionen toten Sowjetbürgern für die Befreiung Europas vom Faschismus soll jetzt also »kontextualisiert« werden. Unter anderen von Vertretern der Partei Die Linke. Man könnte es mit mangelnder Geschichtsbildung »entschuldigen«. Aber das greift viel zu kurz. Es ist purer Opportunismus. Es ist eine dem deutschen Mainstream angepasste Einstellung. Alles Böse kam und kommt aus dem Osten, aus Russland. Pfui Teufel, wer sich so an der Erinnerung an die dunkelste Zeit in Europa vergreift, macht den rechten Rand in dieser Gesellschaft nur noch stärker … Es bestärkt die Kriegstreiber hier in Deutschland in ihren Bestrebungen, Russland nun im dritten Anlauf in die Knie zu zwingen.
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Leserbrief von Fred Buttkewitz aus Ulan - Ude (17. Februar 2025 um 13:24 Uhr)»Das Opfer von 27 Millionen toten Sowjetbürgern für die Befreiung Europas vom Faschismus soll jetzt also «kontextualisiert» werden. Unter anderen von Vertretern der Partei Die Linke.« Für mich ist das einfach nur feige. Warum so vorsichtig? Der 2+4-Vertrag wird ja an mehreren anderen Stellen ebenfalls nicht beachtet. Da kommt es auf eine Verletzung mehr oder weniger auch nicht mehr drauf an. Nehmt doch einfach wie in Polen bei Denkmälern für sowjetische Soldaten die Abrissbirne und schickt den Schutt auf die Müllhalde. Das wäre dann wenigstens ehrlich und diesem elenden Getue und den Diskussionen im Stil eines Schrebergartenvereins vorzuziehen. Aber nein! Abreißen, dazu ist man in Deutschland zu edel und gut erzogen, vor allem so »vertragstreu« Russland gegenüber. Die Verunglimpfung der UdSSR kann man ja auch auf feinere Weise vollziehen. Das Lenindenkmal vom ehemaligen Leninplatz in Berlin landete nicht im Müll, sondern wurde nur zerlegt und an der entlegendsten Stelle der Müggelberge vergraben. Lenin schläft nur. Na wenn das die PdL nicht unterschreiben kann! Der Platz heißt jetzt »Platz der Vereinten Nationen«. Da vermisse ich dann allerdings eine Kontextualisierung über den nicht von den Vereinten Nationen genehmigten unprovozierten Angriffskrieg auf Jugoslawien mit deutscher Beteiligung. Bei dieser Kontextualisierung darf auch nicht die Aufzählung von Tausenden Toten durch Hunger und Krankheiten fehlen, weil Deutschland sich nicht an die UNO-Charta hält und völkerrechtswidrige Sanktionen in vielen Ländern unterstützt. Anschließend machen wir einen Spaziergang durch den Tiergarten und bewundern die vielen nicht kontextualisierten Denkmäler der Kaiserzeit. Der Tag klingt dann aus, indem wir wieder einmal via Hindenburgdamm (ohne erklärende Hinweisschilder über dessen Heldentaten) im preußischen Potsdam den vielen ebenfalls nicht kontextualisierten Gedenkstätten für deutsche Größe unsere Reverenz erweisen.
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Leserbrief von Onlineabonnent/in Torsten Andreas S. aus Berlin (13. Februar 2025 um 00:35 Uhr)Guten Abend! Es ist kaum zu fassen, was Sie da beschreiben mussten! Danke (!) für den Versuch eines Trostes zum Schluss! Aber es ist seit Jahren in Mode, jede irgendwie machbare Russophobie als nur Tendenz zur historischen Neubewertung – bei Ihnen sehr richtig: Umwertung, also auch Neuwertung – zu verharmlosen. Oder zum vom Bundestag anerkannten und beschlossenen Russenhass zu erheben: Holodomor. Angezettelt im Moskauer Kreml, dem zwar nur Ukrainerinnen und Ukrainer zum Opfer fielen, wie in der Berliner Waschmaschine gegen den Kreml und die gesamte nicht russophob einge- und verschworene Wissenschaft konstatiert und manifestiert wurde und wird. Vom Westen der UdSSR bis nach Kasachstan wurde verhungert. Aber, Methode W. Selenski: Ich wiederhole oft genug, dann stimmts und füllt die Kassen.
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