Dein roter Faden in wirren Zeiten
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Aus: Ausgabe vom 14.02.2025, Seite 12 / Thema
Gewerkschaften

Konversion pervers

Die Umstellung der Produktion in Görlitz zugunsten des Panzerbaus ist Ausdruck der Burgfriedenpolitik der Gewerkschaften
Von Andreas Buderus
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Mit einem Zug kann man nun eben nicht schießen. Am Traditionsstandort Görlitz werden demnächst statt Waggons Panzer gebaut. Nicht nur die Politik und die Vertreter des Rüstungskonzerns KNDS sind zufrieden, auch die IG Metall scheint einverstanden (Görlitz, 5.2.2025)

Schwerter zu Pflugscharen! Diese Parole der Friedensbewegung der 1980er Jahre war – nach anfänglich erheblichem »Fremdeln« – spätestens ab 1983 auch ein gewerkschaftliches Kampfmotto, insbesondere der IG Metall. Damals stand die Rüstungskonversion im Mittelpunkt gewerkschaftlicher Kämpfe. Heute ist davon in der konkreten gewerkschaftlichen Betriebsarbeit nichts mehr übrig, wie das Beispiel Görlitz zeigt, wo der traditionsreiche Waggonbau zugunsten der Panzerproduktion eingestellt wird. Die IG Metall klatscht dazu Beifall. Der neue Zweck des Werks? Die Produktion von Rüstungsgütern für den deutsch-französischen Panzerbauer KNDS. Die Zustimmung der IG Metall kommt einer gewerkschaftlichen »Zeitenwende« gleich, eine Kapitulation vor der Logik des Krieges und den Profitinteressen des militärisch-industriellen-Komplexes, ungeachtet aller gewerkschaftlichen Prinzipien und Beschlusslagen.

Was in den 1980er, 1990er und selbst bis Mitte der 2000er Jahre ein zentraler Bestandteil gewerkschaftlicher Kämpfe war – der Widerstand gegen weltweite Kriege, Militarismus und die Kriegsindustrie –, wird heute von vielen Betriebsräten und Gewerkschaftsvertretern unter dem Motto »Arbeitsplatzsicherung – egal wie!« aktiv verraten, so wie jetzt in Görlitz. Ob man Schienenfahrzeuge oder Teile für den Radpanzer »Boxer« herstellt, scheint den Zuständigen der IG Metall schlicht egal zu sein. Dieselbe Gewerkschaft, die sich noch 2019 für die Umstellung von Rüstungsbetrieben auf zivile Produktion starkmachte, segnet nun den umgekehrten Weg ab. Das ist Verrat am Frieden, Verrat an der eigenen Beschlusslage und den eigenen Mitgliedern.

Teilnahmeverbote

Am 22. Dezember 1955 hieß es in der Stellungnahme des DGB-Bundesvorstandes zur im November erfolgten Gründung der Bundeswehr erkennbar im Bewusstsein des antifaschistischen Konsenses der Nachkriegsjahre noch ziemlich eindeutig: »Eine Politik der Vollbeschäftigung, ausreichende Fürsorge für Sozialrentner, Flüchtlinge und Arbeitsunfähige und vor allem das Mitbestimmungsrecht der Arbeitnehmerschaft und Gewerkschaften in der Wirtschaft sind bessere Garantien für Frieden und Sicherheit als Panzerdivisionen.« Das entscheidende Mittel, das allein Frieden und Sicherheit gewährleisten könne, sei die Herstellung sozial gerechter und wirtschaftlich vernünftiger Zustände. Und in einer Entschließung des DGB-Kongresses vom Oktober 1956 hieß es in deutlicher Abgrenzung zur Einführung der Wehrpflicht: »In der Bundesrepublik haben Bundesregierung und Bundestag über die Warnungen und Willensbekundungen auch der Gewerkschaften hinweg die Errichtung einer ›Bundeswehr‹ auf der Grundlage der allgemeinen Wehrpflicht beschlossen. Der DGB bedauert diese Entwicklung. Er lehnt die Aufrüstung in beiden Teilen Deutschlands nach wie vor ab. Der DGB wird die Kräfte unterstützen, die Willens sind, mit demokratischen Mitteln die Wiederbewaffnung im gespaltenen Deutschland und die Wehrpflicht wieder rückgängig zu machen.«

Aber keine zweieinhalb Jahre später – obwohl die DGB- und IG-Metall-Vorsitzenden Willi Richter und Otto Brenner prominent am Ausschuss »Kampf dem Atomtod« beteiligt waren – konnten sich die DGB-Gewerkschaften nicht zu weitergehenden Maßnahmen im Kampf gegen die Stationierung von US-Atomwaffen in Deutschland durchringen. Einen Generalstreik oder auch die vorgeschlagene symbolische Niederlegung der Arbeit für fünf Minuten lehnte der DGB ab.

Und obwohl viele Gewerkschafter mit ihrer gewerkschaftlichen Funktionsangabe aktiver Teil der Ostermarschbewegung der 1960er Jahre waren und die Aufrufe zu den Demonstrationen unterschrieben, stand der DGB-Vorstand im antikommunistischen Klima des Kalten Kriegs nach dem Verbot der KPD 1956 den Ostermärschen zunächst kritisch gegenüber, bis hin zu offenen Distanzierungen und offiziellen Teilnahmeverboten: Ende März 1961 fasste der DGB-Bundesvorstand einstimmig einen Beschluss, der nicht nur vor einer Teilnahme an den Ostermärschen warnte, sondern die Beteiligung ausdrücklich untersagte. Dieser Beschluss ließ sich aber nicht durchhalten, denn es bestand die Gefahr, dass er so oft missachtet werden würde, dass Disziplinarmaßnahmen weder organisatorisch noch gar politisch zu bewältigen gewesen wären.

Als dann die Jugendkonferenz der IG Metall 1962 zur Unterstützung der Ostermärsche aufrief, hatte dies Signalwirkung auf die gesamte Gewerkschaftsjugend. Eine Reihe von Jugendkonferenzen der Einzelgewerkschaften folgten diesem Vorbild. Nachdem bis zum Februar 1964 die IG Metall, die IG Chemie, Papier und Keramik und die IG Druck und Papier ihren Mitgliedern die Beteiligung an den Ostermärschen »freigestellt« hatten – allerdings ohne selbst zur Teilnahme aufzurufen –, nahm auch der DGB zwangsläufig eine ähnliche Position ein. Nach einem neuen Beschluss vom Januar 1964 hatten »nur noch« Unterschriftsleistungen mit Funktionsbezeichnung zu unterbleiben.

Mühsamer Prozess

Auch die Annäherung der DGB-Gewerkschaften an die Friedensbewegung in den 1980er Jahren war ein mühsamer und konfliktbeladener Prozess. Noch zu Beginn des Jahrzehnts zeigte sich der DGB zurückhaltend gegenüber dem 1979 von SPD-Kanzler Helmut Schmidt initiierten NATO-Doppelbeschluss und vermied es, sich in seinen Wahlempfehlungen 1980 überhaupt zum Thema zu äußern.

Ein anschauliches Beispiel für diese Konflikte war die Maßregelung von Georg Benz, einem geschäftsführenden Vorstandsmitglied der IG Metall. Benz hatte im Oktober 1981 auf der ersten Demonstration im Bonn Hofgarten als IG-Metall-Vertreter eine Rede gehalten und sich dabei klar gegen die atomare Aufrüstung positioniert, obwohl der Bundesvorstand des DGB noch im August 1981 seinen Unterorganisationen ausdrücklich verboten hatte, zur Teilnahme an der Demonstration aufzurufen. Das Motto der Demonstration, an der sich mehr als 300.000 Menschen beteiligten, lautete: »Gegen die atomare Bedrohung gemeinsam vorgehen«. Das couragierte Engagement von Georg Benz rief den damaligen IG-Metall-Vorsitzenden Eugen Loderer auf den Plan, der Benz für seinen eigenmächtigen Auftritt scharf kritisierte. Loderer sah darin einen unzulässigen Alleingang, der nicht mit der offiziellen Linie der Gewerkschaft abgestimmt war. Diese Episode verdeutlicht, wie schwierig sich die gewerkschaftliche Positionierung innerhalb der Friedensbewegung gestaltete und wie stark der innere Widerstand gegen eine explizite Friedenspolitik war.

Trotz dieser Differenzen entwickelte sich in den Jahren nach 1983 eine engere Verbindung zwischen DGB und Friedensbewegung. Besonders die IG Metall und die Gewerkschaftsjugend spielten eine zunehmend aktive Rolle in der Mobilisierung für Friedensdemonstrationen.

Der »Friedensherbst 1983« zeigte das wachsende Engagement der Gewerkschaften. Mit Aktionen wie der fünfminütigen Mahnpause »5 vor 12« am 5. Oktober, an der sich zahlreiche Gewerkschaftsmitglieder beteiligten, signalisierte der DGB erstmals eine deutliche Positionierung gegen die nukleare Aufrüstung. Dieses Engagement entwickelte sich in den folgenden Jahren weiter, als sich die Gewerkschaften verstärkt in Debatten um Abrüstung und Konversion einbrachten. Dabei wurde deutlich, dass die gewerkschaftliche Einbindung in die Friedensbewegung nicht nur eine moralische, sondern auch eine strategische Notwendigkeit war: Eine alternative Industriepolitik zur Sicherung von Arbeitsplätzen in einer postmilitarisierten Wirtschaft wurde zum zentralen Anliegen.

Frieden als soziale Frage

Noch 2019 heißt es entsprechend im Aufruf des DGB zum Antikriegstag: »›Nie wieder Krieg! Nie wieder Faschismus!‹ Das ist die Antwort der Gewerkschaften auf das unermessliche Leid, das Nazideutschland über die Welt gebracht hat, als es am 1. September 1939 Polen überfiel und damit die Katastrophe des Zweiten Weltkriegs auslöste. Achtzig Jahre nach Beginn des grauenhaften Vernichtungskriegs der Nazis haben wir allen Anlass, am Antikriegstag daran zu erinnern, wohin das Wiedererstarken von blindwütigem Nationalismus und Militarismus, von Menschenfeindlichkeit und Rassismus führen kann. Demokratie, Frieden und Freiheit sind keine Selbstverständlichkeit, sondern müssen entschlossen verteidigt werden. Das weiß niemand besser als wir Gewerkschaften. Deshalb waren wir von Anfang an zentraler Teil der Friedensbewegung und haben zu ihren Erfolgen beigetragen. Wir wissen aber auch: Unser Kampf gegen Faschismus, nationalistische Kriegstreiberei und besinnungsloses Wettrüsten ist längst nicht vorbei. Im Gegenteil: Wir leben heute in einer Welt, in der unser gewerkschaftlicher Einsatz für eine starke Friedensbewegung besonders gefordert ist. (…) Weltweit befinden sich die Feinde der Demokratie, Autokraten und autoritäre Regime auf dem Vormarsch. Sie schüren neue Feindbilder. Sie instrumentalisieren die tiefe Verunsicherung, die das Gefühl bei vielen Menschen auslöst, in einer Welt zu leben, die völlig aus den Fugen geraten ist. Eine Welt, die durch eine wachsende Zahl an bewaffneten Konflikten geprägt ist. Eine Welt, in der sich 70 Millionen Menschen auf der Flucht vor Krieg und Bürgerkrieg, vor politischer Verfolgung, vor Naturkatastrophen und Armut befinden. All diese Probleme lassen sich nur mit weniger statt mit mehr Waffen lösen. Um dieser Forderung Nachdruck zu verleihen, engagiert sich der DGB in der Friedensinitiative ›Abrüsten statt Aufrüsten‹. Deren Aufruf gegen das Zweiprozentziel der NATO haben inzwischen mehr als 150.000 Unterstützerinnen und Unterstützer unterzeichnet. Wir rufen öffentlich dazu auf, den Aufruf mitzuunterschreiben und sich an den zahlreichen Aktionen der Initiative zu beteiligen.«

Langfristig trugen die DGB-Gewerkschaften bis zum Überfall der Russischen Föderation auf die Ukraine im Februar 2022 dazu bei, dass Frieden und Abrüstung als soziale und wirtschaftspolitische Fragen verstanden wurden, die nicht losgelöst von der Perspektive der Beschäftigten zu betrachten sind. Die Friedensfrage wurde als eine soziale Frage erkannt.

»Wir können die Probleme, die es auf unserer Erde gibt, nur zivil lösen. Dafür müssen wir das Militärische stoppen, und zwar überall! In den Köpfen, in den Medien und in der Politik. Und wir wollen die Konversion mit neuem Schwung nicht nur zum Thema machen, sondern auch praktisch vorantreiben. Abrüsten statt Aufrüsten, das ist die vordringliche Aufgabe für uns alle!« äußerte Wolfgang Lemb, geschäftsführendes Vorstandsmitglied der IG Metall, auf dem Bundeskongress der Deutschen Friedensgesellschaft – Vereinigte KriegsdienstgegnerInnen (DFG-VK) im November 2019.

Die gewerkschaftliche Beteiligung an der Friedensbewegung war letztlich ein Ausdruck der Erkenntnis, dass die Verteidigung der Interessen der arbeitenden Bevölkerung untrennbar mit dem Kampf gegen Militarismus und Krieg verbunden ist. Trotz der anfänglichen Widerstände wurden die Gewerkschaften so zu einer der wichtigsten gesellschaftlichen Kräfte im Kampf für eine friedlichere und sozial gerechtere Welt.

Noch 2015 hieß es in dem Beschluss »Friedenspolitik und Rüstungskonversion« des 23. Gewerkschaftstages der IG Metall: »Langfristig muss es Ziel sein, die Rüstungsproduktion und Rüstungsexporte weltweit ganz abzuschaffen. Es darf keine Rüstungsexporte aus Deutschland in Krisenregionen geben. Die IG Metall muss sich stärker als bisher für die Beachtung der grundgesetzlichen Bestimmungen einsetzen, die Handlungen verbieten, die geeignet sind, das friedliche Zusammenleben der Völker zu stören, insbesondere die Führung eines Angriffskrieges und den Einsatz der Bundeswehr jenseits der Landesverteidigung (…). Die IG Metall lehnt jegliche politischen Handlungen und Entscheidungen ab, die Konflikte und Kriege befördern sowie die Verfolgung von geopolitischen Interessen unter dem Vorwand der humanitären Hilfe. Kriege sind nie ein Mittel zur Konfliktbewältigung gewesen und müssen aus diesem Grunde, auch entsprechend Paragraph 2 unserer Satzung, abgelehnt werden.«

Historischer Kniefall

Was jedoch seit dem Ausbruch des Ukraine-Krieges im Zuge der Militarisierung des öffentlichen Diskurses und der Kriegstüchtigmachung Deutschlands in den Gewerkschaften und vor allem in deren Vorstandsetagen entgegen aller Beschlüsse passiert, hat einen Namen: Burgfrieden.

Die Umwidmung des Waggonbaus in Görlitz zu einer Panzerschmiede steht exemplarisch für die Kapitulation des DGB und seiner Mitgliedsgewerkschaften vor der SPD geführten olivgrün-behelmten Kriegsregierung und dem militärisch-industriellen Komplex. Bereits im Vorfeld des Ersten Weltkriegs und während des Massenschlachtens dieses ersten industriellen Krieges verriet die Gewerkschaftsführung in Kumpanei mit der MSPD die Arbeiterklasse, indem sie sich im Namen einer phantasierten »nationalen Verantwortung« auf die Seite der Kriegsprofiteure und ihrer politischen Steigbügelhalter stellte. Millionen Arbeiter wurden damals erst in die Schützengräben und dann ins Massengrab getrieben. Heute wiederholt sich die Geschichte als Farce, wenn die IG Metall gemeinsam mit Konzernbossen und der Bundesregierung die Umstellung ziviler auf Kriegsproduktion als »gute Lösung« verkauft.

Die Worte von Mirko Schultze (Die Linke) auf der Protestkundgebung in Görlitz treffen ins Schwarze: »Beschäftigte müssen in der Logik der militaristischen Zeitenwende auf weitere Aufrüstungsmaßnahmen oder gar Kriege hoffen, um zukünftig noch ihren Lebensunterhalt zu sichern – Konversion pervers!«

Am 1. Mai 2024 hielt der Vorsitzende der Gewerkschaft Verdi, Frank Werneke, auf der DGB-Kundgebung in München eine Rede, die angesichts der kriegerischen und zunehmend unerträglicheren Weltlage an Flachheit und Leere kaum noch zu überbieten ist: Über die zunehmend aggressive Militarisierung der gesamten Gesellschaft – gerade in Bayern – verlor er kein Wort. Das 100-Milliarden-Euro-Militarisierungskriegskreditepaket griff Werneke nicht an, im Gegenteil äußerte er, wenn es 100 Milliarden Euro Sondervermögen für die Rüstung gebe, dann könne ähnliches doch auch für soziale Zwecke gemacht werden.

Wer so wie Frank Werneke über die beispiellose Aufrüstung und Militarisierung der gesamten Gesellschaft, die die Herrschenden und ihre geschäftsführenden Ausschüsse in den Regierungen gerade vollziehen, schweigt, der sollte auch über den gleichzeitig betriebenen Sozialabbau schweigen. Denn soziale Forderungen müssen zahnlos bleiben, wenn sie nicht berücksichtigen, dass Krieg und Sozialkürzungen zwei Seiten derselben Medaille sind. Auch die zunehmend schrillen Angriffe auf das Streikrecht sind nur zu verstehen, wenn man sie als Teil der inneren Disziplinierung versteht, die mit der »Kriegstüchtigkeit« nach außen einhergeht.

Hauptsache Produktion

Auch die IG-Metall-Führung legitimiert die falsche Konversion in Görlitz mit fadenscheinigen Argumenten. So erklärt Dirk Schulze, IG-Metall-Bezirksleiter Berlin-Brandenburg-Sachsen: »Sicherlich sind nicht alle glücklich über die Umstellung auf eine Fertigung von Wehrtechnik. Das kann ich verstehen. Unbestreitbar aber ist, dass wir – leider – in diesen Zeiten diese Produktion benötigen.« Dass es dazu keine Beschlusslage der IG Metall gibt, interessiert nicht. Gleiches gilt für das unsägliche Kollaborationspapier »Souveränität und Resilienz sichern. Industriepolitische Leitlinien und Instrumente für eine zukunftsfähige Sicherheits- und Verteidigungsindustrie«. Der IG-Metall-Vorstand hat es ohne Not gegen alle Beschlusslagen der eigenen Organisation gemeinsam mit den Kriegstreibern des Wirtschaftsforums der SPD und dem Bundesverband der Deutschen Sicherheits- und Verteidigungsindustrie (BDSV), dem Lobbyverband der deutschen Rüstungsschmieden und Kriegsprofiteure, im Januar 2024 unterzeichnet.

Uwe Garbe, Erster Bevollmächtigter der IG Metall Ostsachsen, spricht unverhohlen aus, was hier passiert: »Wenn auf dem Alstom-Gelände in Görlitz auch in Zukunft produziert wird, ist das eine Riesenchance für die Region, der wir uns nicht verschließen« (Sächsische Zeitung, 4.2.2025). Hauptsache Produktion – egal was! Auch Kriegsgerät und Tötungsmaschinen, wenn die Arbeit denn tarifvertraglich gesichert ist und brav das Betriebsverfassungsgesetz beachtet wird.

Derselbe Gewerkschaftsfunktionär vermutet im Interview mit der Sächsischen Zeitung, dass die Weigerung des Betriebsrates, sich öffentlich zu äußern, auch damit zusammenhänge, dass es in der Belegschaft eben doch nicht unwesentliche Teile gibt, die mit dieser Form von Konversion nicht einverstanden sind, aber niemand »auf den letzten Metern die Übereinkunft mit KNDS gefährden« wolle, »etwa indem man bestimmte Informationen, über die Stillschweigen vereinbart ist, zu früh in die Öffentlichkeit bringt«. Informationen, über die die Arbeiter gar nicht verfügen: »Dazu kommt, dass die Kollegen und Kolleginnen die Modalitäten der Übernahme durch KNDS noch gar nicht kennen.« Der Funktionär macht damit unverhohlen klar, dass offensichtlich die IG Metall (mindestens teilweise) – wenn wahrscheinlich auch aus einer wohlmeinenden paternalistischen Haltung heraus – hinter dem Rücken der Belegschaft und des Betriebsratsgremiums verhandelt hat.

Couragierte Selbstermächtigung

Die Demonstrierenden vor dem Werkstor in Görlitz zeigen, dass die Burgfriedenpolitik der Gewerkschaftsführung nicht von allen kritik- und widerstandslos hingenommen wird. Gewerkschafterinnen wie Angelika Teweleit fordern die öffentliche Übernahme solcher Werke wie in Görlitz unter demokratischer Kontrolle. Statt den Rüstungskonzernen mit Steuermitteln Profite zu garantieren, braucht es eine nachhaltige, demokratisch kontrollierte Industriepolitik, die den Wandel in Richtung zivile Produktion und ökologischen Umbau lenkt.

Hans-Jürgen Urban, geschäftsführendes Vorstandmitglied der IG Metall (Ausnahmen bestätigen die Regel), schrieb im Januar in der Zeitschrift Sozialismus: »Um Rentabilität, Eigentumsverhältnisse und betriebliche Hierarchien auch in zugespitzten Krisen zu sichern oder um die politischen Rahmenbedingungen stärker auf die jeweils aktuellen Profitbedürfnisse auszurichten, haben sich Kapitaleigentümer, Manager oder Lobbyverbände nicht selten als Unterstützer autoritärer Kräfte betätigt, mitunter gar als Steigbügelhalter des Faschismus. (…) Deshalb sind die umfassenden Aktivitäten der Gewerkschaften im politischen Raum so wichtig. (…) Mitbestimmung bei der Entwicklung und Fixierung von Transformationsplänen in den Unternehmen ist notwendigerweise mit der Einflussnahme auf die Struktur der neuen Wertschöpfungsketten und die dafür notwendigen Investitionen verbunden. Damit dringt Mitbestimmung in den Kernbereich privatkapitalistischer Eigentumsrechte vor. (…) Der Kampf um vordemokratische kapitalistische Verhältnisse muss auch und vor allem dort geführt werden, wo die Architektur des Kapitalismus ihre tragende Säule hat: an den Orten der Kapitalverwertung, also in den Betrieben und der Wirtschaft.«

Womit auch deutlich denjenigen widersprochen ist, die behaupten, dass solche Standortsicherung wie in Görlitz präventive gewerkschaftliche Arbeit »gegen rechts« sei. Das genaue Gegenteil ist der Fall. Dafür spricht auch die historische Erfahrung: Der Kniefall der organisierten Arbeiterbewegung vor dem militärisch-industriellen Komplex führt direkt vom Standort in den Unterstand, erst in den Schützengraben und dann ins Massengrab. Es waren aber im Januar 1918 eben auch die fast eine Million zählenden streikenden Arbeiter hauptsächlich in den Rüstungsbetrieben quer durch Deutschland, die unter der Parole »Frieden und Brot!« nach der Oktoberrevolution in Russland zwei Monate zuvor einen weiteren entschlossenen und entscheidenden Schlag gegen das Massenschlachten des Ersten Weltkriegs führten und den Beginn der revolutionären Bewegung in Deutschland markierten. Er führte am 9. November 1918 zum Sturz des Kaiserreiches. Auf die Novemberrevolution folgte die Begründung der Weimarer Republik. An diesen couragierten Akt der Selbstermächtigung gilt es heute anzuknüpfen.

Gewerkschaften sind nur so stark wie ihre kämpferischen Mitglieder. Es ist an der Zeit, dass sich Beschäftigte und friedensbewegte Gewerkschafter entschiedener gegen den eingeschlagenen selbstmörderischen Kurs ihrer Vorstände und Apparate wehren. Die Alternative zu »Schwerter zu Pflugscharen« ist nicht »Pflugscharen zu Panzern«, sondern ein deutliches und lautes »Nein!« zu Krieg, Militarismus und Burgfrieden.

Bei dem redaktionell bearbeiteten und gekürzten Text handelt es sich um einen Vorabdruck aus den Marxistischen Blättern 02/2025.

Andreas Buderus ist Mitinitiator der gewerkschaftlichen Basisinitiative »Sagt nein! Gewerkschafter:innen gegen Krieg, Militarismus und Burgfrieden«

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