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Aus: Ausgabe vom 15.02.2025, Seite 9 / Kapital & Arbeit
EU-Finanzrahmen

Mehr Geld, mehr Macht

EU-Kommission präsentiert Reformvorschlag für langfristigen Haushalt. Sie will flexibler und eigenständiger über größeren Teil des Budgets verfügen
Von Sebastian Edinger
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Das Geld reicht hinten und vorne nicht, da geht es der EU wie dem »Endverbraucher«

Die »Quadratur des Kreises« sei beim nächsten mehrjährigen Finanzrahmen der EU ab 2028 gefragt, heißt es aus Brüssel. Milliardenschwere Kredite aus der Coronazeit müssen getilgt werden, die Mitgliedstaaten knausern, und dann noch die ganzen »neuen Herausforderungen und Erwartungen an EU-Maßnahmen« – von Migration über Aufrüstung, Russland-Sanktionen und Energiekrise bis hin zur Behebung von Klimaschäden. Das Geld reicht hinten und vorne nicht, deshalb forderte die Kommission in einer am Mittwoch veröffentlichten Mitteilung mehr Eigenmittel. Und mehr Spielräume bei der Mittelverwendung.

Mitglieder zahlen

Konkrete Zahlen werden nicht genannt, auch bei den Quellen neuer EU-Gelder bleibt die Behörde vage. Erst mal sollen die Vorschläge mit den anderen EU-Institutionen diskutiert werden. Sogar ein Bürgerforum wird eingerichtet, damit 150 echte EU-Bürger ebenfalls ihren Senf dazugeben können. In der Meldung vom Mittwoch werden bezüglich möglicher Geldquellen bloß mit Verweis auf einen Vorschlag von 2021 eine Erweiterung des CO2-Emissionshandels sowie etwas kryptisch »Eigenmittel im Zusammenhang mit Unternehmensgewinnen im Unternehmenssektor« als Optionen aufgeführt. Die früher diskutierte Finanztransaktionssteuer sowie eine Besteuerung des Kryptogeldhandels werden nicht mehr genannt.

Zwar hat die EU in den vergangenen Jahren einige Abgaben und Zölle eingeführt, die ihr Eigenmittel bescheren. Doch noch immer wird der Haushalt zu 70 Prozent von den Mitgliedsländern gespeist. Mehr eigenes Geld soll den Apparat unabhängiger von widersprüchlichen nationalen Interessen machen. Gleich mitgefordert werden daher zusätzliche Machtbefugnisse: Die alljährlichen »Reformempfehlungen« der Kommission an die Mitgliedstaaten sollen durch eine Verknüpfung mit der Auszahlung von EU-Geldern verbindlicher gemacht werden. »Kein einziger Euro« soll künftig noch in EU-Länder fließen, in denen aus Sicht der EU-Bürokratie die »Einhaltung von Rechtsstaatlichkeitsstandards« nicht gewährleistet ist.

Machtanspruch untermauert

Ihren Machtanspruch untermauert die Kommission darüber hinaus mit der Forderung nach einem »wirklich politikbasierten Haushalt«. In der aktuellen Periode seien mehr als 90 Prozent der Mittel »vorab für spezifische Zwecke, Programme oder nationale Finanzrahmen gebunden« worden, beklagen die Bürokraten. Vorausgegangen waren dem noch bis 2027 gültigen Finanzrahmen langwierige, zähe Verhandlungen. Künftig will die Brüsseler Behörde über einen größeren Teil des Budgets flexibler und eigenständiger verfügen können, ohne demokratische Rückbindung an die Mitgliedstaaten. Corona, Ukraine-Krieg und Naturkatastrophen hätten den Bedarf einer solchen Flexibilisierung offenbart, heißt es.

Keine großen Würfe

Mehrausgaben werden vor allem in den Bereichen Wettbewerbsfähigkeit sowie Außen- und Sicherheitspolitik erwartet. In Zeiten zunehmender Konflikte untermauert die EU ihren oft formulierten und nie eingelösten Anspruch, auf der Weltbühne ein bedeutsamer Akteur zu werden. Um in den besagten Bereichen bedarfsgerecht mehr Geld ausgeben zu können, will die Kommission flexibler auf Mittel aus anderen Töpfen zugreifen dürfen. Insbesondere die milliardenschweren Agrar- und Kohäsionsgelder sollen verfügbar gemacht werden, etwa durch eine Abschaffung der Ausgabenobergrenzen für einzelne Haushaltsrubriken und Erleichterungen für die Umverteilung von Geldern zwischen verschiedenen Haushaltsposten.

Die Vorschläge sind weitreichend, doch erfahrungsgemäß ist die EU-Haushaltspolitik weniger ein Feld für große Würfe als vielmehr die Suche nach dem kleinsten gemeinsamen Nenner. Zu widersprüchlich sind die von den nationalen Regierungen repräsentierten Kapitalinteressen, zu gering die Bereitschaft in den Hauptstädten, politische Macht nach Brüssel abzutreten. Im deutschen Bundesrat hatten Hessen, NRW und Schleswig-Holstein bereits im Dezember einen Antrag eingebracht, der sich insbesondere gegen »eine stärkere Konditionierung nach dem Prinzip ›Geld gegen Reformen‹« richtet. Auch auf EU-Ebene sind kritische Stimmen zu vernehmen. So warnt etwa der Ausschuss der Regionen vor einer möglichen »Rezentralisierung«. Es dürften schwierige Verhandlungen werden.

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