Ende der Einmütigkeit
Von Nick Brauns, München
Ein Klub der um ihre weltweite Vorherrschaft besorgten westlichen imperialistischen Staaten ist die Münchner »Sicherheitskonferenz« (Siko) weiterhin. Doch die Einmütigkeit vergangener Jahre war dahin auf der am Sonntag zu Ende gegangenen Tagung von rund 60 Staats- und Regierungschefs und rund 100 Ministern vor allem der NATO- und EU-Staaten sowie Militärs und Rüstungslobbyisten im Luxushotel Bayerischer Hof.
Denn die Agenda hatte US-Vizepräsident J. D. Vance bereits am Freitag vorgegeben. Die größte Gefahr für Europa ginge nicht von Russland aus, so Vance. Vielmehr gebe es eine »Bedrohung von innen« in Form von Angriffen auf die Meinungsfreiheit und einer Missachtung des Wählerwillens, benannte der US-Vize in seiner Rede etwa Razzien nach Hasskommentaren im Internet in Deutschland und die Annullierung der rumänischen Präsidentschaftswahl. Sich gegen die »Schrecken« der Massenmigration zu äußern, sei keine Einmischung in Wahlen, verteidigte er den Einsatz von Techmilliardär Elon Musk für die AfD. In einer Demokratie dürfe es keinen Platz für Brandmauern geben, erklärte Vance, der sich nach seiner Rede mit der nicht zur Siko geladenen AfD-Vorsitzenden Alice Weidel im Hotel traf. Nach Musk ist Vance damit der zweite US-Regierungsvertreter, der demonstrativ für eine Allianz der MAGA-Strömung mit der deutschen Rechtsaußenpartei eintritt. »Die Differenzen zwischen den USA und Europa bekommen eine ganz neue Qualität«, schrieb der CDU-Vorsitzende Friedrich Merz in seiner Rundmail am Sonntag. »Jetzt geht es um unser Grundverständnis von Demokratie und offener Gesellschaft.« Brüskiert hatten sich auch Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) als Siko-Gastgeberin, Kanzler Olaf Scholz (SPD) und Vizekanzler Robert Habeck (Grüne) gezeigt.
Der nächste Schlag durch den »neuen Sheriff« – so Vance über die Trump-Administration – erfolgte am Sonnabend: Für die EU sei kein Platz am Verhandlungstisch über eine Beendigung des Ukraine-Krieges vorgesehen, kündigte der US-Sondergesandte für Russland und die Ukraine, Keith Kellogg, auf der Siko an. Als Reaktion lud Frankreichs Präsident Emmanuel Macron für Montag zum Ukraine-Gipfel der EU-Staaten nach Paris, um über die weitere Unterstützung Kiews und eine gemeinsame Position gegenüber den geplanten Friedensgesprächen zu beraten.
Während die USA und Russland nach dem Telefonat Trumps mit dem russischen Staatschef Wladimir Putin vergangene Woche »nun über Frieden und nicht über Krieg sprechen« – wie Präsidialamtssprecher Dmitri Peskow am Sonntag in Moskau erklärte –, wird in Deutschland auf weitere kriegerische Eskalation gesetzt. Er sei der Meinung, dass der Ukraine das weitreichende »Taurus«-Waffensystem geliefert werden sollte, erklärte Unionskanzlerkandidat Merz. Dies müsse aber in enger Abstimmung mit Ländern wie Großbritannien und Frankreich geschehen.
Handfeste Ergebnisse in Form von Waffendeals werden auf der Siko vor allem in den berühmten Hinterzimmergesprächen erzielt. »Ich will den Rüstungskonzernen sagen: Ich weiß, ihr wollt am liebsten Zehnjahresverträge. Aber da draußen ist so viel Geld. Fahrt eure Produktion hoch!« zitierte das Handelsblatt am Sonnabend den Appell von NATO-Generalsekretär Mark Rutte an die in München zahlreich versammelten Händler des Todes, jetzt die Gunst der Stunde zu nutzen.
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Leserbrief von Istvan Hidy aus Stuttgart (17. Februar 2025 um 10:46 Uhr)Ein schlechter Frieden ist immer noch besser als Krieg. Insofern sind die Bestrebungen der USA, eine diplomatische Lösung für den Ukraine-Konflikt zu finden, grundsätzlich zu begrüßen. Der Ursprung des Krieges liegt unter anderem in der Zurückweisung Putins durch Biden beim Gipfeltreffen in Genf – folglich sollten diese Mächte nun auch eine Lösung herbeiführen. Was die Münchner Sicherheitskonferenz betrifft, so handelt es sich um ein informelles Treffen der westlichen Führungseliten, das oft mehr Symbolik als Substanz bietet. Da es zu keinen verbindlichen Vereinbarungen kommt, kann man diesen Charakter der Konferenz durchaus als positiv bewerten – er verhindert zumindest überstürzte oder aufgezwungene Entscheidungen. Die Krise Europas ist allerdings hausgemacht. Die verfehlte Politik aus Brüssel hat wesentlich dazu beigetragen, dass die EU an wirtschaftlicher und politischer Bedeutung immer mehr verliert. Gleichzeitig tragen aber auch die Nationalstaaten Verantwortung – sowohl auf politischer als auch wirtschaftlicher Ebene sind sie nicht in der Lage, ihre Position zu stärken.
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Leserbrief von Jürgen Fleißner aus Seeheim - Jugenheim (17. Februar 2025 um 17:13 Uhr)Die Behauptung von Istvan Hidy das ein schlechter Frieden besser ist als Krieg ist leider zu kurz gedacht. Aus persönlichen Gründen bin ich gegen jeden Krieg. Ein schlechter Frieden ist aber die Grundlage für den nächsten Krieg. Ein schlechter Frieden bedeutet für Russland, für Putin, ein Teilerfolg seiner Aggression, seines, gegen jedes Völkerrecht verstoßenden Krieg. Ergebnis für Putin ? Ich kann ein militärisch schwächeres Land überfallen , Grenzen verschieben, Kriegsverbrechen begehen ohne zur Rechenschaft gezogen zu werden. Auf geht es zum nächsten Angriffskrieg. Es gibt ja noch einige Länder die ich in mein Großrussisches Reich einverleiben möchte. Und andere Großmächte, wie China, könnten ja zu der Überzeugung kommen, wenn wir uns Taiwan nehmen, der Westen vermittelt dann einen schlechten Frieden. Es gibt keinen schlechten Frieden auf der Welt, es gibt nur Frieden und der muß gerecht sein. Mit friedvollen Grüßen an alle Kriegsgegner. J.Fleißner
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Leserbrief von Istvan Hidy aus Stuttgart (18. Februar 2025 um 10:31 Uhr)Sehr geehrter Herr Fleißner, zunächst danke ich Ihnen für Ihre engagierte Antwort auf meinen Leserbrief. Ich teile Ihre grundsätzliche Ablehnung von Krieg und stimme Ihnen zu, dass ein ungerechter Frieden künftige Konflikte begünstigen kann. Dennoch bin ich überzeugt, dass diplomatische Lösungen – selbst wenn sie unvollkommen sind – langfristig besser sind als anhaltende Kriege, die Leid und Zerstörung verursachen. Ein Frieden, der durch Verhandlungen erreicht wird, muss selbstverständlich tragfähig und gerecht sein. Doch was als »gerecht« empfunden wird, hängt oft von der Perspektive ab. Eine diplomatische Lösung schließt nicht aus, dass Kriegsverbrechen geahndet werden und dass das Völkerrecht gestärkt wird. Vielmehr bietet sie die Möglichkeit, Eskalationen zu verhindern und weiteren Schaden von allen Seiten abzuwenden. Die Geschichte zeigt, dass Kriege selten mit einem »idealen« Frieden enden – sondern oft mit Kompromissen. Die Herausforderung besteht darin, eine Balance zu finden zwischen Gerechtigkeit und der Notwendigkeit, weiteres Blutvergießen zu vermeiden. Mit respektvollen Grüßen, Istvan Hidy
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Leserbrief von Paul Vesper aus 52062 Aachen (18. Februar 2025 um 10:29 Uhr)Sehr geehrter Herr Fleißner, Sie schreiben: »China Taiwan nehmen?« Bevor Sie solchen Unsinn schreiben, sollten Sie zur Kenntnis nehmen, dass Taiwan ein Teil von China, eine Provinz, ist. Die USA haben nach dem Sieg der Volksbefreiungsarmee den geschlagenen Truppen des Tschiang Kai Tschek zur Flucht nach Taiwan verholfen. Demzufolge gilt international die von der VR China durchgesetzte Ein-China-Doktrin. Informieren Sie sich! Paul Vesper
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Leserbrief von Onlineabonnent/in Heinrich H. aus Stadum (16. Februar 2025 um 21:05 Uhr)Die Einmütigkeit kommt schon wieder, zusammen mit dieser Kontinuität: »Public impressions of Brown Brothers Harriman during the Second World War often center on the allegation, first lodged in the early 2000s, that Prescott Bush, a BBH Partner and father of President George H. W. Bush, was a Nazi sympathizer.« (https://www.bbh.com/us/en/bbh-who-we-are/our-story/200-years-of-partnership/brown-brothers-harriman-in-the-second-world-war.html) DeepL: »Der öffentliche Eindruck von Brown Brothers Harriman während des Zweiten Weltkriegs dreht sich häufig um die erstmals Anfang der 2000er Jahre aufgestellte Behauptung, Prescott Bush, ein BBH-Partner und Vater von Präsident George H. W. Bush, sei ein Nazi-Sympathisant gewesen.« Die Brown Bank (passender Name) hat an die NSDAP gespendet, vielleicht auf Anregung von Prescott Bush, vielleicht auch aus Sympathie, von der sie (vorläufig?) nichts mehr wissen will. Wenn Merz in Eurpoa und einen auf Europa begrenzten militärischen Großbrand entfacht, dann dürfte das seinen transatlischen Freunden nur recht sein.
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