»Abschieben! Abschieben!«
Von Renate Dillmann
»Kurz vor der Bundestagswahl eskaliert die seit Jahren schwelende Auseinandersetzung um den richtigen Kurs in der Migrationspolitik erneut.« (Tagesschau 29.1.2025) Natürlich, so kann man es auch ausdrücken, dass die meisten politischen Parteien es offenbar ziemlich schätzen, ihren Wahlkampf mit dem Thema Migration zu führen: Eine »Auseinandersetzung schwelt seit Jahren« und »eskaliert« dann »kurz vor der Bundestagswahl«. Irgendwelche mit Willen und Interessen ausgestatteten Subjekte, etwa Politiker, Parteien oder Medien, die dieses Thema permanent aufwerfen bzw. am Kochen halten, gibt es nach dieser Darstellung freilich nicht.
Das ist mindestens genauso verlogen wie die Behauptung von Merz und Co., die »Toten von Solingen« bzw. »Aschaffenburg« forderten Konsequenzen, denen man sich nun endlich stellen müsse. Tote fordern gar nichts – ganz egal, ob sie in Aschaffenburg, der Ukraine, Israel, Gaza oder sonstwo anfallen. Es sind statt dessen quicklebendige Politiker oder Journalisten, die unter Berufung auf sie ihre Interessen durchsetzen wollen, wobei es ihnen völlig gleichgültig ist, wie die zitierten Opfer zu den in ihrem Namen verlangten Konsequenzen stehen würden.
Wahlkampf mit Volkes Stimme
Aus Sicht der Wahlkämpferinnen und Wahlkämpfer verspricht das Thema Migrationspolitik Stimmen. Das gestehen ja auch indirekt diejenigen ein, die dem Antrag von Friedrich Merz (CDU) im Bundestag nicht folgen wollten und ihn als unanständigen »Populismus« kritisieren, der das »Tor zur Hölle« öffne. Man wirft der AfD vor, dass sie mit diesem Thema »groß geworden« sei, und hält sich selbst und den anderen »demokratischen Parteien« im nächsten Atemzug Versäumnisse vor. Das Resultat: ein regelrechter Wettbewerb der Kandidaten und Parteien mit Ansagen zum Abschieben abgelehnter Asylsuchender, eines »konsequenten Vorgehens« gegen »kriminelle Ausländer« und gegen diejenigen, die »nicht genügend integrationsbereit« seien.
Zwar ist die Frage, wie wichtig den Wählern dieses Thema im Vergleich zu anderen eigentlich ist, gar nicht so eindeutig, wie öffentlich behauptet. Laut Statista bzw. dem ZDF-»Politbarometer« liegt es mit 27 Prozent nur auf Platz vier – nach »Frieden/Sicherheit« (48 Prozent), »Wirtschaft« (41 Prozent) und »sozialer Gerechtigkeit« (40 Prozent). Auch in dieser Hinsicht ist die Darstellung, dass man mit dem Thema Migration das drängendste Problem der Bevölkerung angehen würde, also schlicht falsch.
Aber 27 Prozent sind natürlich auch nicht wenig. Und vor allem können die Kandidaten bei diesem Thema vieles versprechen, ohne sich zu »Gegenfinanzierung« oder den tatsächlichen nationalen Kalkulationen in der Außenpolitik äußern zu müssen. »Klimapolitik« – im Wahlkampf zuvor zum alles entscheidenden Thema inklusive Menschheitsrettung hochstilisiert – ist dieses Mal ebenso out wie die schreckliche »Kinderarmut« und dass die Deutschen seit Beginn des Ukraine-Kriegs 20 Prozent ärmer geworden sind, ist den Moderatorinnen des Fernsehduells auch eher so en passant rausgerutscht als dass es als ernsthafte Nachfrage an die Kandidaten, ob und wie das kompensiert werden könne, gemeint gewesen wäre.
In der Außenpolitik gibt es zurzeit durchaus einige Widersprüche aus nationaler Sicht, insbesondere was das Verhältnis zu den USA, Russland und China angeht. Der bisherige Erfolgsweg der deutschen »Exportnation« wird vor allem von den »Freunden« in Washington in Frage gestellt – eine harte Nuß, die die etablierten Parteien und ihre »Transatlantiker« entweder nicht wahrhaben, zumindest aber nicht öffentlich zur Debatte stellen wollen. Die nationalen Alternativen in diesen Fragen, die AfD und BSW den Wählern vorlegen, indem sie auf Verhandlungen im Ukraine-Krieg und neue Beziehungen zu Russland drängen, wollen die etablierten Parteien aus dem laufenden Wahlkampf möglichst heraushalten (übrigens eine bemerkenswerte Auskunft, was den »Souverän«, der ja bis 2029 »kriegstüchtig« werden soll, an der Wahlurne zu interessieren hat – und was eben nicht).
Die CDU setzt jedenfalls – Krieg hin, soziale Fragen her – auf eine Demonstration von Entschiedenheit und Härte in Sachen Migration, weil sie auf diesem Feld die nach vorne preschende rechte Konkurrenz ausstechen will. Und »Fritze« Merz, der irgendwie immer noch nicht so recht beliebt ist, wollte sich bei dieser Gelegenheit wohl bodenständig und volksnah geben und im Wahlkampf entscheidende Akzente setzen.
Ob diese Wahlkampfstrategie aufgeht, sich als Flop erweist oder nichts ändert, wird seitdem heiß diskutiert. Eines ist bei all dem allerdings unterstellt: Der ganze Zirkus beruht darauf, dass es zumindest bei Teilen der wahlberechtigten Bevölkerung eine latente Stimmung – gerne auch als »gesundes Volksempfinden« bezeichnet – gibt, die bei der Migrationspolitik, insbesondere bei der möglichst abwehrenden und schlechten Behandlung von Geflüchteten, zu mobilisieren ist. Zumindest für ein Kreuzchen am Wahltag!
Warum das so ist, ist den Wahlkämpfern ebenso egal wie den Kommentatoren in den Medien. Ist ja woanders auch nicht anders, heißt es eher lapidar. Und in der Tat: In den westlichen Demokratien ist zu sehen (und – aus Sicht der Parteien – zu bewundern!), wie mit diesem Thema reihenweise Wahlkämpfe gewonnen werden: bei den Nachbarn in Österreich, Ungarn, Italien und Frankreich genauso wie beim großen Vorbild USA.
Sowohl den wahlkämpfenden Parteien wie den Medien und auch den meisten Bürgern erscheint es als selbstverständlich, ja als quasi »natürlich«, dass in gefestigten, »wertebasierten« Demokratien große Teile der Bevölkerung wie der Pawlowsche Hund darauf anspringen, wenn ihnen versprochen wird, Flüchtende an den Grenzen entschlossener abzuwehren und diejenigen, die es ins Land geschafft haben, möglichst schnell wieder abzuschieben. Entsprechend hat sich der amtierende Kanzler im »Fernsehduell« mit den Leistungen seiner Truppe beim Fernhalten und Abschieben gebrüstet, während das alles seinem Herausforderer immer noch längst nicht genug war.
Abstraktion Volk
Was haben die »Menschen im Lande« (wie Kanzler Kohl gerne sagte) eigentlich davon? Würde eine Rentnerin mehr Rente kriegen, wenn die Syrer und Afghanen aus Deutschland rausgeworfen werden? Wären mehr Kitas plus Betreuerinnen am Start? Würden die Alten in Deutschlands Heimen fürsorglicher gepflegt? Oder auch – staatsbürgerlich gedacht –, was hätte die Nation, »das große Ganze« davon? Wären dann die Autobahnbrücken saniert? Käme die Bahn pünktlich oder die Wirtschaft aus der Rezession heraus? Und glaubt jemand ernsthaft, nach einer Massenabschiebung gäbe es weniger Amokläufe (die in den USA inzwischen zum Alltag gehören)?
So darf man offenbar nicht fragen, wenn man verstehen will, was die wählende Bevölkerung beim Lieblingsthema Migration anspricht. Die Wahlkämpfer verlassen sich bei diesem Thema darauf, dass ihre gut demokratisch erzogenen Bürger an eine Einbildung glauben, nämlich an die, dass ihr deutscher Staat in erster Linie für sein deutsches Volk da ist.
Diese Vorstellung ist sehr erwünscht und wird in der politischen Bildung von Jugend an in vielfältigen Formen festgeklopft. Politisch, ökonomisch, soziologisch: Überall geht es demnach ums »Volk« – seine Herrschaft, seine Wirtschaft und seine »Gemeinschaft«. Die Vorstellung ist allerdings ebenso populär wie falsch.
Bei der Wirtschaft, die in der Bezeichnung »Volkswirtschaft« das Bild eines allseitigen Nutzens ihrer Teilnehmer behauptet, handelt es sich – nüchtern betrachtet – um eine allseitige Konkurrenz um Eigentum. Diese Wirtschaftsform, auch Kapitalismus genannt, führt nicht nur zu harten Interessensgegensätzen zwischen Käufer und Verkäufer, Mieter und Vermieter, Lohnabhängigen und Unternehmern, sondern – weil der Reichtum der einen auf Kosten der anderen erwirtschaftet wird – auch zum notwendigen Resultat einer Klassengesellschaft mit einer entsprechend »unterschiedlich« gearteten Nutzen- und Schadensbilanz, die in der jährlichen Einkommens- und Vermögensverteilung zu besichtigen ist.
Bei der demokratisch ermächtigten »Volksherrschaft« konkurrierender Parteien und Politiker geht es um die Ausübung des staatlichen Gewaltmonopols über diese Gesellschaft und ihre Gegensätze. Sie hat das Ziel, den Standort möglichst wachstumsdienlich zu betreuen und zur erfolgreichen Konkurrenz gegen andere zu befähigen. Dies schließt nicht nur den formellen Gegensatz zwischen den gewählten Herrschenden und den beherrschten Wählern ein, sondern beinhaltet auch den materiellen Gegensatz zwischen den Wachstumsinteressen des »Standorts« und den Interessen derjenigen, die von Lohn und Sozialleistungen abhängen.
Die »Volksgemeinschaft« wird als Ausdruck einer gemeinsamen Sprache, Kultur und Geschichte, geteilter Werte bzw. Sitten gefasst, welche die Zugehörigkeit zum geeinten Nationalstaat begründet. In den allermeisten Fällen ist die Wahrheit allerdings umgekehrt: Die Unterordnung unter ein und dieselbe staatliche Gewalt macht aus den Bewohnern eines Territoriums Menschen, die mit einer (Hoch-)Sprache sprechen, denselben Rechts- und Moralvorstellungen folgen (müssen) und eine Geschichte verpasst kriegen. Ihre Gemeinschaftlichkeit ist unter den Bedingungen der Konkurrenz um Eigentum notwendigerweise eine Abstraktion. Von allen konkreten Interessen und Bedürfnissen ebenso wie von den Gegensätzen zwischen den Klassen und zwischen »oben« und »unten« muss abgesehen werden, um die existierende Zwangsvergesellschaftung als nationale Gemeinschaft vorstellig zu machen. Während der Alltag dieser Gesellschaft davon gekennzeichnet ist, dass sich die Mitglieder mit allen Mitteln, die sie aufbieten können, im Kampf um Geld und Karriere gegeneinander durchsetzen und eine (teilweise militante) Konkurrenz um Anerkennung auch das Privatleben beherrscht, wird die nationale Gemeinschaft an den Staatsfeiertagen beschworen oder bei großen Sportevents zelebriert.
Obwohl die Konstrukte von Volkswirtschaft, Volksherrschaft und Volksgemeinschaft theoretisch nicht sonderlich haltbar sind, sind sie gleichzeitig quasi unzerstörbar. Es handelt sich nämlich nicht einfach um falsche Urteile über die kapitalistische Wirtschaft, den Staat und die Gesellschaft konkurrierender Eigentümer, die mit einer ideologiekritischen Widerlegung aus der Welt zu schaffen wären. Sondern es handelt sich um interessierte Urteile, instrumentelles Denken¹ – getragen vom Standpunkt praktischer Abhängigkeit bzw. Alternativlosigkeit.
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Weil die vom Lohn abhängigen Mitglieder dieser Gesellschaft der Eigentumskonkurrenz einen Arbeitsplatz und die rechtlichen und materiellen Leistungen des Staats brauchen, halten sie Wirtschaft und Staat für Einrichtungen, die – zumindest prinzipiell – für sie nützlich sind (»Volkswirtschaft« und »Volksherrschaft«). Gerade in der tagtäglichen Beschwerde darüber, was alles nicht so funktioniert, wie es doch »eigentlich« laufen sollte – ein Kita-Platz, wenn man ihn braucht, die Ausbildungsstelle, der gut bezahlte Arbeitsplatz, eine schöne Wohnung, ein fürsorgliches und zugewandtes Gesundheitswesen, auskömmliche Renten – wird deutlich, wie fest die allermeisten daran glauben, dass die real-existierende kapitalistische Wirtschaft das liefern bzw. der Staat sich um all das kümmern müsse, also in erster Linie für seine Bevölkerung da zu sein hätte.
Wer stört?
»Die gegenteilige Erfahrung in der Wirklichkeit, d. h. die materiell unbefriedigenden Resultate für die Mehrheit (Zeitnot, Überbeanspruchung, gesundheitsbelastende Produkte, Niedriglöhne, steigende Mieten, Firmenpleiten, Arbeitslosigkeit, Armut, Krisen usw.) werden gerade nicht als unvermeidliche Konsequenzen des Kapitalismus begriffen, sondern als vermeidbare Fehlleistungen der Akteure gedeutet, die auf gemeinwohlschädliches, d. h. letztlich volksfeindliches Verhalten zurückzuführen seien.«²
Wer von Ursachen nichts wissen will, sucht Schuldige – für die Schäden, die es gemäß der eigenen Einbildungen zu Wirtschaft und Staat gar nicht geben dürfte. Da werden erstens »Volksverräter« ausgemacht: Politiker, die nur an sich und ihre Karriere denken, statt an das Gemeinwohl; »Bankster« bzw. Manager, die ihren Job vermasseln; Interessensgruppen, die egoistisch handeln, statt das große Ganze zu berücksichtigen. Vor allem aber findet man zweitens (Volks)Fremde: Ausländer, die hier – im deutschen Gemeinwesen und in der behaupteten harmonischen Gemeinschaft – eigentlich nichts zu suchen haben.
In diesem letzten Punkt hat man den Deutschen allerdings inzwischen eine wesentliche Sortierung beigebracht. Es gibt nützliche Ausländer, die »unsere« Wirtschaft für die schlecht bezahlten Drecksarbeiten oder auch als »Hochqualifizierte« braucht – die muss man »als Menschen« akzeptieren, und man kann sie sogar als Bereicherung »unserer« bunten Gesellschaft auffassen.
Es gibt aber auch die Flüchtenden, denen der deutsche Staat das Arbeiten verbietet (mit der schlichten Überlegung, weitere Einreisewillige abzuschrecken), die also zu nichts gut sind und darüber hinaus nur kosten. Muss man die hinnehmen?
Über diese armen Teufel, von denen es Jahr für Jahr auch noch immer mehr gibt, weil die ganze kapitalistische Welt ja immer schöner und lebenswerter wird, lässt sich ein herrlicher Wahlkampf führen – im Namen der schwer arbeitenden deutschen Bürger, Mütter, Arbeitslosen, Aldi-Kunden und Mieter selbstverständlich. Denen ist nämlich so gut wie alles zuzumuten, aber das definitiv nicht!
Mit ihrer offensiven Härte gegenüber »irregulären Migranten«, die »nicht hierher gehören«, sprechen kühl berechnende Parteistrategen die Bürger als unzufriedene Nationalisten an – als Leute, die ihr Leben mit der Einbildung über die Bühne bringen, der Staat sei selbstverständlich für sie da, die guten Deutschen, und die darin notwendigerweise ständig enttäuscht werden.
»Im Namen der Bürger« – so die Ankündigungen der Wahlkämpfer – werden künftig die Schrauben bei der Flüchtlingspolitik noch härter angezogen. Wenn dann noch mehr Leute im Mittelmeer ertrinken, oder – in ihre Heimatländer abgeschoben – dort im Elend leben oder gar gefoltert werden, geht es diesen guten Deutschen materiell natürlich keinen Pifferling besser. Aber sie dürfen das schöne Gefühl haben, im Unterschied zu »denen« unwiderruflich im deutschen Freiheitsstall zu Hause zu sein und das Privileg zu haben, dass andere noch erheblich schlechter behandelt oder gar abgeschoben werden können. Das ist doch eine Stimme wert!
Antwort der »Anständigen«
Seit der Kampagne von Merz gibt es, wie schon im vergangenen Jahr, Demonstrationen zur Rettung der Demokratie »gegen rechts«, gegen den befürchteten »Fall der Brandmauer« und auch gegen Merz selbst. Und das in erheblichem Ausmaß in allen deutschen Großstädten, allein 250.000 am vorvergangenen Wochenende in München.
Vielfach treten dieses Mal »Omas gegen rechts« als Initiatoren der Proteste auf. Diese »Omas« werden teilweise von den regierenden Parteien bevölkert und gefördert. Das erinnert an »Correctiv« und die anschließende Kampagne nach den »Enthüllungen von Potsdam«, die zum Ziel hatte, die AfD als eine für gute Deutsche unwählbare Option ins moralische Abseits zu stellen. Allerdings – auch wenn die Demos deshalb zu einem guten Teil von unmittelbaren Anhängern der etablierten Parteien getragen werden – ist angesichts der Masse doch festzuhalten, dass sie darüber hinaus einem weitverbreiteten Gefühl Ausdruck verleihen.
Eine rechte Regierung soll es demnach nicht geben – wobei die AfD vielfach zu einer Hitler-Nachfolgepartei hochstilisiert wird, um »den Widerstand« gegen sie dringlicher zu machen. Die etablierten Parteien werden von den Protestierenden ermahnt, ihre Distanz zu den Rechten aufrechtzuerhalten. Das ist bemerkenswert angesichts dessen, dass im Vorgehen gegen die Flüchtlinge kaum noch ein Unterschied zwischen den parteipolitischen Vorschlägen festzustellen ist.
Insofern geht es nicht um einen Unterschied in der Sache – bei der Behandlung der »irregulären Migranten« –, sondern um einen Unterschied im Ton. Die deutsche Flüchtlingspolitik soll der »krisengeplagten« Nation das teure »Migrationsproblem« vom Hals schaffen – das wollen durchaus auch große Teile der Demonstrierenden. Das aber bitte schön ohne völkische Hetze, Schaum vorm Mund und allzu offensichtliche Gewalttaten. Man will sich die eigene Einbildung über dieses Deutschland, das »aus Auschwitz« gelernt hat und heute eine vorbildlich zivile und wertebasierte Demokratie vorweist, nicht durch eine rechte Partei versauen lassen – weshalb die Massenproteste, egal, was sich einzelne Teilnehmer dabei denken mögen, eine einzige große Vertrauensbekundung in die verantwortungsbewusste Regierungsfähigkeit der »demokratischen Parteien« darstellen.
Die Ironie dabei: Die »Rechtspopulisten« von der AfD und ihre Anhänger verlangen nichts anderes als die konsequente Umsetzung der demokratischen Zentralideologien. Sie sehen Volksherrschaft, Volkswirtschaft und Volksgemeinschaft durch die supranationalen Bündnisse der Bundesrepublik und den angeblich ungebremsten Zustrom »irregulärer Migranten« in Frage gestellt. Dass die Rechten insofern »Fleisch vom Fleische« der Demokraten sind, wollen die Teilnehmer an den Protesten allerdings nicht wahrhaben. Statt dessen behaupten sie ein weiteres Mal, »die Demokratie« vor dem Faschismus retten zu müssen – und damit die angeblich komplette Unverträglichkeit dieser beiden »Formen bürgerlicher Herrschaft« (Reinhard Kühnl).
Anmerkungen:
1 Mehr dazu bei Renate Dillmann: Medien. Macht. Meinung. Auf dem Weg in die Kriegstüchtigkeit. Papyrossa 2025, besonders Kapitel 2.6: Das Dreiecksverhältnis von Politik, Presse und Publikum
2 Arian Schiffer-Nasserie: Acht Thesen zu »Flüchtlingskrise« und »Willkommenskultur«, https://www.ida-nrw.de/aktuelles/detail/flucht-ursachen-hintergruende-konsequenzen
Renate Dillmann schrieb an dieser Stelle zuletzt am 14. November 2024 über die Berichterstattung für Kriegstüchtigkeit und die Macht der Sprachregelung
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Leserbrief von carsten wehmer aus Sulingen (19. Februar 2025 um 14:13 Uhr)Krieg ist die Summe aller Verbrechen. Eine Konstante. Von der ausgehend alle anderen schrecklichen Handlungen »nur« Variable sind. Überzeugend, ohne Wenn und Aber tritt nur Sahra für Frieden ein. Alle anderen Rivalen dieser Abstimmung sind halbherzig und erfahrungsgemäß verlogen, oder aber sie suhlen sich ganz offen in ihren gewaltpornographischen Visionen. Siehe Bundesrat (jW vom selben Tag). Außer BSW stimmten alle an Regierungen beteiligten Parteien für Waffenlieferungen, auch Die Linke. Jeder Winkelzug – und sei er noch so suggestiv – wird benutzt, um Sarah herabzusetzen. Das Bild, Afro-Shop, wurde schon im ND benutzt, zufällig laufen auch die »richtigen Leute« durchs Bild, erinnert an »Die elektronische Revolution« 1972, Burroughs. Imago hat über 10.000 Bilder Die Linke im Stock, mit Filter über 116.000, https://www.imago-images.de/photos/die-linke über DuckDuckGo. Grob und naiv gesagt, würde Die Linke ihrem Namen gemäß strategisch handeln, »gäbe« sie ein paar Zehntel ihrer Umfragewerte an die BSW, schon gäbe es zwei linke Parteien im Bundestag mit knapp den doppelten Mandaten.
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Leserbrief von Onlineabonnent/in Markus P. aus Frankfurt (17. Februar 2025 um 00:19 Uhr)Naja, das ist jetzt aber an diversen Stellen auch wieder zu undifferenziert ggü. einigen Parteien und scheint doch eher von einem Fan der zu neuem Selbstbewusstsein erstarkten Minderheits-Linken zu stammen. Die AfD verharmlosend nur an ihren vorgeblichen Positionen festzumachen, ohne ihre tiefe Verwurzelung in der rechten Szene zu sehen (und sich gleichwohl als Schützer der Migranten aufzuspielen), ist ebenso übervereinfachend wie, dem BSW plakative Wahlkampfslogans vorzuhalten, wo man eben nicht an jedem Laternenmast eine antikapitalistische Vorlesung halten kann. Selbst eine in den Augen des Autors perfekte Partei müsste das auf Plakaten tun. Sowohl BSW als auch Minderheits-Linke versuchen durchaus immer wieder, die Themenauswahl im Wahlkampf zu verbreitern. Teils ebenso unermüdlich wie erfolglos. Einige Wahlkampfsendungen scheint der Autor auch verpasst zu haben, in denen Migration von den Sendern wirklich radikal ausgeklammert wurde. Aber auch die vom Autor geschonteste Minderheits-Linke betreibt gerne billigen Wahlkampf. Wenn sie z.B. völlig grundgesetzvergessen von den BSW-Abgeordneten den Rücktritt verlangte, da sie ja nicht fürs »BSW« gewählt wurden, sondern für »Die Linke«. Dann treten sie aber nicht selbst zurück, wenn rauskommt, dass es diese Rest-Linke war, die nur eine Minderheit der Wähler der Ex-Linken hinter sich hatte. Erst ein Wahlkampf, in dem man ebensobillig das BSW zu einer wahlweise rassistischen oder kremltreuen Partei »hochstilisiert[e]« und u.a. dadurch eine Infusion enttäuschter Grüner erhielt, konnte sie (glücklicherweise) vor der Bedeutungslosigkeit retten.
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Leserbrief von Fred Buttkewitz aus Ulan - Ude (20. Februar 2025 um 11:06 Uhr)Wenn dich die Gegenseite lobt und fördert, solltest du vorsichtig werden. Dann stimmt an deinem Verhalten etwas nicht. Und wenn du dies nicht bemerkst bzw. wenn es dich nicht stört, dann sollten es wenigstens die Wähler bedenken, bevor sie ihr Kreuz auf dem Wahlzettel machen. In der heutigen Ausgabe der NachdenkSeiten schreibt Oskar Lafontaine: »Neu ist, dass die Partei Die Linke plötzlich von deutschen Leitmedien, vom Spiegel bis zur BILD, hochgeschrieben und mit Vehemenz von der Kampagnenorganisation Campact unterstützt wird. Campact wiederum wird von der Bundesregierung, aber auch vom US-Milliardär George Soros gesponsert. Fachleute vermuten, dass es hauptsächlich das Netzwerk von Campact gewesen sei, dem die Linke ihren verblüffenden Aufstieg in den Sozialen Medien seit Mitte Januar verdankt. Denn das war schon erstaunlich: das gleiche Personal, die gleichen Themen, aber über Nacht auf einmal hundertfache Reichweite – und zwar schon rund zwei Wochen vor der legendären Bundestagssitzung, in der Friedrich Merz für seine Anträge zur Migrationspolitik auch die Stimmen der AfD in Kauf genommen hat. Hatte die Organisation Campact schon im sächsischen und Thüringer Wahlkampf linke und grüne Direktkandidaten unterstützt, so wirbt sie jetzt in erster Linie für die Wahl der Linken am nächsten Sonntag. Viele rätseln, warum? Ein Grund ist sicherlich, dass Die Linke in der Friedenspolitik mittlerweile die Seiten gewechselt hat. Gregor Gysi wollte dem 100-Milliarden-Aufrüstungsprogramm von Kanzler Scholz zustimmen. Bodo Ramelow sprach sich für die Lieferung von Waffen an die Ukraine aus, sogar solchen, die auch gegen Ziele auf russischem Territorium eingesetzt werden. Die Linke-Europapolitikerin Carola Rackete unterstützt die Lieferung von Taurus-Raketen an Kiew. Und die neue Führungsspitze der Linken befürwortet die Sanktionen. Übrigens: Auf Grund welcher neuer Politik der PdL gibt es diese plötzliche Flut von Neueintritten in die Partei? Es ist merkwürdig.
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Leserbrief von Franz Döring (20. Februar 2025 um 12:40 Uhr)Sie haben vergessen zu erwähnen, dass das BSW bei der legendären Bundestagssitzung mit Merz und der AFD zusammen für den ausländerfeindlichen Antrag gestimmt hat! Das BSW ist damit den linken Kräften in Deutschland in den Rücken gefallen!
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Leserbrief von Franz Döring (19. Februar 2025 um 17:25 Uhr)Welche antikapitalistischen Programmpunkte finden Sie beim BSW als Forderung für seine Arbeit im zukünftigen Bundestag? Warum bezeichnen Sie das BSW als linke Partei? Das BSW selbst bezeichnet sich selbst bewusst so nicht!
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