Links & bündig: Jetzt bestellen!
Gegründet 1947 Sa. / So., 22. / 23. Februar 2025, Nr. 45
Die junge Welt wird von 3005 GenossInnen herausgegeben
Links & bündig: Jetzt bestellen! Links & bündig: Jetzt bestellen!
Links & bündig: Jetzt bestellen!
Aus: Ausgabe vom 21.02.2025, Seite 1 / Titel
Scholz im Cum-Ex-Skandal

Kanzler der Bankster

Neue Enthüllungen zum Cum-Ex-Skandal offenbaren weitere Erinnerungslücken von Olaf Scholz. Die Linke Hamburg empfiehlt juristische Betreuung
Von Ralf Wurzbacher
1.jpg
Hat der Bundeskanzler vor dem Parlamentarischen Untersuchungsausschuss falsch ausgesagt? Ein aktueller Stern-Bericht geht davon aus

Das kommt für Olaf Scholz zur Unzeit. Wenige Tage vor der Bundestagswahl holt ihn einmal mehr seine Cum-Ex-Vergangenheit ein. Laut Stern-Magazin steht der Bundeskanzler im Verdacht, bei einer Vernehmung vor dem mit der Aufklärung des Betrugssystems befassten Parlamentarischen Untersuchungsausschuss (PUA) der Hamburger Bürgerschaft gelogen zu haben. Das Gremium hat seine Arbeit inzwischen beendet und präsentiert demnächst seinen Abschlussbericht. In einem Minderheitenvotum der Fraktion Die Linke, das junge Welt vorliegt, kommt der SPD-Spitzenkandidat ebenfalls schlecht weg. Demnach soll er weitere Kalenderdaten im Zusammenhang mit Kontakten zu Bankern seines Vertrauens versteckt halten.

»Lügen haben kurze Lebenszeiten«, äußerte am Donnerstag Norbert Hackbusch von Linksfraktion gegenüber jW. »Übrigens: Falschaussagen im Untersuchungsausschuss können mit einer Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren geahndet werden.« Hackbusch hatte 2019 vom damaligen Bundesfinanzminister sowie dessen Nachfolger im Amt des Hamburger Bürgermeisters, Peter Tschentscher (SPD), per Anfrage wissen wollte, ob er sich früher mit Vertretern der in den Cum-Ex-Skandal verstrickten Warburg-Bank getroffen habe. Bei einer PUA-Sitzung am 30. April 2021 hatte Scholz als Zeuge klar verneint, seinerzeit in die Beantwortung der Eingabe involviert gewesen zu sein.

Der vom Stern veröffentlichte E-Mail-Verkehr unter Beteiligung von Tschentscher, bis 2018 Hamburgs Finanzsenator, und Andreas Dressel (SPD), der ihn der Funktion beerbte, lassen die Version in sich zusammenbrechen. Zum Beispiel kabelte eine Scholz-Mitarbeiterin: »Wir geben das dem Chef mit ins Wochenende.« Scholz hat schon andere »Neins« nachträglich kassieren müssen. Trotz anfangs gegenteiliger Behauptung war er wiederholt mit dem Warburg-Bankier Christian Olearius zusammengekommen. Dessen Finanzinstitut hatte sich mithin 170 Millionen Euro mit krummen Geschäften erschlichen und sollte davon 47 Millionen ans Finanzamt zurückerstatten. Dazu kam es nicht, mutmaßlich auf Betreiben der Herren Tschentscher und Scholz. Letzterer musste seine Treffen mit Olearius irgendwann einräumen, will sich an die Gesprächsinhalte aber nicht mehr erinnern können.

Hinweise auf politische Einflussnahme gibt es auch mit Blick auf Cum-Ex-Beteiligung der staatlichen HSH Nordbank. Die Staatsanwaltschaft Hamburg habe »zum Erstaunen fast aller Akteure (…) keine Ermittlungen gegen einzelne Verantwortliche aufgenommen«, heißt es im PUA-Votum der Linksfraktion. »Die Finanzverwaltung war zu schwach aufgestellt und die Expertise mitunter unterirdisch«, so Hackbusch. »Noch in der Ausschussbefragung unterstützten Entscheidungsträger die juristische Position der Steuerräuber.«

Spannend ist auch die Rolle des früheren Bundestagsabgeordneten Johannes Kahrs, in dessen Bankschließfach Fahnder 2021 einen Koffer mit 200.000 Euro fanden. Ermittlungen wegen einer möglichen Verwicklung in die Affäre stellte die Kölner Staatsanwaltschaft im Dezember trotzdem ein. Sieben Monate davor hatte die als Cum-Ex-Jägerin bekannte Oberstaatsanwältin Anne Brorhilker »freiwillig« ihre Stelle geräumt. Laut Stern schrieb ein Hamburger Staatsanwalt kurz darauf an den SPD-Politiker: »Geil. Kündigt einfach (…). Dann sehe ich mal einer baldigen Einstellungsmitteilung in Sachen Kahrs entgegen und bitte um alsbaldige Vollzugsmeldung!«

links & bündig gegen rechte Bünde

Jetzt den kostenlosen jW-Newsletter abonnieren – täglich das Beste aus der Tageszeitung junge Welt, direkt in Ihr Postfach. Ihre E-Mail-Adresse wird natürlich niemals an Dritte weitergegeben.

Dieser Artikel gehört zu folgenden Dossiers:

Ähnliche:

  • Die Hamburger Hafenarbeiter nutzten ihre Streikdemonstration am ...
    12.07.2024

    Überhebliches zum Hafendeal

    Hamburgische Bürgerschaft stimmt Einstieg von MSC bei Hafenlogistiker HHLA in erster Lesung zu. Zweite Lesung von CDU und Die Linke blockiert.
  • Auch ausländische Konzerne wie die schwedische Heimstaden suchen...
    01.11.2023

    Mogelpackung »Drittelmix«

    Hamburg: SPD-geführter Senat verfehlt selbstgesetztes Ziel für Wohnungsneubau weit. Zahl Wohnungsloser stagniert
  • Dietmar Bartsch und Janine Wissler (Rostock, 27.8.2021)
    04.09.2021

    Warten auf den »Linksrutsch«

    Hamburg: Linke-Spitzenkandidaten machen Wahlkampf an der Elbe. Bartsch verteidigt Enthaltung bei Afghanistan-Abstimmung

Regio: