Dein roter Faden in wirren Zeiten
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Gier auf Rüstungsbonds

Zu Lust und Risiken des Kapitalverkehrs
Von Lucas Zeise
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Europa »muss zu einer Militärmacht werden«, schreibt der für Politik zuständige Herausgeber der FAZ, Berthold Kohler. Die Parteien, die nach der Bundestagswahl am Sonntag für eine Regierungsbildung in Frage kommen, sind sich in diesem Punkt offensichtlich einig: Deutschland muss kriegstüchtig und die Aufrüstung muss verstärkt werden. Das ursprüngliche Argument für mehr Rüstung hatte man sich von den US-Präsidenten Barack Obama und Donald Trump, schon in dessen erster Amtszeit, geborgt. Beide erklärten, dass jedes europäische NATO-Land mindestens zwei Prozent vom jeweiligen BIP fürs Militär ausgeben solle. Mit dem 100-Milliarden-Euro-Sonderfonds, den die Ampelregierung im Februar 2022 in trauter Einigkeit mit der CDU/CSU durch das Parlament bugsierte, war dieses Zwei-Prozent-Ziel auch in Deutschland erreicht. Drei Jahre später sind zwei Prozent das Mindeste. Trump fordert jetzt fünf Prozent. Die europäischen Staatenlenker legen sich nicht gern auf eine Zahl fest, aber stimmen überein, dass mehr Geld in die Rüstung fließen soll.

Nun gibt es in Deutschland die »Schuldenbremse« im Grundgesetz und in der EU – auf Wunsch deutscher Regierungen – Budgetregeln, die die Ausgaben des Staates und damit seine Verschuldung in Grenzen halten sollen. Bei der Schaffung des Rüstungssonderfonds stand eine Zweidrittelmehrheit zur Verfügung, um die Schuldenbremse auszuhebeln. Das dürfte nach der Wahl wieder so sein. Und man kann annehmen, dass im gemeinsamen Interesse der Rüstungssteigerung die Regierung auch unter Friedrich Merz eine Modifikation der Schuldenbremse anstreben wird. In der EU hat Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen bereits eine Ausnahme für Rüstungsausgaben auf den Weg gebracht. Dem Militär dienende Neuverschuldung soll damit nicht auf das Kontingent der Schulden angerechnet werden. Dass die Verschuldung der EU-Staaten unter diesen Umständen steil ansteigen wird, steht fest. Wird der Finanzmarkt das tolerieren?

In den USA hat angesichts von Trumps Wahlsieg die Diskussion eingesetzt, ob der Markt für Staatsanleihen einen weiteren Verschuldungsanstieg wie unter Trump (I) und Biden tolerieren wird. In den letzten zehn Jahren hat sich das umlaufende Volumen an US-Staatsschuldpapieren auf heute 28 Billionen Dollar verdoppelt. Die Renditen auf Zehnjahrespapiere sind seit Trumps Wahl auf 4,8 Prozent gestiegen, also fast auf das hohe Niveau von 2006/2007, kurz vor der großen Finanzkrise. Erinnert wird gelegentlich an die britische Premierministerin Liz Truss, die 2022 ein Wirtschaftsprogramm mit großen Steuergeschenken an Superreiche und Großunternehmen verkündete. Das Pfund und der Kurs britischer Staatsanleihen (Gilts) fielen. Truss verlor den Rückhalt ihrer konservativen Partei und musste zurücktreten.

Das Beispiel ist leider verfehlt. Denn Pfund und Gilts sind anfällig für Rückschläge. Der Dollar und US-Staatsbonds sind am internationalen Finanzmarkt immer noch das Nonplusultra. Trump hat noch Spielraum für weitere Steuersenkungen für Großunternehmen plus höhere Rüstungsausgaben. Noch schlimmer für uns: Auch Deutschland und der EU werden hochschnellende Militärausgaben verziehen werden. Mehr noch, der Markt wird die neue Welle an Rüstungsbonds und Kriegsanleihen vermutlich gierig aufsaugen. Das dicke Ende lässt noch auf sich warten.

Unser Autor ist Finanzjournalist und Publizist. Er lebt in Aachen

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