Links & bündig: Jetzt bestellen!
Gegründet 1947 Montag, 24. Februar 2025, Nr. 46
Die junge Welt wird von 3005 GenossInnen herausgegeben
Links & bündig: Jetzt bestellen! Links & bündig: Jetzt bestellen!
Links & bündig: Jetzt bestellen!
Aus: Ausgabe vom 24.02.2025, Seite 16 / Sport
Staatsfeind Fan

Fontänen aus Pfeffer

Ostseestadion: Hansa kickt gegen Dynamo Dresden. Eskalation nach Polizeieinsatz im Gästeblock
Von Oliver Rast
urn_binary_dpa_com_20090101_250222-911-010434-FILED.jpeg
Mitnahmementalität: Fahnenklauer in Uniform (Rostock, 22.2.2025)

Dichte, funkelnde Wolken ziehen über das Stadiondach, farbenfroh in der Trikolore »Blau-weiß-rot«. Ein feuriger Bengalozauber. Und in großen Lettern steht auf dem Banner entlang dem heimischen Fanblock: »Für immer nur Hansa.« Ein Liebesbekenntnis für den Klub von der Ostsee. Es ist Showtime in Rostock, die Hanseaten kicken gegen die Dynamos aus Dresden. Ein Klassiker am Sonnabend, das Ostderby in der unterklassigen Profiliga, in Liga drei.

Bereits Tage vor dem Anpfiff hatten Gazetten und Behörden Stimmung gemacht, die Fußballpartie zum »Hochrisikospiel« stilisiert. Eine Vorverurteilung, eine Vorankündigung für Polizeiübergriffe. Und das Terrain schien bereitet. Eine extrabreite Schneise zwischen den rivalisierenden Anhängerscharen, abmontierte Sitzschalen, doppelte, engmaschige Fangnetze – und nicht zuletzt zwei Aluleitern, die vom Spielfeldrand auf die Hintertortribüne in die »Pufferzone« führen.

Richtig ist, die rebellischen Kurven sind unkontrollierbar, organisieren ihren Support kreativ-klandestin. Besonders auch jene von Hansa und Dynamo. Sie bestimmen das Schauspiel auf den Rängen. Und ja, bisweilen krawallig. Nur, bis zum Auftakt der zweiten Halbzeit war es relativ ruhig geblieben.

Dann kurz vor Ende der Halbzeitpause das: Ein polizeilicher Stoßtrupp in voller Montur stürmt über die Leitern in die Pufferzone, versprüht fontänenartig Pfefferspray Richtung Auswärtsblock, der hinter einer durchgehenden Plexiglaswand supportet. Mehr noch, Beamte reißen das meterlange schwarz-gelbe Seitentransparent mit dem Schriftzug »Sachsenpower« runter, kassieren es ein. Klarer Fall: Fahnenklau.

Die Reaktion, erwartbar: Dynamo-Ultras schleudern vereinzelt Bengalos in das Rollkommando, Pyros und Raketen aus den gegnerischen Fanblöcken wechseln die Seiten, bleiben zumeist in den Fangnetzen hängen, Böllergeräusche scheppern über das Spielfeld. Der Unparteiische unterbricht den Kick für eine knappe halbe Stunde. »Gibt es noch eine pyrotechnische Geschichte, dann wird das Spiel nicht fortgesetzt«, tönt Hansas Stadionsprecher ins Mikro. »Ich appelliere an euren gesunden Menschenverstand, lasst uns das Spiel regulär zu Ende bringen.« Was dann auch passiert. (Übrigens, Hansa gewinnt nach 90 Spielminuten 1:0.)

Wie rechtfertigt die Polizei die Eskalation? Mit einer Art Notstand. Eine Scheibe der Abtrennung hätten Dynamo-Anhänger zerstört, »um in den Bereich der Heimfans zu gelangen«, teilte das Rostocker Polizeipräsidium am Sonnabend abend mit. Denn gewalttätige Attacken seien zu befürchten gewesen, deshalb der unverzügliche Einsatz von Landes- und Bundespolizei. Die Situation sei recht rasch unter Kontrolle gebracht worden.

Die Matchbilanz laut Polizei: Insgesamt 13 verletzte Einsatzkräfte, fünf verletzte Stadionmitarbeiter. Ferner 33 Spieltagsbesucher, die sich durch Sanitäter behandeln lassen mussten. Eine Zwischenbilanz, mehr wohl nicht.

Einige Pressevertreter spielten derweil Kriegsreporter. »Es sind schon fast kriegsähnliche Zustände«, meinte Andreas Mann vom übertragenden Sender Magenta Sport. Ähnlich theatralisch äußerten sich Vereinsverantwortliche. »Das Sportliche tritt natürlich in den Hintergrund. Es kotzt einen an, solche Bilder zu sehen«, befand Hansa-Vorstandschef Jürgen Wehlend im NDR. Und David Fischer, Geschäftsführer Kommunikation von Dynamo, erklärte auf deren Homepage: Wenn Menschen gezielt andere Personen mit Feuerwerkskörpern attackierten und so schwere Verletzungen in Kauf nähmen, »dann muss man von einem Versagen aller Sicherheitsorgane sprechen«.

Was auffällt, beiderseits kein Wort zum Pfeffersprayeinsatz der Polizisten. Unverständlich. Zumal dieser Kampfstoff regelmäßig zu Verletzten führt, vor allem in vollbesetzten Stadionbereichen. Das monieren seit Jahren Fanprojekte und Fanhilfen. Gegenüber jW wollten sie sich vorerst nicht zu den Vorfällen äußern. Nur soviel: Fragebögen würden ausgewertet, zahlreiche Rückmeldungen von Fans seien schon eingegangen.

Was bleibt? Eine Erkenntnis: Abermals haben Einsatzkräfte das Stadionerlebnis getrübt, die Situation beim Ostderby angeheizt, angefacht – vorsätzlich mittels Bannerraub.

links & bündig gegen rechte Bünde

Jetzt den kostenlosen jW-Newsletter abonnieren – täglich das Beste aus der Tageszeitung junge Welt, direkt in Ihr Postfach. Ihre E-Mail-Adresse wird natürlich niemals an Dritte weitergegeben.