Schaden für die Meinungsfreiheit
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Zu ihrem Aufruf zum Warnstreik im öffentlichen Personennahverkehr erklärte die Gewerkschaft Verdi am Mittwoch:
»Die Situation der Beschäftigten im ÖPNV ist außerordentlich problematisch. Es gibt viel zu wenig Personal, so dass die Arbeitsverdichtung ständig zunimmt«, betont die stellvertretende Verdi-Vorsitzende Christine Behle. »Dazu kommt, dass in den kommenden Jahren Tausende Menschen auch im Nahverkehr in Rente gehen. Von denen, die heute neu dazukommen, bleiben viele nur kurz: Für die Belastung ist der Lohn zu niedrig, sagen sie. Aber mit jedem, der geht, steigt der Stress für die, die bleiben. Darum gibt es hohe Krankenstände, und darum fallen Busse und Bahnen viel zu oft aus. Deshalb brauchen wir eine deutliche Lohnsteigerung und Entlastung auch im kommunalen Nahverkehr.« Behle wies darauf hin, dass der ÖPNV Daseinsvorsorge sei. Die Kommunen dürften mit der Finanzierung attraktiver Arbeitsbedingungen im ÖPNV nicht allein gelassen werden. Bund und Länder müssten die Zukunft des ÖPNV endlich als ihre Aufgabe verstehen. Der gemeinsame Streik am Freitag mache sichtbar: »Für gute Löhne und Arbeitsbedingungen haben wir eine gemeinsame Verantwortung, sie sind nicht das Schicksal einzelner Kommunen«, so Behle.
Medico International und Amnesty International in Deutschland kritisierten am Mittwoch in einer gemeinsamen Pressemitteilung die Absage von Veranstaltungen mit der UN-Sonderberichterstatterin Francesca Albanese:
(…) Die Freie Universität Berlin und das Kühlhaus Berlin gaben Sicherheitsbedenken zur Begründung der Absage an. Tatsächlich wurde im Vorfeld massiv politischer und medialer Druck auf die Veranstaltungsorte ausgeübt und Francesca Albanese gezielt diffamiert, u. a. mit Antisemitismusvorwürfen. Die Veranstaltung im Kühlhaus sollte eine Benefizveranstaltung für die Gazanothilfe von UNRWA und Medico International sein (…) Für diese Veranstaltung konnte kurzfristig ein alternativer Veranstaltungsort gefunden werden.
Julia Duchrow, Generalsekretärin der deutschen Sektion von Amnesty International, sagt: »Die Absage von zwei Veranstaltungen mit UN-Sonderberichterstatterin Francesca Albanese fügt der Meinungs- und Wissenschaftsfreiheit in Deutschland schweren Schaden zu. Das Ziel, Maßnahmen zur Bekämpfung von Antisemitismus, Rassismus und jeglicher Form von Menschenfeindlichkeit durchzusetzen und jüdisches Leben in Deutschland zu schützen, ist ausdrücklich und uneingeschränkt zu begrüßen. Dabei dürfen jedoch Grund- und Menschenrechte nicht beschnitten werden. Auch Debatten über kontroverse Themen müssen möglich sein. Statt dessen erleben wir den Versuch, bestimmte politische Ansichten aus dem Diskurs auszuschließen.«
Tsafrir Cohen, Geschäftsführer von Medico International, sagt: »Werden Auftritte einer UN-Sonderberichterstatterin aufgrund von politischem Druck abgesagt, offenbart das ebenfalls einen mangelnden Respekt gegenüber dem Völkerrecht. Dies geschieht in einer Zeit, in der Institutionen wie der Internationale Strafgerichtshof von mächtigen Staaten angegriffen werden, wie zuletzt durch die Sanktionen der USA. Es ist ein fatales Signal, wenn Politiker in Deutschland nun ebenfalls zur Delegitimierung internationaler Institutionen beitragen, statt sie dabei zu unterstützen, Verbrechen gegen die Menschlichkeit, wie sie in Gaza stattfinden, zu ahnden.«
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