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Aus: Ausgabe vom 25.02.2025, Seite 1 / Titel
Schuldenbremse

Bremse lockern mit links

Aufrüstung. Die Schuldenbremse soll reformiert werden. Die Linke-Führung ist »unter Bedingungen« dazu bereit, wird dafür aber eventuell nicht benötigt
Von Arnold Schölzel
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Berlin, Gebäude der Bundespressekonferenz am 24. Februar: Heidi Reichinnek (l.), Ines Schwerdtner und Jan van Aken

So schnell wie möglich wollen die alten und die vermutlich künftigen Regierungsparteien die Schuldenbremse für die Finanzierung der angekündigten Hochrüstung lockern. Bündnis 90/Die Grünen schlugen am Montag vor, dass das noch der alte Bundestag beschließt. Der Kanzlerkandidat von CDU und CSU, Friedrich Merz, schloss das ebenso wie die Einrichtung eines Sondervermögens für die Ukraine-Hilfen nicht aus. Er antwortete auf eine Journalistenfrage: »Unsere Überlegungen dazu sind nicht abgeschlossen.« Merz kündigte Gespräche mit SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP an. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) reagierte zurückhaltend, die Führung der Partei Die Linke erklärte ihre Bereitschaft, »unter Bedingungen« für die Modifikation der Schuldenbremse zu stimmen.

Koparteichefin Ines Schwerdtner erklärte in der Bundespressekonferenz: Bei diesem Thema sei klar, »dass die nächste Bundesregierung sich bewegen muss«. Die Linke sei nun »in der Lage, Bedingungen stellen zu können«. Ihre Partei sei »von Anfang an gegen die Schuldenbremse« gewesen, für Aufrüstung werde sie nicht stimmen. Koparteichef Jan van Aken ergänzte auf die Frage, ob seine Partei die Bundeswehr ausreichend ausgestattet sehe: Das sei zu kurz gedacht, Die Linke habe immer erklärt, dass sie »Sicherheit europäisch denken« wolle. Die europäischen NATO-Staaten gäben »ungefähr 430 Milliarden US-Dollar für ihre Verteidigung aus, Russland kaufkraftbereinigt 300 Milliarden«. Verteidigung müsse auf Landes- oder Europaverteidigung begrenzt werden, dafür reichten diese Summen aus.

Hintergrund der Debatte: Für eine Reform der im Grundgesetz verankerten Schuldenbremse wird eine Zweidrittelmehrheit im Bundestag benötigt. Im neuen Parlament haben aber AfD und Die Linke knapp mehr als ein Drittel der Sitze und verfügen damit gemeinsam über eine Sperrminorität. Nach Grundgesetzartikel 39 muss der neue Bundestag spätestens am 30. Tag nach der Wahl, d. h. am 25. März, zusammentreten. Im alten Bundestag kämen CDU/CSU, SPD, Bündnis 90/Die Grünen auf die erforderliche Mehrheit.

Bundesagrarminister Cem Özdemir (Bündnis 90/Die Grünen) erklärte im ARD-»Morgenmagazin«: »Wir könnten uns noch in diesem Monat mit dem bestehenden Bundestag zusammensetzen, mit Bündnis 90/Die Grünen, mit der CDU/CSU, mit der SPD, um dafür zu sorgen, dass wir mehr ausgeben können für die Landesverteidigung.«

Merz erklärte angesichts der Sperrminorität »der ganz linken und der ganz rechten Seite« im künftigen Bundestag: »Dann haben wir keine Mehrheiten mehr, um das Grundgesetz zu ändern«. Das sei »eine schwierige Lage«. Die Bundeswehr brauche aber sehr viel mehr Geld.

Scholz äußerte, wenn, dann müsse sich ein Vorstoß zur raschen Reform aus Kontakten zwischen Union und SPD ergeben. Sollte es zu Gesprächen kommen, müsse man »alles Mögliche erörtern, mit größter Vorsicht selbstverständlich«. Es sei selten, aber nicht unmöglich, dass der alte Bundestag nach einer Wahl noch einmal zusammenkomme. Scholz hat recht: Musterfall war der Beschluss des Bundestages am 16. Oktober 1998 – drei Wochen nach der damaligen Bundestagswahl: Er stimmte der Bundeswehr-Beteiligung an NATO-Luftschlägen gegen Jugoslawien zu. Am völkerrechtswidrigen NATO-Krieg ab dem 24. März 1999 konnte sich die deutsche Luftwaffe daher sofort mit Parlamentsmandat beteiligen.

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  • Leserbrief von Hans Wiepert aus Berlin (25. Februar 2025 um 14:34 Uhr)
    Die Gegen-Rechts-und-gegen-Merz-Demonstranten, die sich für die Linke erwärmt haben, müssen jetzt sehr stark sein. Deren Herr Ramelow flirtet heftig mit, nun ja, Herrn Merz: https://regionalheute.de/ramelow-zeigt-sich-offen-fuer-zusammenarbeit-mit-merz-1740410523/
  • Leserbrief von Reinhold Schramm aus Berlin (25. Februar 2025 um 14:01 Uhr)
    Nach den Wahlen vom 23.02.2025: Heftige Preiserhöhung bei der Berliner GASAG heute am 25.02.2025 erhalten! Saftige Nachzahlung und die Erhöhung der monatlichen Abschlagszahlung um 29,2 Prozent. 1. Frage: Wann gibt es endlich eine soziale Politik im Interesse der Mehrheit der Bevölkerung in Deutschland? Oder muss man diesmal die Weimarer Republik erfolgreich sozialrevolutionär wiederholen? 2. Frage: Bleibt ein sozialrevolutionärer Bürgerkrieg für die Zukunft in Deutschland ausgeschlossen?
  • Leserbrief von Fred Buttkewitz aus Ulan - Ude (25. Februar 2025 um 02:17 Uhr)
    »Die Linke habe immer erklärt, dass sie ›Sicherheit europäisch denken‹ wolle. Die europäischen NATO-Staaten gäben ›ungefähr 430 Milliarden US-Dollar für ihre Verteidigung aus, Russland kaufkraftbereinigt 300 Milliarden‹.« Herr van Aken sagt zwar ganz richtig, dies würde für die Verteidigung genügen. Doch warum hat er dann zusätzlich solche Rechenkunststücke nötig? Was ist der Grund, dass die PdL flugs die russischen Militärausgaben so hoch rechnet, dass sie das Vielfache der üblich im Umlauf befindlichen Zahlen betragen und gleichzeitig die NATO-Militärausgaben der USA und Kanadas nicht erwähnt(den Löwenanteil)? Ganz ohne die europäischen NATO-Staaten ist allein der US-Wehretat um das Zehnfache höher als der Russlands. Viele soziale Probleme in Deutschland zu mildern, Infrastruktur und Bildungsangebote zu verbessern, Renten auf österreichisches Niveau zu erhöhen, all das wäre problemlos möglich, wenn die Militärausgaben der NATO auf den Stand der gemeinschaftlichen Ausgaben von Russland und China für das Militär reduziert werden würden. Das allerdings fordert die PdL nicht, sondern beschönigt lieber mit unseriösen Vergleichszahlen. Bei Parität der Rüstungsausgaben könnte nämlich auch die Schuldenbremse beibehalten werden, die einen Schutz unserer Jugend und ihrer Nachkommen vor Belastungen darstellt. Das sind versteckte Rechnungen für die Zukunft, welche die PdL jetzt »unter bestimmten Bedinungen« gerade den ihr unlängst zugeströmten jungen Parteimitgliedern und Wählern auferlegen will. Ahnen die etwas davon, wer gerade Kredite unterschreibt, die sie dann abzahlen müssen? Nein, Herr van Aken. Die Rüstungsausgaben reichen nicht aus (eine verfälschende Untertreibung). Sie müssen um ein Vielfaches reduziert werden. Sie wissen ganz genau, dass die Schuldenbremse nur gelockert wird mit dem Ziel des Gegenteils. Sie und die PdL sind verpflichtet, die Zukunft der jungen Menschen zu schützen, die Ihnen gerade ihr Vertrauen geschenkt haben.

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