Bremse lockern mit links
Von Arnold Schölzel
So schnell wie möglich wollen die alten und die vermutlich künftigen Regierungsparteien die Schuldenbremse für die Finanzierung der angekündigten Hochrüstung lockern. Bündnis 90/Die Grünen schlugen am Montag vor, dass das noch der alte Bundestag beschließt. Der Kanzlerkandidat von CDU und CSU, Friedrich Merz, schloss das ebenso wie die Einrichtung eines Sondervermögens für die Ukraine-Hilfen nicht aus. Er antwortete auf eine Journalistenfrage: »Unsere Überlegungen dazu sind nicht abgeschlossen.« Merz kündigte Gespräche mit SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP an. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) reagierte zurückhaltend, die Führung der Partei Die Linke erklärte ihre Bereitschaft, »unter Bedingungen« für die Modifikation der Schuldenbremse zu stimmen.
Koparteichefin Ines Schwerdtner erklärte in der Bundespressekonferenz: Bei diesem Thema sei klar, »dass die nächste Bundesregierung sich bewegen muss«. Die Linke sei nun »in der Lage, Bedingungen stellen zu können«. Ihre Partei sei »von Anfang an gegen die Schuldenbremse« gewesen, für Aufrüstung werde sie nicht stimmen. Koparteichef Jan van Aken ergänzte auf die Frage, ob seine Partei die Bundeswehr ausreichend ausgestattet sehe: Das sei zu kurz gedacht, Die Linke habe immer erklärt, dass sie »Sicherheit europäisch denken« wolle. Die europäischen NATO-Staaten gäben »ungefähr 430 Milliarden US-Dollar für ihre Verteidigung aus, Russland kaufkraftbereinigt 300 Milliarden«. Verteidigung müsse auf Landes- oder Europaverteidigung begrenzt werden, dafür reichten diese Summen aus.
Hintergrund der Debatte: Für eine Reform der im Grundgesetz verankerten Schuldenbremse wird eine Zweidrittelmehrheit im Bundestag benötigt. Im neuen Parlament haben aber AfD und Die Linke knapp mehr als ein Drittel der Sitze und verfügen damit gemeinsam über eine Sperrminorität. Nach Grundgesetzartikel 39 muss der neue Bundestag spätestens am 30. Tag nach der Wahl, d. h. am 25. März, zusammentreten. Im alten Bundestag kämen CDU/CSU, SPD, Bündnis 90/Die Grünen auf die erforderliche Mehrheit.
Bundesagrarminister Cem Özdemir (Bündnis 90/Die Grünen) erklärte im ARD-»Morgenmagazin«: »Wir könnten uns noch in diesem Monat mit dem bestehenden Bundestag zusammensetzen, mit Bündnis 90/Die Grünen, mit der CDU/CSU, mit der SPD, um dafür zu sorgen, dass wir mehr ausgeben können für die Landesverteidigung.«
Merz erklärte angesichts der Sperrminorität »der ganz linken und der ganz rechten Seite« im künftigen Bundestag: »Dann haben wir keine Mehrheiten mehr, um das Grundgesetz zu ändern«. Das sei »eine schwierige Lage«. Die Bundeswehr brauche aber sehr viel mehr Geld.
Scholz äußerte, wenn, dann müsse sich ein Vorstoß zur raschen Reform aus Kontakten zwischen Union und SPD ergeben. Sollte es zu Gesprächen kommen, müsse man »alles Mögliche erörtern, mit größter Vorsicht selbstverständlich«. Es sei selten, aber nicht unmöglich, dass der alte Bundestag nach einer Wahl noch einmal zusammenkomme. Scholz hat recht: Musterfall war der Beschluss des Bundestages am 16. Oktober 1998 – drei Wochen nach der damaligen Bundestagswahl: Er stimmte der Bundeswehr-Beteiligung an NATO-Luftschlägen gegen Jugoslawien zu. Am völkerrechtswidrigen NATO-Krieg ab dem 24. März 1999 konnte sich die deutsche Luftwaffe daher sofort mit Parlamentsmandat beteiligen.
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