Verwalterin des Niedergangs
Von Christian Bunke
Heute hält Keir Starmer als Parteivorsitzender die Zügel der Labour Party fest in der Hand. Starmer ist ein Erbe von Tony Blair, der Labour in den 1990er Jahren neoliberal »erneuerte« und damit den Niedergang der britischen Sozialdemokratie einleitete. Mit Starmer gewinnt dieser Niedergang wieder an Fahrt. Blair hatte mitnichten rückgängig gemacht, was in der Ära Thatcher angerichtet worden war: die Dezimierung der hochqualifizierten britischen Facharbeiterschaft durch Privatisierung und Werkschließungen. Im Gegenteil, der neue Premier von der Labour Party machte auch die mehrheitlich »weißen« proletarischen Wohngegenden zu Niedriglohngebieten, wie es sie in den mehrheitlich migrantischen Gegenden schon längst gab.
Gleichzeitig begann unter Blair eine Hetze gegen Erwerbslose, chronisch Kranke und Menschen mit Behinderungen. Ihnen unterstellte seine Regierung pauschal Faulheit, die mit dem Entzug von Sozialleistungen zu bestrafen sei. Die auf »New Labour« folgenden konservativen Regierungen führten diesen Ansatz mit enthusiastischem Sadismus fort, und auch Keir Starmers Regierung hetzt fast täglich gegen diese Personengruppen.
Weil Labour spätestens unter Tony Blair lohnabhängigen Menschen keine Aufstiegschancen mehr bieten konnte, erfand die Partei den Begriff der »weißen Arbeiterklasse«, die es vor den Bedrohungen »irregulärer Migration« zu beschützen gelte. Eine Architektin dieses Begriffs ist Yvette Cooper, die heute in der Regierung Starmer als Innenministerin Flüchtlinge bekämpft. Der Versuch, auf diese Weise traditionelle Hochburgen durch Rassismus an die Partei zu binden, ist jedoch gescheitert. Laut jüngsten Umfragen verschiedener Meinungsforschungsinstitute droht die rechtspopulistische Partei Reform UK von Nigel Farage Labour zu überholen und zur stärksten Partei Großbritanniens zu werden.
Auch unter migrantischen Bevölkerungsgruppen kann Labour nicht mehr punkten. Dafür haben die Beteiligung sozialdemokratischer Regierungen am Irak-Krieg sowie jüngst Starmers Unterstützung für Israels verbrecherische Kriegführung im Gazastreifen nachhaltig gesorgt. Den Autoritarismus, mit dem die Labour-Spitze in der Vergangenheit die parteiinterne Opposition bekämpft hatte, hat sie längst auf die Regierungspolitik ausgedehnt. Labour weiß, es rumort im Land. Deshalb übt die Regierung Druck auf Techkonzerne aus, ihre Geräte – Smartphones, Notebooks etc. – für staatliche Datenschnüffelei zu öffnen. Vor einigen Tagen erst gab Apple diesem Druck nach.
Zu Beginn ihrer Geschichte begleitete die Partei den kapitalistischen Aufschwung Großbritanniens. Heute verwaltet sie notdürftig den Niedergang. Die Gewerkschaften, die Labour einst gründeten, sind mit Blick auf die Partei zwiegespalten. Brotkrumen wie die teilweise Rücknahme der drastischsten Antigewerkschaftsgesetze durch Starmer nehmen sie dankbar auf. Als Gegenleistung fordert Starmer von den Gewerkschaften, eine Sozialpartnerschaft mit der Kapitalseite einzugehen. Dass so die soziale Lage der Lohnabhängigen verbessert wird, ist mehr als fraglich.
links & bündig gegen rechte Bünde
Jetzt den kostenlosen jW-Newsletter abonnieren – täglich das Beste aus der Tageszeitung junge Welt, direkt in Ihr Postfach. Ihre E-Mail-Adresse wird natürlich niemals an Dritte weitergegeben.