Eine symbolträchtige Schiffsladung Reis
Von Thomas Berger
Für Südasien dürfte es eine der Schlagzeilen des Monats sein: Erstmals gibt es direkte regierungsamtliche Handelsbeziehungen zwischen Bangladesch und Pakistan. Zwar geht es aktuell nur um die Lieferung von zwei Schiffsladungen Reis. Doch daraus könnte einiges mehr entstehen – umfangreichere Wirtschaftsbeziehungen sind nach diesem Anfang vorstellbar. Das Tauwetter zwischen Dhaka und Islamabad, das nach dem Sturz der autoritären Langzeit-Premierministerin Scheich Hasina im August eingesetzt hatte (während die Beziehungen zum traditionellen Partner Indien abkühlten), bietet günstige Umstände, im historisch belasteten Verhältnis ein neues Kapitel aufzuschlagen.
Die pakistanische Zeitung The Express Tribune war die erste, die schon am Sonntag davon berichtet hatte, dass ein Schiff mit 25.000 Tonnen Reis an Bord in Richtung Bangladesch aufgebrochen sei. Verbreitet in der Folge auch von der indischen Agentur PTI, zogen zu Wochenbeginn zahlreiche weitere Medien auf dem Subkontinent mit der Berichterstattung nach. Der Frachter MV »Sibi« in Diensten der Pakistan National Shipping Corporation (PNSC) hat am 22. Februar in Port Qasim, einem Hafen östlich der größten Metropole Karatschi im Indusdelta, abgelegt. Das Einlaufen im Zielhafen wird für 4. März erwartet. Etwa zeitgleich soll der zweite Transport mit nochmals 25.000 Tonnen starten.
Die vom 84jährigen Friedensnobelpreisträger Muhammad Yunus geführte Übergangsregierung in Dhaka will mit diesen kurzfristigen Zusatzimporten für mehr Angebot sorgen und so den Preis für das wichtigste Grundnahrungsmittel drücken. Denn auch in Bangladesch dreht sich die Inflationsspirale: Allein Standardreis hat sich in den zurückliegenden Monaten um 15 bis 20 Prozent verteuert. Das trifft Millionen Menschen in dem dichtbevölkerten Land, die kaum einen Taka übrig haben. Die Interimsadministration weiß, dass sie die nötige Zeit für den angestrebten politischen Reformprozess bis zu den voraussichtlich Anfang 2026 stattfindenden Wahlen nur haben wird, wenn es zwischenzeitlich nicht zu Hungerunruhen kommt.
Gleichwohl, erinnerte die pakistanische Zeitung The Nation, ist der dort eingekaufte Reis mit einem Preis von 499 US-Dollar pro Tonne etwas teurer als die 474,25 Dollar, die man derzeit beim traditionellen Reislieferanten Vietnam zahlen müsste. Solche Details treten angesichts des politischen Signals, das hinter dem Deal steckt, aber in den Hintergrund. Erstmals, seit das frühere Ostpakistan 1971 mit einem extrem hohen Blutzoll (einer der opferreichsten Befreiungskriege des 20. Jahrhunderts) unter dem neuen Namen Bangladesch mit indischer Hilfe seine Unabhängigkeit von Islamabad erkämpft hatte, wird nun ganz direkt von Staat zu Staat Handel getrieben. Schon folgte am Montag von der indischen Agentur ANI unter Verweis auf einen Sprecher in Bangladeschs Außenministerium die Meldung, in Kürze würde im noblen Gulshan Club von Dhaka eine Delegation von Geschäftsfrauen aus Pakistan mit ihren Produkten erwartet.
Am Rande eines Gipfeltreffens in Kairo am 19. Dezember hatten sich Yunus und sein Amtskollege Shehbaz Sharif zu einem Gespräch in »gelockerter Atmosphäre« getroffen. Über fünf Jahrzehnte waren die Beziehungendurch die Geschichte belastet. Nun ist plötzlich nicht nur von schnellen Visaerleichterungen die Rede, sondern perspektivisch ebenso verstärkten Kooperationen in der Chemiebranche, bei Lederwaren, Medizintechnik, Baumaterialien und im IT-Sektor, wie auf der amtlichen Webseite des pakistanischen Regierungschefs nachzulesen ist. »Alte Feinde werden schnell Freunde«, lautete eine Unterzeile in einem Beitrag des Lowy Institute vom 3. Februar. Es gehe um eine Entwicklung im Zeitraffer. Erwähnt wurden auch die im Januar vereinbarte Gründung eines bilateralen Wirtschaftsrates und die Tatsache, dass der Handel allein zwischen August und Dezember schon um etwa 27 Prozent gestiegen sei und sich 2025 sogar vervierfachen könnte.
links & bündig gegen rechte Bünde
Jetzt den kostenlosen jW-Newsletter abonnieren – täglich das Beste aus der Tageszeitung junge Welt, direkt in Ihr Postfach. Ihre E-Mail-Adresse wird natürlich niemals an Dritte weitergegeben.
Ähnliche:
- Mohammad Ponir Hossain/REUTERS18.11.2024
Wettlauf gegen die Zeit
- Akhtar Soomro/REUTERS05.12.2023
Demontierte Öltanker
- imago/United Archives13.08.2022
Freiheit und Grauen
Regio:
Mehr aus: Kapital & Arbeit
-
Ruag außer Kontrolle
vom 27.02.2025